Der Bericht If you resist, we will shoot you («Wenn du dich wehrst, erschiessen wir dich») zeigt auf, wie sowohl kongolesische Sicherheitskräfte als auch bewaffnete Gruppierungen dank der leichten Verfügbarkeit von Waffen und Munition im Kongo immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen begehen. Grundlegende Mängel des kongolesischen Sicherheitsapparats tragen das ihre dazu bei, dass Waffen und Munition missbraucht und unkontrolliert an Dritte weitergegeben werden.
«Die Situation in der DR Kongo ist ein gutes Beispiel für die dringende Notwendigkeit eines umfassenden Waffenhandelsabkommen, wie es von der Uno im kommenden Juli verhandelt wird», kommentiert Paule Rigaud, stellvertretende Programmleiterin für Afrika bei Amnesty International. «Solange keine Garantien für die Einhaltung der Menschenrechte vorliegen, dürfen Staaten nicht mehr zulassen, dass Rüstungsgüter in Länder wie den Kongo geliefert werden, wo das Risiko gross ist, dass sie bei schweren Menschenrechtsverletzungen und Angriffen auf Zivilpersonen verwendet werden».
Meldung von Waffen aus der Schweiz
In den vergangenen Jahren wurde die kongolesische Regierung mit grossen Mengen von Waffen, Munition und Zubehör beliefert, etwa mit Kleinwaffen, Munition, Tränengas, gepanzerten Fahrzeugen, Artilleriegeschossen und Granaten.
Gemäss dem Amnesty-Bericht muss davon ausgegangen werden, dass auch Schweizer Munition darunter war: Im Dezember 2011 meldete die südafrikanische Regierung beim Sanktionsausschuss des Uno-Sicherheitsrates einen bevorstehenden Transfer von 3'300 40mm-Patronen in die DR Kongo an. Herstellerin der Munition war die Schweizer Firma Brugger und Thomet AG. Die Schweizer Regierung lehnte auf Anfrage von Amnesty International jede Verantwortung für eine Wiederausfuhr in den Kongo ab, während die südafrikanische Regierung auf die Anfrage bisher nicht reagierte.
Das Gros der in die DR Kongo gelieferten Waffen stammt aus China, Ägypten, Südafrika, der Ukraine und den USA. In den meisten von Amnesty untersuchten Fällen wurden die Waffenlieferungen von den zuständigen Regierungen bewilligt, obwohl ein massgebliches Risiko bestand, dass sie für schwere Menschenrechtsverletzungen oder Kriegsverbrechen im Kongo verwendet werden würden.
Zivilbevölkerung bezahlt den Preis
Den horrenden Preis für die leichte Verfügbarkeit und die unkontrollierte Weitergabe von Waffen zahlen wie immer vor allem Zivilpersonen. So ermordete im Oktober 2008 der «Congrès national pour la défense du Peuple» (CNDP) im Dorf Kiwanja 150 Einwohnerinnen und Einwohner. Kurz zuvor hatte die Gruppierung ein Waffendepot der kongolesischen Armee FARDC geplündert und sich dadurch grosse Mengen an Waffen beschafft. «Ich danke China, dass es der FARDC all diese Waffen gegeben hat», wird der damalige CNDP-Chef Laurent Nkunda im Bericht zitiert.
Waffenlieferungen an die Regierungskräfte führen aber auch auf direktem Weg zu mehr Menschenrechtsverletzungen. Ein Beispiel ist die Vergewaltigung von fast 50 Frauen durch Soldaten der FARDC im Dorf Bushani in der Provinz Nord-Kivu zwischen dem 31. Dezember 2010 und dem 1. Januar 2011. Sie unterstrichen ihre Macht mit Schüssen in die Luft und drohten den Frauen, sie zu erschiessen, wenn sie Widerstand leisteten. Einige der Patronenhülsen, die anschliessend vor Ort gefunden wurden, waren in China hergestellt worden.
Für Paule Rigaud von Amnesty International ist es «allerhöchste Zeit, dass die Länder, welche Waffen in die Demokratische Republik Kongo liefern, strikte Risikoanalysen durchführen. Das könnte verhindern, dass die Waffen von allen Seiten für international geächtete Verbrechen verwendet werden.»
Medienmitteilung veröffentlicht: Bern/London, 12. Juni 2012
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