Ein Schatten des Todes liegt über Rio. Doch es scheint, dass die Behörden sich nur darum kümmern, wie hübsch der Olympische Park aussieht. © marchello74/iStock
Ein Schatten des Todes liegt über Rio. Doch es scheint, dass die Behörden sich nur darum kümmern, wie hübsch der Olympische Park aussieht. © marchello74/iStock

Rio: Erbe der Olympischen Spiele gefährdet Drastische Zunahme von Tötungen durch die Polizei

Die Polizei in Rio hat zwischen April und Juni dieses Jahres 124 Personen getötet. Kurz vor den Olympischen Spielen nahm die Zahl der Tötungen damit im Vorjahresvergleich um 103 Prozent zu.

Dies zeigen neueste Zahlen des Instituts für öffentliche Sicherheit des Bundesstaates Rio de Janeiro. Demnach wurden in der Metropole im Juni 49, im Mai 40 und im April 35 Personen von der Polizei getötet – mehr als ein Mensch pro Tag.

Seit Rio im Jahr 2009 den Zuschlag für die Austragung der Olympischen Spiele erhalten hat, wurden in der Stadt 2‘600 Menschen von der Polizei getötet. «Brasilien hat die Olympischen Spiele schon verloren, bevor sie begonnen haben. Die offensichtlich ungebremste Zunahme von Tötungen durch die Polizei stellt ernsthaft in Frage, ob die Stadt mit den Spielen überhaupt ein positives Erbe hinterlassen wird», sagt Atila Roque, Direktor von Amnesty International Brasilien.

«Ein Schatten des Todes liegt über Rio. Doch es scheint, dass die Behörden sich nur darum kümmern, wie hübsch der Olympische Park aussieht. Die Zeit für leere Wort und Versprechen ist vorbei: Die Behörden müssen sofort Massnahmen ergreifen, um weitere Menschenrechtsverletzungen zu stoppen und die Verantwortlichen der Gewalt zur Rechenschaft zu ziehen».

Klare Regeln für Gewalteinsatz fehlen

Gemäss Roque gibt es weiterhin keine klaren Regeln zur Anwendung von Gewalt bei Polizeieinsätzen. «Mit seiner misslungenen Sicherheitspolitik wiederholt Brasilien die Fehler der Fussballweltmeisterschaften von 2014», so Roque. Damals hatten Tötungen durch die Polizei im Bundesstaat Rio de Janeiro im Vergleich zum Vorjahr um 40% zugenommen.

Amnesty International veröffentlicht heute auch die erste monatliche Auswertung ihrer App «Im Kreuzfeuer». Allein im Juli meldeten die Benutzer via die App 756 Schiessereien und 51 Todesopfer. Die Meldungen werden in einer interaktiven Karte visualisiert (www.fogocruzado.org.br). Die App wurde bereits 35‘000 Mal heruntergeladen. Aus den Favelas Complexo do Alemão und Caxias (Baixada Fluminense) wird via die App fast täglich von Schiessereien zwischen der Polizei und kriminellen Banden berichtet. Auch aus dem Viertel Complexo da Maré liegen zahlreiche Berichte von Gewalt vor. Diese Gebiete liegen zwischen dem Flughafen und den Austragungsstätten der Olympischen Spiele.