Ana Paula, die Mutter von Johnatha de Oliveira, der 19-jährig von der Militärpolizei getötet wurde.© AF Rodrigues/Anistia Internacional
Ana Paula, die Mutter von Johnatha de Oliveira, der 19-jährig von der Militärpolizei getötet wurde. © AF Rodrigues/Anistia Internacional

Tödliche Polizeigewalt in Brasilien Betroffene Mütter sind in der Schweiz, um zu erzählen

November 2015
Terezinha de Jesus und Ana Paula Oliveira teilen ein grauenhaftes Schicksal: Die Polizei hat ihre Söhne erschossen. Die beiden Jungen hatten sich keines Verbrechens schuldig gemacht, sie waren lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort. Offizielle Untersuchungen kamen zwar zum Schluss, dass es sich bei den Tötungen um Notwehr gehandelt hatte, doch trug weder der 10-jährige Eduardo noch der 19-jährige Johnatha eine Waffe auf sich.

Terezinha de Jesus und Ana Paula Oliveira befinden sich derzeit auf einer Vortragsreise durch Europa, um die internationale Aufmerksamkeit auf das kaum beachtete Thema der tödlichen Polizeigewalt in ihrem Land zu lenken. Am 18. November machen sie Halt in der Schweiz. Auf ihrer Reise begleitet werden die Mütter von zwei Mitarbeitenden von Amnesty Brasilien: Renata Neder, Menschenrechtsbeauftragte und Kampagnenleiterin, und Bruno Duarte, Leiter der Sozialen Medien.

Eine Generation junger Schwarzer wird dezimiert

In Brasilien werden jedes Jahr fast 60’000 Menschen Opfer von tödlicher Gewalt. Alleine in der Stadt Rio de Janeiro, wo 2016 die Olympischen Sommerspiele stattfinden, gehen 16 Prozent der Tötungen auf das Konto der Polizei. Die Getöteten sind zu 77 Prozent schwarz, jung und stammen aus einem Armenviertel.

Um auf die Dezimierung einer Generation junger Menschen aufmerksam zu machen, lancierte Amnesty Brasilien vor einem Jahr die Kampagne «Jung, schwarz, am Leben». 50’000 Brasilianerinnen und Brasilianer haben mit ihrer Unterschrift für die Amnesty-Kampagne manifestiert: «Wir wollen unsere Jungen leben sehen!».

Tödliche Polizeigewalt trifft vor allem Favelas

Da Polizeigewalt für einen nicht unerheblichen Teil der Tötungen verantwortlich ist, untersuchte Amnesty gezielt Fälle in diesem Kontext. Am 3. August 2015 veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation den Bericht «Du hast meinen Sohn getötet», der die tödliche Polizeigewalt in Rios Favelas dokumentiert. Der Bericht kommt zum Schluss, dass die Verantwortlichen kaum je zur Rechenschaft gezogen werden, obwohl in den allermeisten Fällen Indizien vorliegen, dass es sich bei der Tötung um eine aussergerichtliche Hinrichtung handelt. Die Recherchen von Amnesty International legen nahe, dass es sich auch im Fall von Johnatha Oliveira und von Eduardo de Jesus um aussergerichtliche Hinrichtungen handelt – um Tötungen also, die nicht mit Notwehr legitimiert werden können. Beide Fälle sind bis heute nicht aufgeklärt worden.

Am 18. November nehmen Terezinha de Jesus, Ana Paula Oliveira, Renata Neder und Bruno Duarte an einer öffentlichen Veranstaltung zum Thema «Tödliche Polizeigewalt in Brasilien» teil. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr in der Dynamo Bar in Zürich.

Veranstaltungsflyer


Video: Terezinha de Jesus und ihr Kampf für Gerechtigkeit