«Die wichtigste Medaille hat Brasilien nicht gewonnen: jene nämlich, Champion der Menschenrechte zu werden», sagt Atila Roque, Direktor von Amnesty Brasilien.
«Die brasilianischen Behörden sind ihrem Versprechen, Rio zu einer sicheren Stadt für alle zu machen, nicht nachgekommen. Der einzige Weg, das gebrochene Versprechen teilweise wiedergutzumachen ist zu gewährleisten, dass die Tötungen und andere von den Sicherheitskräften begangene Menschenrechtsverletzungen geahndet werden.»
Zunahme der Polizeigewalt
Bereits im Vorfeld der Olympischen Spielen hatte die Polizeigewalt in der Metropole von Monat zu Monat zugenommen. Das Institut für öffentliche Sicherheit des Bundesstaates Rio de Janeiro zählte im April 35, im Mai 40 und im Juni 49 Polizeitote.
Einsätze der Sicherheitskräfte in mehreren Armenvierteln Rios forderten während den Spielen vom 5. bis am 21. August mindestens acht Tote. Diese Zahl könnte noch steigen, da Zahlen aus einigen Favelas noch fehlen. Des Weiteren berichteten Bewohnerinnen und Bewohner aus den ärmeren Gegenden Rios von Hausdurchsuchungen, Drohungen sowie von körperlicher und verbaler Gewalt durch die Polizei.
Für die ersten zehn Tage der Spiele vermeldete die Polizei zudem zwei Todesopfer aus den eigenen Reihen.
Handy-App «Im Kreuzfeuer» zeichnet Gewalt auf
Auf die olympischen Spiele hin hatte Amnesty eine App lanciert, welche es Nutzerinnen und Nutzern ermöglicht, gewaltsame Auseinandersetzungen in ihren Vierteln zu dokumentieren. Die Handy-App verzeichnete allein in der ersten Woche der Spiele 59 Schiessereien im Stadtgebiet Rios – mehr als acht pro Tag und annähernd doppelt so viele wie in der Woche vor der Eröffnung.
Niederschlagung von Protestkundgebungen
Während den Olympischen Spielen fanden in Rio friedliche Kundgebungen statt, die von der Polizei gewaltsam unterdrückt wurden. Die Sicherheitskräfte setzten unter anderem Tränengas und Blendgranaten ein. Mehrere Menschen wurden verhaftet, andere wurden von den Austragungsorten der Wettkämpfe weggeschafft, weil sie T-Shirts mit Protestbotschaften trugen. Die Behörden verletzten dabei das Recht auf freie Meinungsäusserung.
«Einmal mehr trübten Menschenrechtsverletzungen die Bilanz eines grossen Sportanlasses in Brasilien. Das Internationale Olympische Komitee und andere Sportverbände dürfen nicht länger zulassen, dass Mega-Sportevents auf Kosten der Menschenrechte ausgetragen werden», fordert Roque.