Menschenrechtssituation in der DRK

Hintergrundinformationen Der Eintrag im Jahresbericht 2007 basiert auf Vorkomnissen und Daten aus dem Jahr 2006 Im Juli und Oktober fanden Parlamentsund Präsidentschaftswahlen statt, an die sich die H
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Hintergrundinformationen

Der Eintrag im Jahresbericht 2007 basiert auf Vorkomnissen und Daten aus dem Jahr 2006

Im Juli und Oktober fanden Parlamentsund Präsidentschaftswahlen statt, an die sich die Hoffnung knüpfte, dass sie den fragilen Frieden festigen würden. Mehrere bewaffnete Gruppen bekundeten jedoch ihre Skepsis gegenüber dem Versöhnungsprozess oder lehnten ihn ausdrücklich und kategorisch ab.

Der Wahlkampf war verbreitet von Menschenrechtsverstössen überschattet. Dazu zählten das «Verschwindenlassen» politischer Gegner, willkürliche Inhaftierungen, ethnisch motivierte Gewaltakte, der Einsatz unverhältnismässiger Gewalt seitens der Sicherheitskräfte bei der Auflösung von Protestveranstaltungen sowie Einschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäusserung und Versammlungsfreiheit. Nach Bekanntgabe der Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 20. August brachen in der Hauptstadt Kinshasa Strassenkämpfe zwischen dem Übergangspräsidenten Joseph Kabila loyal gesonnenen Soldaten und Anhängern seines Stellvertreters Jean-Pierre Bemba aus. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen forderten 23 Menschenleben.

Innerhalb der DRK betrug die Zahl vertriebener Personen mehr als 1,6 Millionen, weitere rund 400000 Kongolesen lebten als Flüchtlinge in Nachbarstaaten. Die anhaltend prekäre Sicherheitslage im Osten der DRK erwies sich nach wie vor als Hindernis, die dort lebende Bevölkerung ausreichend mit humanitärer Hilfe zu versorgen. In den östlichen Landesteilen ebenso wie in Kinshasa lag die Aufrechterhaltung der Sicherheit weitgehend in den Händen der Uno-Friedensmission MONUC, die mit dieser Aufgabe jedoch überfordert war. Die Truppenstärke der MONUC betrug Ende 2006 rund 17000 Mann. Während des Wahlkampfs erhielt sie in Kinshasa militärische Verstärkung durch EUFOR-Einsatzkräfte der Europäischen Union.

Ungeachtet eines Uno-Waffenembargos gelangten weiterhin Kleinwaffen ins Land. Auch die Regierung setzte sich dem Vernehmen nach über das Embargo hinweg, indem sie es im Juli unterliess, die Vereinten Nationen über eine Schiffsladung mit Panzern, Schützenpanzern und Munition in Kenntnis zu setzen, deren Einfuhr über den Hafen von Matadi abgewickelt wurde.

Reformen im Sicherheitssektor

Eine der vorrangigen Aufgaben der Übergangsregierung bestand in der Auflösung der zahllosen im Land operierenden bewaffneten Gruppen. Bereits 2004 war ein Programm ins Leben gerufen worden, das unter anderem die Entwaffnung sämtlicher Soldaten der ehemaligen Regierung sowie aller Mitglieder bewaffneter Gruppen vorsah und das Angebot an diesen Personenkreis enthielt, sich entweder demobilisieren zu lassen oder in die neu geschaffenen Streitkräfte der Demokratischen Republik Kongo (Forces Armées de la République Démocratique du Congo – FARDC) übernommen zu werden. Doch sowohl der Integrationsprozess in die FARDC als auch Initiativen zur Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kombattanten in das Zivilleben kamen nur schleppend voran. Die Gründe hierfür waren erhebliche logistische und technische sowie Managementprobleme, aber auch mangelnde politische Unterstützung. Bis Ende 2006 konnten deshalb entsprechende Projekte nur teilweise zum Abschluss gebracht werden. Auch andere Reformen im Sicherheitssektor wie etwa die Integration in die Nationalpolizei lagen hinter dem angestrebten Zeitplan zurück und waren Ende des Berichtszeitraums grösstenteils noch nicht umgesetzt.

Das Programm zur Integration ehemaliger Kämpfer in die FARDC wies beträchtliche Schwachstellen auf. So wurde weder der Herausbildung paralleler Befehlsstrukturen vorgebeugt noch ausgeschlossen, dass mutmasslich für schwere Menschenrechtsverstösse verantwortliche Personen in die Streitkräfte übernommen wurden. Ebenso wenig war vorgesehen, sämtliche FARDC-Soldaten in Fragen des Menschenrechtsschutzes und der Wahrung des humanitären Völkerrechts zu schulen. Angesichts der sozioökonomischen und humanitären Notlage im Land stellte auch die Wiedereingliederung früherer Kombattanten in das Zivilleben eine gewaltige Herausforderung dar. Viele von ihnen warteten nach ihrer Demobilisierung lange Zeit vergeblich auf die von der Regierung versprochene finanzielle Unterstützung oder auf einen Arbeitsplatz in einem der auf kommunaler Ebene geförderten Projekte. In weiten Teilen des Landes ging von ehemaligen Kämpfern aufgrund ihrer Verärgerung über ausbleibende Hilfe eine Gefahr für die Sicherheit aus.

Ungesetzliche Tötungen

Für die im Berichtszeitraum gemeldeten Menschenrechtsverletzungen und Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht trugen mehrheitlich FARDC-Einheiten Verantwortung. Auf ihr Konto gingen unter anderem ungesetzliche Tötungen, Folterungen und Vergewaltigungen, das »Verschwindenlassen« von Menschen, rechtswidrige Inhaftierungen sowie Plünderungen. Darüber hinaus unterliessen sie es, Zivilisten vor Anschlägen bewaffneter Gruppen zu schützen. Die ärmlichen Lebensbedingungen der FARDC-Soldaten und mangelnde Verlässlichkeit bezüglich der Auszahlung ihres Soldes wirkten sich abträglich auf die Disziplin innerhalb der Streitkräfte aus.
In den Provinzen Nord- und Südkivu, Katanga und Orientale (Ituri) zeichneten auch kongolesische bewaffnete Gruppen, die den Friedensprozess und die Integration ihrer Kämpfer in die FARDC ablehnten, für zahlreiche Menschenrechtsverstösse verantwortlich, von denen einige ethnisch motiviert gewesen zu sein schienen. Zu den von ihnen verübten Menschenrechtsverbrechen zählten Vergewaltigungen, ungesetzliche Tötungen und Plünderungen.

Des Weiteren waren auf kongolesischem Territorium nach wie vor ausländische Milizen aktiv, die gleichfalls schwere Menschenrechtsverstösse begingen. Neben den Demokratischen Kräften für die Befreiung Ruandas (Forces Démocratiques de Libération du Rwanda – FDLR) waren dies bewaffnete Gruppen aus Burundi und Uganda.

Im Januar erschossen FARDC-Soldaten vor einer Kirche in der Ortschaft Nyata im Bezirk Ituri zwei Kinder und fünf Erwachsene. Gleichfalls im Januar verübten Einheiten einer von Laurent Nkunda angeführten bewaffneten Gruppe, die in Opposition zur kongolesischen Übergangsregierung stand und sich hauptsächlich aus Kinyarwanda sprechenden Kämpfern rekrutierte, in der Provinz Nordkivu mehrere Anschläge, die sich gegen die Regierungstruppen ebenso wie gegen zivile Ziele richteten. Nach vorliegenden Meldungen machten sie sich verbreitet ungesetzlicher Tötungen schuldig und vergewaltigten zahlreiche Frauen, die nicht kinyarwandasprachigen Gemeinschaften angehörten.
In Kahuzi-Biega in der Provinz Südkivu lockten im August FDLR-Milizen vier Zivilisten in einen Hinterhalt, raubten sie aus und töteten sie. Darüber hinaus sollen FDLR-Kämpfer mehrere Frauen und Mädchen verschleppt haben.

Kindersoldaten

Nach wie vor befanden sich mehrere tausend Kinder in den Reihen der Streitkräfte und bewaffneter Gruppen oder waren nicht in das Programm zur Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kombattanten eingebunden und deshalb auch nicht registriert. In Gegenden im Osten des Landes, in denen die Sicherheitslage angespannt blieb, wurden sogar erneut Kindersoldaten rekrutiert, von denen einige erst kurz zuvor demobilisiert worden waren. Zum Teil erfolgte die neuerliche Rekrutierung gegen den Willen der Kinder, andere liessen sich von bewaffneten Gruppen anwerben, weil ihnen die Regierung nach ihrer Rückkehr in ihre Gemeinschaften keine wirksame Hilfe hatte zukommen lassen. Der überwiegende Teil der demobilisierten und in ihre Heimatorte zurückgekehrten Kindersoldaten erhielt nur geringe Unterstützung bei der Wiedereingliederung in das Zivilleben. Grosser Mangel beispielsweise herrschte an schulischen und beruflichen Bildungsangeboten. Zudem fehlten Vorkehrungen zum Schutz der Kinder, was viele von ihnen der Gefahr aussetzte, erneut als Soldaten rekrutiert zu werden.

Im Juni entführten schwer bewaffnete Kämpfer in Kabalekasha in der Provinz Nordkivu sechs ehemalige Kindersoldaten, die eine internationale Nichtregierungsorganisation in die Obhut ihrer Familien übergeben hatte. Die Kinder wurden in ein Militärlager verschleppt und dort in einem Erdloch festgehalten. In ihrer Begleitung befand sich eine schwangere Frau, die mit Schlägen traktiert wurde. Die Entführungsopfer kamen später wieder frei, doch wurden drei der Kinder noch ein weiteres Mal von bewaffneten Kämpfern angegriffen und brutal verprügelt.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

In allen Teilen der DRK fielen Frauen und Mädchen verbreitet Vergewaltigungen durch Angehörige der Regierungsstreitkräfte oder bewaffneter Gruppen zum Opfer. Nur wenige Überlebende hatten Zugang zu angemessener medizinischer Behandlung der Verletzungen oder Krankheiten, die sie sich durch die Vergewaltigung zugezogen hatten. Vielfach erfuhren sie zudem gesellschaftliche Diskriminierung und wurden von ihren Familien und Gemeinschaften verstossen.
Tausende Kindersoldatinnen, die grossenteils zwangsrekrutiert und von bewaffneten Kämpfern als Sexsklavinnen missbraucht worden waren, wurden durch das Programm zur Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung von Kombattanten nicht erfasst. Befehlshaber bewaffneter Gruppen und deren Kämpfer weigerten sich vielfach, die Mädchen, die sie als ihr sexuelles Eigentum betrachteten, freizulassen. Andere Kindersoldatinnen mochten an dem Programm nicht teilnehmen, weil sie weitere Diskriminierung und soziale Ausgrenzung befürchteten. Die Regierung liess keine systematischen Anstrengungen erkennen, diese Mädchen ausfindig zu machen und sie in geeigneter Weise bei der Demobilisierung und Wiedereingliederung zu unterstützen.

Im August sollen Beamte der Nationalpolizei (Police Nationale Congolaise – PNC) in der Ortschaft Bolongo-Loka in der Provinz Equateur 37 Frauen und Mädchen vergewaltigt und andere Dorfbewohner misshandelt und gefoltert haben. Die Militärbehörden nahmen später im Zusammenhang mit dem Vorfall neun Personen fest, unter ihnen sieben PNC-Polizisten. Bis Jahresende war gegen die mutmasslichen Täter noch kein Gerichtsverfahren eröffnet worden.

Folterungen und Misshandlungen

Aus allen Landesteilen trafen regelmässig Meldungen über Folterungen und Misshandlungen durch Angehörige der staatlichen Sicherheitskräfte und bewaffneter Gruppen ein. Willkürliche Festnahmen, rechtswidrige Inhaftierungen – zum Teil ohne Kontakt zur Aussenwelt und an geheimen Orten, was dem «Verschwindenlassen» gleichkommt – sowie lang andauernde Haft ohne Gerichtsverfahren blieben an der Tagesordnung. In den meisten Gefängnissen und Hafteinrichtungen herrschten Berichten zufolge derart harte Bedingungen, dass oftmals von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gesprochen werden musste.

Im August verhafteten Angehörige der Republikanischen Garde, einer dem Befehl von Übergangspräsident Joseph Kabila unterstellten militärischen Einheit, 84 aus N’galiema in Kinshasa stammende Personen, bei denen es sich überwiegend um Fischer handelte, unter denen sich aber auch Frauen und Kinder befanden. Die Festgenommenen wurden beschuldigt, als »Rebellen« für Jean-Pierre Bemba tätig zu sein, den Rivalen von Joseph Kabila im Kampf um das Präsidentenamt. Sie mussten sich nackt ausziehen und wurden mit anhaltenden Schlägen gequält, mehrere von ihnen offenbar zusätzlich auf andere Weise gefoltert. Anschliessend sperrte man die Häftlinge in eine enge Zelle, in der sie 48 Stunden lang ohne Nahrung ausharren mussten, bevor sie schliesslich ohne Anklageerhebung wieder freigelassen wurden.

Übergriffe gegen Menschenrechtsverteidiger

Menschenrechtlich engagierte Personen wurden weiterhin mit anonymen Todesdrohungen terrorisiert und von den kongolesischen Behörden routinemässig eingeschüchtert.

Im April richteten sich Todesdrohungen gegen Hubert Tshiswaka, den Direktor der Menschenrechtsorganisation Action Contre l’Impunité pour Les Droits Humains (ACIDH) mit Sitz in Lubumbashi in der Provinz Katanga. Sie sollen von Vertretern der Union der Föderalisten im Kongo (Union Nationale des Fédéralistes au Congo – UNAFEC) ausgegangen sein, einer politischen Partei unter dem Vorsitz des seinerzeitigen Justizministers. Die Drohungen folgten der Veröffentlichung von Presseerklärungen, in denen die ACIDH die Wähler aufgerufen hatte, ihre Stimme Kandidaten zu geben, die sich für die Menschenrechte einsetzen. Des Weiteren hatte die Organisation öffentlich von allen politischen Parteien gefordert, dass sie ihre gewaltbereiten Jugendverbände auflösen.

Straflosigkeit

Auch wenn einige der mutmasslich für Menschenrechtsverbrechen Verantwortlichen vor Gericht gestellt wurden, so blieb doch ein Klima der Straffreiheit vorherrschend. Zudem stattete die Regierung bestimmte Anführer bewaffneter Gruppen mit Befehlsgewalt innerhalb der neu geschaffenen Streitkräfte aus, obwohl gegen die betreffenden Personen begründete Vorwürfe im Raum standen, dass sie sich schwerer Menschenrechtsverstösse schuldig gemacht hatten. Dazu zählten Peter Karim und Mathieu Ngodjole, unter deren Kommando zwei bewaffnete Gruppen in Ituri aktiv gewesen waren und die im Oktober in der Hierarchie der FARDC zu Obersten ernannt wurden. Den von ihnen befehligten einstigen Rebelleneinheiten wurde eine Art Amnestie gewährt.
Reformen der Ziviljustiz, die diese befähigen sollten, Menschenrechtsverstösse der zurückliegenden Jahre wie auch der Gegenwart in unabhängiger und unparteiischer Weise zu ahnden, kamen nur schleppend voran.

Im April wurden sieben FARDC-Soldaten für schuldig befunden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben, weil sie unter anderem im Dezember 2003 in der Provinz Equateur 119 Frauen vergewaltigt hatten. Die Urteile lauteten auf lebenslange Haft.

Im August erging gegen Yves Panga Mandro Kahwa, den Anführer einer in Ituri operierenden bewaffneten Gruppe, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eine 20-jährige Freiheitsstrafe.

Der auch als Gédéon bekannte Kyungu Mutanga, Befehlshaber einer bewaffneten Gruppe der Mayi-Mayi im Norden der Provinz Katanga, stellte sich im Mai den Behörden, nachdem er für ungesetzliche Tötungen, Vergewaltigungen und Folterungen sowie anderweitige Gräueltaten in der Region verantwortlich gemacht worden war. Ende 2006 hatte sein Prozess noch nicht begonnen, auch war noch nicht Anklage gegen ihn erhoben worden.

Unfaire Gerichtsverfahren und Todesurteile

Im Berichtszeitraum fanden erneut unfaire Gerichtsverfahren statt. Desgleichen wurden weiterhin Todesurteile verhängt, die allermeisten davon von Militärtribunalen. In mindestens einem Fall wurden von Militärrichtern ausgesprochene Todesurteile auch vollstreckt, sonst fanden – soweit bekannt – keine Hinrichtungen statt.

Im Juni verurteilte ein Militärtribunal in Kinshasa nach einem unfairen und summarischen Verfahren drei Personen zu langjährigen Freiheitsstrafen. Es handelte sich um Pastor Fernando Kutino, einen führenden Vertreter protestantischer Gemeinden im Kongo, seinen Amtsbruder Pastor Timothée Bompere Mboo sowie einen Mann namens Junior Nganda. Die Festnahmen und der Prozess gegen die drei Angeklagten schienen politisch motiviert gewesen zu sein.

Internationale Strafverfolgung

Im März wurde Thomas Lubanga Dyilo, der Anführer einer in Ituri operierenden bewaffneten Gruppe mit dem Namen Union der kongolesischen Patrioten, festgenommen und in den Gewahrsam des Internationalen Strafgerichtshofs mit Sitz in Den Haag überstellt. Dort wurde er im August offiziell angeklagt, Kinder im Alter von weniger als 15 Jahren zwangsrekrutiert, zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten genötigt und somit Kriegsverbrechen begangen zu haben. Am 8. November begannen vor dem Gericht die Vorverhandlungen, in denen es um die Klärung der Frage ging, ob die Beweise für die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen den Milizenchef ausreichen. Der Prozess gegen Thomas Lubanga ist der erste in der Geschichte des Internationalen Strafgerichtshofs.