Joseph Kony, Anführer der Lord's Resistance Army (LRA). © APGraphicsBank
Joseph Kony, Anführer der Lord's Resistance Army (LRA). © APGraphicsBank

Uganda Amnesty fordert Einhaltung der Menschenrechte im Fall Joseph Kony

9. März 2012
Die Social Media Kampagne KONY 2012 hat eine Welle der öffentlichen und massenmedialen Aufmerksamkeit für Joseph Kony und die LRA ausgelöst. Amnesty International betont, dass sämtliche Bemühungen und Kampagnen zur Festnahme von Joseph Kony im Einklang mit Menschenrechtsstandards und internationalem Strafrecht stehen müssen. Die Sicherheit der Bevölkerung in den betroffenen Regionen muss jederzeit garantiert sein. Amnesty unterstützt die Kampagne KONY 2012 nicht, empfiehlt aber allen, die sich beteiligen, auf die Sicherheit der Zivilbevölkerung zu bestehen.

Amnesty International dokumentiert seit über 25 Jahren Menschenrechtsverletzungen, die von Joseph Kony und der von ihm geführten Lord's Resistance Army (LRA) begangen werden. Die Organisation fordert, dass die mutmasslichen Täter verhaftet und vor Gericht gestellt werden. Ferner fordert Amnesty die Verhaftung und Überstellung Konys an den Internationalen Strafgerichtshof entsprechend dem bestehenden internationalen Haftbefehl. Der Haftbefehl lautet auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit (u.a. Vergewaltigung, Sexsklavinnen und Sexsklaven) und Kriegsverbrechen (u.a. Rekrutierung von Kindersoldatinnen und Kindersoldaten und Angriffe auf Zivilistinnen und Zivilisten).

Amnesty International hat gleichwohl auch Menschenrechtsverletzungen der ugandischen Armee dokumentiert. Sie richteten sich sowohl gegen zivile Gemeinden, in denen die LRA aktiv war, als auch gegen festgenommene LRA-Mitglieder.

«Wir dürfen nicht vergessen, dass viele LRA-Mitglieder selbst Opfer von Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsrekrutierungen waren,» sagte Erwin van der Borght, Afrika-Experte bei Amnesty International. «Die Festnahmen von Anhängerinnen und Anhängern der LRA müssen im Einklang mit dem Völkerrecht stehen. Des Weiteren müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um die Bevölkerung in von LRA-Aktivitäten betroffenen Regionen zu schützen.

Die Bemühungen Joseph Kony zu ergreifen, sollten laut Amnesty International von den Regierungen jener Länder unternommen werden, in denen die LRA aktiv ist - und nicht von US-Streitkräften. Die Vereinten Nationen und die Afrikanischen Union, die beide bereits in Bemühungen zur Ergreifung von Joseph Kony involviert sind, müssen eine zentrale Rolle einnehmen, die betroffenen Gemeinden schützen und die Menschenrechtssituation in der Region untersuchen.

«Alle, die sich an der Kampagne Kony 2012 beteiligen, sollten darauf bestehen, dass die Verhaftung von Joseph Kony nur unter Beachtung der Menschenrechte geschieht und die Sicherheit der Zivilistinnen und Zivilisten in den angrenzenden Gebieten gewährleistet wird,» sagte van der Borght. Sollte einer der gesuchten Männer getötet werden, würde dies den Opfern der LRA die Möglichkeit nehmen, Gerechtigkeit zu erfahren.

Hintergrund

Seit der Machtergreifung durch Yoweri Museveni im Jahr 1986 leistete Joseph Kony mit seinem «Holy Spirit Movement» hauptsächlich im Norden des Landes Widerstand gegen Museveni. Dabei wurde er zeitweise von der sudanesischen Regierung finanziell und mit Waffen unterstützt. Joseph Kony gab stets an, dass er von religiösen Kräften dominiert sei, in deren Auftrag er einen Gottesstaat errichten wolle.

Aus dem «Holy Spirit Movement» ging Anfang der 1990er Jahre die LRA hervor. Nachdem Friedensverhandlungen mit der Regierung scheiterten, zog sich die LRA 1994 in den Sudan zurück, ging aber weiter gegen die Zivilbevölkerung im Norden Ugandas vor. 1999 unterzeichneten Uganda und Sudan ein Friedensabkommen und unterstützten im Jahr 2002 den von den USA proklamierten «War on terrorism», woraufhin die LRA auf die Liste der terroristischen Gruppierungen gesetzt wurde. Mit der Erlaubnis der sudanesischen Regierung startete die ugandische Regierung eine Militäroffensive im Süden Sudans, woraufhin die LRA in den Norden Ugandas zurückkehrte und die Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung weiter steigerte.

2003 erhob der ugandische Staat gegen Joseph Kony u.a. Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Im Jahr 2006 begannen Friedensverhandlungen zwischen LRA und ugandischer Regierung, die im August 2006 zu einem Waffenstillstandsabkommen führten. Die Regierung bot im Falle des Abschlusses eines Friedensabkommens eine Amnestie an. Im April/Mai 2008 brach Joseph Kony die Friedensverhandlungen ab.

Danach hat sich die LRA in die Demokratische Republik Kongo und später in die Zentralafrikanische Republik zurückgezogen. Dort begehen sie weiterhin massive Menschenrechtsverletzung. Zwischen Dezember 2008 und Oktober 2010 wurden im Sudan, Kongo (DR) und Zentralafrika mehr als 2'000 Menschen getötet, 2'600 entführt und 400'000 vertrieben.

Warum wird Joseph Kony mit Haftbefehl gesucht?

Die Lord's Resistance Army (LRA) bestand während des Konflikts in Norduganda (1986-2006) zeitweise bis zu 90 Prozent aus Kindersoldatinnen und Kindersoldaten, die zwischen 13 und 16 Jahre alt waren. Während des Konflikts entführte die LRA in Norduganda rund 25'000 Mädchen und Jungen. Nach der Entführung wurden diese Kinder zum Töten ausgebildet und viele dazu gezwungen, eigene Familienmitglieder umzubringen. Mädchen mussten älteren Soldaten außerdem als Sexsklavinnen dienen. Versuchten die Kinder zu fliehen, drohte ihnen der Tod, wobei die Hinrichtungen von anderen Kindern vollstreckt wurden. Gelang die Flucht, blieben Kindersoldatinnen und Kondersoldaten zumeist traumatisiert und von der Gesellschaft ausgegrenzt.

Zum Zeitpunkt der Friedensverhandlungen 2006 waren 1,7 Mio. Menschen in Norduganda vertrieben worden, dies entsprach in einigen Regionen über 80 Prozent der Bevölkerung. Frauen und Mädchen wurden systematisch vergewaltigt und missbraucht.

Was fordert Amnesty?
  • Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.
  • Joseph Kony muss an den Internationalen Strafgerichtshof überstellt werden.
  • Die ugandische Regierung muss breite Programme zur Reintegration und Resozialisierung von Kindersoldatinnen und Kindersoldaten auflegen.
  • Vergewaltigungs- und Missbrauchsopfer müssen medizinische und psychologische Hilfe bekommen, ihnen muss geholfen werden, wieder in die Gesellschaft integriert zu werden.