In dem Berufungsverfahren, das heute beginnt, müssen einige Ungereimtheiten aufgeklärt werden, die während des Gerichtsverfahrens aufgetreten sind. Diese sind in unserem Bericht «Gerechtigkeit in Gefahr: Das erstinstanzliche Gerichtsverfahren gegen Victoire Ingabire» dokumentiert: «Im ersten Verfahren gegen Victoire Ingabire sind zahlreiche Mängel aufgetreten und internationale Standards verletzt worden», sagt Sarah Jackson, Direktorin des Afrika-Programms bei Amnesty International.
Ingabire, die Vorsitzende der Oppositionspartei Forces Démocratiques Unifiées (FDU-Inkingi) war am 30. Oktober 2012 wegen der Teilnahme an einer terroristischen Verschwörung gegen die Behörden und der Bagatellisierung des Genozids von 1994 zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Der ruandische Präsident Paul Kagame erklärte schon zu Beginn der Ermittlungen öffentlich in den Medien und auf Twitter, dass er Ingabire für schuldig halte. Das widerspricht aber der Unschuldsvermutung, ein Recht, das jeder und jedem Angeklagten zusteht.
Die Anklage wegen Terrorismus beruhte hauptsächlich auf Geständnissen, die nach einer längeren Inhaftierung im Militärgefängnis Camp Kami erfolgt waren, in dem anerkanntermassen gefoltert wird. Das Gericht hat dies nie untersucht. «Amnesty International hat Vorwürfe, wonach Häftlinge in Camp Kami gefoltert und misshandelt wurden, dokumentiert. . Die Tatsache, dass mindestens zwei Männer, die gleichzeitig mitVictoire Ingabe vor Gericht standen, dort für mehrere Monate eingesperrt waren, bevor sie die Oppositionesführerin mit ihren Aussagen belasteten, gibt Anlass zu ernster Sorge und spricht für eine Untersuchung.»
Amnesty International hat das Gerichtsverfahren von September 2011 bis April 2012 weitestgehend beobachtet und hat zahlreiche Beispiele unfairer Behandlung von Ingabire dokumentiert. Die Richter wirkten so, als ob sie Gegner der Verteidigung wären und haben den Verteidiger während des Verfahrens mehrfach unterbrochen und getadelt. Die Beweise, die von der Verteidigung und der Anklage vorgebracht wurden, sind unterschiedlich gewichtet worden: die Beweise der Verteidigung wurde wiederholt hinterfragt, wohingegen auf der Hand liegende Fragen bei Beweisen der Anklage nicht gestellt wurden.
«Kritiker der ruandischen Behörden sind bedroht, eingeschüchtert und eingesperrt worden. Ein faires Berufungsverfahren wäre ein Zeichen dafür, dass auch politische Gerichtsverfahren von einer unabhängigen Justiz durchgeführt werden», sagt Sarah Jackson von Amnesty International abschliessend.
Medienmitteilung veröffentlicht: London/Bern, 25. März 2013
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