Mary Rayner
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Amnesty International: Sind in Südafrika die Frauen besonders stark von Aids und HIV betroffen?
Mary Rayner: Ja. In Südafrika gab es im vergangenen Jahr 5,7 Millionen HIV-positive Menschen, 55 Prozent davon waren Frauen. Nur 700'000 Menschen hatten Zugang zu antiretroviralen Medikamenten. Wir haben in zwei Gebieten Untersuchungen vorgenommen, in denen der Anteil infizierter Personen besonders hoch ist: 39 Prozent der Frauen, die eine Schwangerschaftsberatung in Anspruch nahmen, waren von der Krankheit betroffen. Unglücklicherweise sind in diesen Gebieten auch viele der erkrankten Frauen Opfer von häuslicher Gewalt, oder sie wurden von ihrer Familie ausgeschlossen.
Wie sieht die Rolle der PolitikerInnen im Kampf gegen Aids aus?
Die politische Elite sorgt rund um das Thema Aids mitunter für Verwirrung. Der ehemalige Präsident Thabo Mbeki hat öffentlich die Wirksamkeit der Aids-Medikamente in Zweifel gezogen und zeigte sich gegenüber den örtlichen Organisationen wenig kooperativ. Sein Rücktritt hatte immerhin den positiven Effekt, dass als neue Gesundheitsministerin Barbara Hogan ernannt wurde. Sie ist sehr zielstrebig in Bezug darauf, was gegen HIV/Aids unternommen werden muss. Wir haben ihr unseren Bericht präsentiert und sind zuversichtlich, dass sie das Thema anders angehen wird als ihre Vorgängerin.
Was muss sich ändern? Die Regierung hat schon entschieden, gratis Präservative abzugeben…
Die Regierung hat tatsächlich gute Massnahmen bezüglich der Abgabe von Kondomen entwickelt, um die Ansteckungen einzudämmen. Aber sie vernachlässigt die Rechte der Frauen im Bereich der Sexualität und Fortpflanzung, gerade was das Recht angeht zu verlangen, dass ihre Partner Kondome verwenden sollen. Wir haben Frauen befragt, die bestätigt haben, dass ihre Partner dieses Recht nicht respektieren und sie damit in Gefahr bringen, sich anzustecken.
Die Frauen sehen sich einer Vielzahl von Problemen ausgesetzt: Armut, HIV/Aids, Gewalt. Was kann Amnesty International (AI) tun, um ihre Situation zu verbessern?
Südafrika hat eine gute Gesetzeslage und eine starke Verfassung, die das Recht auf Gleichbehandlung schützt. Aber die Regierung tut sich manchmal schwer, diese Gesetze durchzusetzen, gerade was die Arbeitslosigkeit und den Ressourcenmangel angeht. Die Kampagne von Amnesty International ruft der Regierung in Erinnerung, dass sie die Probleme in den ländlichen Gebieten angehen muss. Weltweit nehmen 26 Sektionen von Amnesty International an der Aktion zum Recht auf Gesundheit in Südafrika teil. Dank des Engagements von kanadischen AI-Mitgliedern haben die Behörden schliesslich eine Lösung gefunden, die den Fortbestand eines Frauenhauses in Durban sichert.
Interview: Manon Schick