© Mateo Lanzuela
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Chile Regierung verantwortlich für systematische Menschenrechtsverletzungen bei Protesten

21. November 2019
Die chilenischen Sicherheitskräfte haben auf die Protestkundgebungen der letzten Wochen mit exzessiver und unverhältnismässiger Gewalt reagiert. Das Krisenteam von Amnesty International, welches die menschenrechtlichen Auswirkungen der jüngsten Ereignisse untersucht hat, kommt zum Schluss, dass diese Gewalt institutionalisiert ist. Sie geschah also auf Befehl oder zumindest unter Mitwissen von Präsident Sebastián Piñera. Die Protestierenden sollten so bestraft oder absichtlich geschädigt werden.

Die Zahl der Opfer von Polizei- und Militärgewalt ist hoch: Das Nationale Menschenrechtsinstitut (INDH) zählt fünf Menschen, die von der Staatsgewalt getötet wurden, über 2300 Verletzte, 1100 Klagen wegen Folter oder anderer unmenschlicher Behandlung, ausserdem 70 durch Staatsangestellte begangene Sexualverbrechen. Unter den Verletzten finden sich mindestens 1400, die durch eine Feuerwaffe verwundet wurden. 220 Menschen erlitten eine schwere Augenverletzung.

Koordinierte Gewalt lässt auf Befehl von ganz oben schliessen

Die Untersuchung von Amnesty International kommt zum Schluss, dass die Sicherheitskräfte auf eine  Weise vorgingen, welche auf einen hohen Grad an Absprache unter den Corps in verschiedenen Teilen des Landes und während mehreren Wochen hindeutet. Dies wiederum ist ein klares Indiz dafür, dass die Regierung die Repression angeordnet oder zumindest toleriert hat.

Amnesty International hat insbesondere durch die Auswertung von audiovisuellem Material festgestellt, dass Angehörige der Armee potenziell tödliche Waffen und Munition willkürlich eingesetzt haben – in mindestens vier Fällen auch gegen unbewaffnete Personen. Die Sicherheitskräfte verwendeten Waffen, die gemäss internationalen Standards nicht zur Auflösung von Kundgebungen eingesetzt werden dürfen.

Das ausgewertete Bildmaterial, Zeugenaussagen und die Art der Verletzungen lassen den Schluss zu, dass die Sicherheitskräfte in vielen Fällen auf das Gesicht zielten. Bezeichnend dafür sind die vielen schweren Augenverletzungen.

Forderungen an die Regierung

Basierend auf ihren Untersuchungen richtet Amnesty International folgende Forderungen an den chilenischen Staat:

  • Die Repression durch die Staatsgewalt muss unverzüglich beendet werden, die Reaktion der Sicherheitskräfte auf Protestkundgebungen muss jederzeit verhältnismässig sein und internationalen Standards genügen.
  • Die zuständigen Justizorgane müssen untersuchen, inwiefern die oberste Staatsgewalt für die begangenen Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist, und diese je nach Resultat zur Rechenschaft ziehen. Darüber hinaus müssen alle Menschenrechtsverletzungen geahndet werden.
  • Die Regierung muss sicherstellen, dass die legitimen Forderungen der Demonstrierenden angehört werden und die nötigen Reformen zur Sicherung von sozialer Gerechtigkeit sowie die Erarbeitung einer neuen Verfassung eingeleitet werden.

Die Resultate der Untersuchungen von Amnesty International, die am 21. November veröffentlicht wurden, sind in ausführlicher Form und in Englisch auf amnesty.org zu finden.