Die Polizei bei der Festnahme von zwei Demonstranten in Porto Alegre, Juni 2014. © MARKO DJURICA/Reuters/Corbis
Die Polizei bei der Festnahme von zwei Demonstranten in Porto Alegre, Juni 2014. © MARKO DJURICA/Reuters/Corbis

Brasilien Lage der Menschenrechte im Jahr 2014

März 2015
Zu den schweren Menschenrechtsverletzungen, die Amnesty International 2014 in Brasilien dokumentiert hat, gehören Tötungen durch die Polizei sowie Folter und Misshandlungen von Gefangenen. Unter den Opfern finden sich überdurchschnittlich viele junge und schwarze Bewohner der Favelas. Landarbeiter und die indigene Bevölkerung sind ebenfalls stark gefährdet.
Proteste um Fussball-WM

Die Proteste, die rund um die Fussball-Weltmeisterschaft im Juni und Juli das Land erschütterten, wurden in vielen Teilen des Landes unter Anwendung von unverhältnismässiger Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte unterdrückt. Amnesty International berichtet von willkürlichen Festnahmen und Versuchen, friedliche DemonstrantInnen zu kriminalisieren. Laut dem brasilianischen Verband für investigativen Journalismus wurden während der WM mindestens 18 Journalisten in den grossen Austragungsstädten São Paulo, Porto Alegre, Rio de Janeiro, Belo Horizonte und Fortaleza angegriffen.

Prekäre Haftbedingungen

Starke Überbelegung, erniedrigende Bedingungen, Folter und Gewalt sind weiterhin prägend für die Situation in den brasilianischen Gefängnissen. In den letzten Jahren wurden mehrere Fälle von prekären Haftbedingungen der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte und dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte vorgelegt. Es gab Berichte über Folter und Misshandlungen von Festgenommenen zum Zeitpunkt der Festnahme wie auch während der Vernehmung sowie Inhaftierung in Polizeistationen.

Schutz von MenschenrechtsverteidigerInnen und Indigenengemeinschaften

Das Nationale Programm zum Schutz der MenschenrechtsverteidigerInnen erfüllte ihr Mandat aufgrund von Ressourcenknappheit, mangelnder Koordination mit Staatsbeamten und Streitigkeiten über den Umfang und die Nutzniesser des Programms, nicht zufriedenstellend.
Auch indigene Völker und Quilombola Gemeinschaften – Nachkommen der ehemaligen Sklaven – sind weiterhin ernsthaften Bedrohungen ausgesetzt. Die Quilombola kämpfen für die Anerkennung ihrer Landrechte. Doch die Verschleppung des Lösungsprozesses für den Konflikt um das Land, führte zu Bedrohungen der Quilombola durch bewaffnete Männer und lokale Viehzüchter, die ebenfalls Anspruch auf das Land erheben. In diesem Kontext begangene Menschenrechtsverletzungen blieben straffrei.

Körperliche Selbstbestimmung und sexuelle Identität

Religiöse Gruppen übten weiterhin Druck auf die Behörden aus, um Schwangerschaftsabbrüche unter allen Umständen zu kriminalisieren. Das brasilianische Gesetz erlaubt Schwangerschaftsabbrüche nur in sehr seltenen Fällen wie nach Vergewaltigungen oder bei einer Beeinträchtigung des Fötus. Die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in allen anderen Situationen führt häufig zu geheimen und teils lebensbedrohlichen Abtreibungen.
Obwohl die brasilianische Gesetzgebung die gleichgeschlechtliche Ehe genehmigt, litten lesbische, homosexuelle, bisexuelle, transgender und intersexuelle Personen weiterhin unter Diskriminierung und Angriffen.

Waffenhandel und Aufarbeitung der Diktatur

Obwohl Brasilien 2013 zu den Erstunterzeichnenden des Internationalen Abkommens über Waffenhandel gehörte, hat es dieses bis heute nicht ratifiziert. Die brasilianische Regierung veröffentlichte weder Daten zu den Rüstungsexporten an Länder, wo massive Menschenrechtsverletzungen verübt wurden, noch beantwortete sie Fragen von Forschungseinrichtungen und JournalistInnen. Einige Fortschritte wurden aber bei der Aufarbeitung der Straflosigkeit für vergangene schwere Menschenrechtsverletzungen unter der Diktatur (1964-1985) gemacht.

Amnesty International Report 2014/15 Brasilien (Englisch)