Im Vorfeld der für den 16. Mai geplanten Proteste in der südsudanesischen Hauptstadt Juba als auch weltweit hatten hochrangige Regierungsvertreter kaum verhohlene Drohungen gegen die Organisatorinnen und Organisatoren und potenzielle DemonstrantInnen geäussert. Das dokumentiert Amnesty International in einem neuen Kurzbericht, der am 18. Juli veröffentlicht wird.
Diese Proteste waren von der sogenannten «Red Card Movement» (RCM) geplant worden, einer neu gegründeten südsudanesischen Jugendbewegung, deren Mitglieder sich zur Gewaltfreiheit bekennen. Die Veranstaltung in Juba wurde letztendlich abgesagt.
Drohungen von Regierungsseite
Am 7. Mai hatte Informationsminister Michael Makuei Lueth den Protestierenden mit tödlichen Konsequenzen gedroht, wenn sie an den geplanten Veranstaltungen teilnähmen. «Wer demonstrieren will, kann das gerne tun, muss sich jedoch auch auf die Konsequenzen gefasst machen. Wir wissen, wer dies anführt. Wir möchten nicht, dass wieder Jugendliche sterben», so Lueth in einem Interview mit dem Radiosender Tamazuj.
Daraufhin begannen Angehörige des Geheimdienstes NSS und der Armee damit, zu jeder Tages- und Nachtzeit die Wohnungen von vermeintlichen Mitgliedern, Sympathisantinnen und Sympathisanten der RCM zu durchsuchen. Die Behörden entsandten ausserdem Armeeangehörige nach Juba und liessen öffentliche Plätze abriegeln.Der 30-jährige Garang Aher wurde am 19. Mai in seiner Wohnung von drei NSS-Angehörigen festgenommen. Man warf ihm Verbindungen zur RCM vor, nachdem seine Telefonnummer in einem entsprechenden WhatsApp-Chat auftauchte, der an die Behörden weitergegeben worden war. Am 23. Mai wurde er wieder freigelassen.
Präsident Salva Kiir wiederholte am 21. Mai öffentlich die Androhung tödlicher Konsequenzen für Protestierende: «Sie sagen euch, geht zur Regierung und protestiert, aber wissen sie denn nicht, dass dabei alles Mögliche passieren kann und dass Menschen sterben könnten? Und was, wenn die Regierung nicht gesprächsbereit ist und beschliesst, automatische Waffen einzusetzen? Warum wollt ihr umsonst sterben?»
Anonyme Beschattung im Ausland
Während vor südsudanesischen Botschaften in Australien, den USA und dem Sudan ungehindert Protestveranstaltungen abgehalten wurden, wurden in Äthiopien und Kenia, ähnlich wie im Südsudan, RCM-Mitglieder eingeschüchtert und drangsaliert.
Zwei Kameramänner, die eine friedliche Demonstration vor der südsudanesischen Botschaft in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba filmten, wurden tätlich angegriffen. «Ich sah, wie ein Mitarbeiter der Botschaft einen Kameramann schlug, und wie ein zweiter Mann den anderen Kameramann, der ins Gesicht geschlagen wurde, brutal schubste», so ein Augenzeuge zu Amnesty International.
In Kenia drohte man RCM-Mitgliedern mit Festnahme und Abschiebung in den Südsudan, wo sie Gefahr laufen würden, dem Verschwindenlassen zum Opfer zu fallen. Ein Betroffener sagte Amnesty International, die Unverhohlenheit der Drohungen habe ihn schockiert.
Die RCM-Mitglieder wurden zudem von südsudanesischen Personen, die InformantInnen des Geheimdienstes zu sein schienen, beschuldigt, «den Südsudan in einem schlechten Licht darzustellen, so wie Dong und Aggrey; die sind jetzt tot. Wenn ihr diesen Weg einschlagen wollt, habt ihr die Konsequenzen zu tragen.»
Die Betroffenen berichteten Amnesty International ausserdem, dass sie von Männern in schwarzen Anzügen beschattet würden. «Wir werden von anonymen Personen verfolgt. Wenn wir anhalten, halten sie auch an. Wo wir uns aufhalten, sind sie auch. Wir sind in Gefahr und müssen uns verstecken.»
Auch nach den abgesagten Protesten Mitte Mai gingen die Drangsalierungen und Einschüchterungsversuche weiter. Am 9. Juli, dem Unabhängigkeitstag des Südsudan, hielten Mitglieder und Sympathisantinnen und Sympathisanten des RCM vor der südsudanesischen Botschaft in Nairobi eine friedliche Protestveranstaltung ab.
Die Demonstration wurde von der kenianischen Polizei aufgelöst, obwohl die Veranstaltung alle rechtlichen Vorgaben erfüllte. Drei Protestierende wurden festgenommen und wegen unerlaubter Versammlung angeklagt. Sie kamen am nächsten Tag gegen Kaution frei und sagten Amnesty International, dass sie von der Polizei geschlagen worden seien.
«Südsudanesische Staatsangehörige müssen ihre Menschenrechte wahrnehmen dürfen; dazu gehört auch das Recht auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Alle Menschen haben das Recht, ihre Regierung und die Regierungspolitik ohne Angst vor Repressalien zu kritisieren», so Joan Nyanyuki.