Die Nachricht von Jean-Claude Roger Mbedes Tod hat MenschenrechtsverteidigerInnen auf der ganzen Welt geschockt und betrübt. Amnesty International hatte sich seit mehreren Jahren für ihn eingesetzt und ihn während seiner Haft als gewaltlosen politischen Gefangenen bezeichnet. In dieser Zeit gewann der 34-jährige Aktivist mit dem fröhlichen Lächeln viele Amnesty-Mitglieder für sich.
Jean-Claude Roger Mbede war einer von vielen, die in Kamerun unter einem Gesetz festgenommen und verurteilt wurden, welches gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Strafe stellt. Er wurde im März 2011 festgenommen, nachdem er eine Kurznachricht an einen Mann geschickt hatte, in der stand, dass er ihn liebte.
Im April 2011 wurde er wegen «homosexueller Neigungen» und dem «Versuch, homosexuelle Handlungen zu begehen», zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt.
Während seiner Zeit im Gefängnis litt Jean-Claude Roger Mbede unter Mangelernährung und wurde regelmässig geschlagen. Er erhielt am 16. Juli 2012 für die Dauer des Berufungsverfahrens vorübergehend seine Freiheit zurück, doch das Berufungsgericht Yaoundé bestätigte im Dezember 2012 den Schuldspruch. Aus Angst vor einer erneuten Inhaftierung und davor, den Rest seiner Strafe verbüssen zu müssen, tauchte Jean-Claude Roger Mbede unter.
Trotz laufender Berufungsverfahren und internationaler Unterstützung durch AktivistInnen in vielen Ländern starb Jean-Claude Roger Mbede als Geächteter, dessen einziges «Verbrechen» ein Liebesgeständnis war.
Liebe als Verbrechen
Die Härte, mit der die kamerunischen Behörden gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI) wie Jean-Claude Roger Mbede vorgehen, und die hartherzige Gleichgültigkeit der dortigen Gesellschaft gegenüber dem Leiden – oder gar Tod – dieser Personen deuten auf ein grossflächiges und wachsendes Problem in vielen afrikanischen Ländern hin.
Gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Erwachsenen – häufig als «widernatürliche geschlechtliche Handlungen» und «Handlungen gegen die natürliche Ordnung» bezeichnet – stehen derzeit in 31 Ländern im Afrika südlich der Sahara sowie in ganz Nordafrika unter Strafe. In vier afrikanischen Ländern kann dafür die Todesstrafe verhängt werden.
Im Juni 2013 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht über die zunehmende Homophobie in Afrika. «Making Love a Crime: Criminalization of same-sex conduct in sub-Saharan Africa» dokumentiert, wie «homosexuelle Handlungen» in vielen afrikanischen Ländern vermehrt kriminalisiert werden, indem die dortigen Regierungen die Strafen verschärfen bzw. den Anwendungsbereich bestehender Gesetze ausweiten – teils sogar unter Anwendung der Todesstrafe.
Der tragische Tod von Jean-Claude Roger Mbede sowie die jüngsten Entwicklungen in anderen Ländern zeigen auf, wie dramatisch sich die Situation seitdem verschlechtert hat.
Drakonische Gesetzgebung in Nigeria
Am 13. Januar bestätigten sich mit der Unterzeichnung des Gesetzes zum Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe die schlimmsten Befürchtungen nigerianischer AktivistInnen. Zwar sah die nigerianische Gesetzgebung bei «Geschlechtsverkehr gegen die natürliche Ordnung» bereits Haftstrafen von bis zu 14 Jahren vor, und in einigen Bundesstaaten im Norden konnte unter dem islamischen Recht der Shari'a sogar die Todesstrafe verhängt werden. Doch das repressive neue Gesetz tritt die grundlegendsten Rechte und Freiheiten mit Füssen.
Der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan setzte mit einem Federstrich ein Gesetz in Kraft, das nicht nur die «gleichgeschlechtliche Ehe» kriminalisiert, sondern auch die Aktivitäten vieler menschenrechtlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen und Einrichtungen unter Strafe stellt. Gleichzeitig ist der Begriff der «gleichgeschlechtlichen Ehe» so weit gefasst, dass fast jede Form des gleichgeschlechtlichen Zusammenlebens darunter fällt. Das Gesetz sieht Haftstrafen von bis zu zehn Jahren für alle vor, die «die Registrierung, den Betrieb oder die Erhaltung von Nachtclubs, Vereinigungen, Organisationen, Festzügen oder Treffen für Schwule und Lesben unterstützen». Damit ist Nigeria nun de facto eines der intolerantesten Länder der Welt.
Die Uno-Hochkommissarin für Menschenrechte Navi Pillay kritisierte das Gesetz am darauf folgenden Tag scharf: «Selten habe ich ein Gesetz gesehen, das in so wenigen Absätzen so viele grundlegende und allgemeingültige Menschenrechte direkt verletzt. Die Rechte auf Privatsphäre und Nichtdiskriminierung, auf freie Meinungsäusserung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, auf Freiheit von willkürlicher Festnahme und Inhaftierung: dieses Gesetz untergräbt sie alle.»
Seit Inkrafttreten des Gesetzes haben PolizeibeamtInnen in zahlreichen nigerianischen Bundesstaaten auf seiner Grundlage bereits zahlreiche Personen festgenommen, und mindestens zwölf von ihnen sollen sich noch in Haft befinden.
MenschenrechtsverteidigerInnen berichteten Amnesty International, dass die Polizei in mindestens einem Bundesstaat 167 Personen im Visier hat, die aufgrund ihrer mutmasslichen sexuellen Orientierung bzw. Geschlechtsidentität festgenommen werden sollen. LGBTI-AktivistInnen zufolge haben viele der derzeit inhaftierten Personen keinen Zugang zu Rechtsbeiständen oder anderer Unterstützung.
Amnesty International fordert die nigerianischen Behörden auf, diese Hetzjagd umgehend zu beenden und das diskriminierende Gesetz aufzuheben.
Sturmwolken in Uganda
In Uganda kämpfen LGBTI-Personen und MenschenrechtsverteidigerInnen derweil weiterhin gegen das repressive «Anti-Homosexuellen-Gesetz». Am 20. Dezember 2013 wurde der Gesetzentwurf, der erstmals 2009 vorgelegt worden war, überraschend durch das Parlament angenommen.
Der vollständige Text des verabschiedeten Gesetzes ist noch nicht veröffentlicht worden. Dennoch ist die Verabschiedung ein schwerer Angriff auf die Menschenrechte, da das Gesetzt verschärfte Strafen für einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Erwachsenen vorsieht. Wie auch in Nigeria verstösst das Gesetz gegen die Rechte auf Privatsphäre, Familienleben und Gleichheit und bedroht zudem die Rechte auf Vereinigungsfreiheit und freie Meinungsäusserung - alle diese Rechte sind durch die ugandische Gesetzgebung und internationale Menschenrechtsnormen geschützt.
Der Gesetzentwurf enthält darüber hinaus Bestimmungen, die die «Förderung» von Homosexualität kriminalisieren, unter bestimmten Umständen obligatorische HIV-Tests vorschreiben sowie eine lebenslange Haftstrafe bei «schwerer Homosexualität» oder Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe vorsehen.
Die Verabschiedung dieses Gesetzes wird nicht nur Auswirkungen auf die LGBTI in Uganda haben, sondern auch die dortige Zivilgesellschaft sowie MitarbeiterInnen des öffentlichen Gesundheitssystems und GemeindesprecherInnen in ihrer rechtmässigen Arbeit einschränken.
Der ugandische Präsident Yoweri Museveni hat es in der Hand, etwas gegen dieses stark diskriminierende Gesetz zu tun. Amnesty International hat eine globale Kampagne ins Leben gerufen, um ihn zum Blockieren des gesamten Gesetzes und zur Bekräftigung der Verpflichtung Ugandas zur Wahrung der Menschenrechte aufzurufen.
Gegen die Welle des Hasses stemmen
Obwohl sie nicht direkt miteinander in Verbindung stehen, zeigen die jüngsten Entwicklungen in Kamerun, Nigeria und Uganda auf, in welcher schwierigen Lage sich Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle sowie LGBTI-AktivistInnen in vielen Teilen Afrikas befinden.
Doch eine grosse und wachsende Zahl an AktivistInnen und Organisationen spricht sich auf dem gesamten Kontinent unermüdlich gegen diese Gesetze aus und macht sich für die Menschenrechte von LGBTI stark.
Amnesty International kämpft Seite an Seite mit ihnen, um dafür zu sorgen, dass niemand aufgrund seiner Identität oder sexuellen Neigung mit Schikane, Inhaftierung oder gar dem Tod rechnen muss.