Das Abtreibungsverbot in El Salvador ist absolut. Sogar Frauen, die vergewaltigt wurden oder die in Lebensgefahr sind, dürfen die Schwangerschaft nicht abbrechen. © AI
Das Abtreibungsverbot in El Salvador ist absolut. Sogar Frauen, die vergewaltigt wurden oder die in Lebensgefahr sind, dürfen die Schwangerschaft nicht abbrechen. © AI

El Salvador Abtreibungsverbot führt zum Tod Hunderter Frauen und Mädchen

Das totale Abtreibungsverbot in El Salvador führt zum Tod hunderter Frauen und Mädchen. Sie müssen sich heimlichen, unsicheren Abtreibungen unterziehen oder sind gezwungen, gesundheitsgefährdende Schwangerschaften auszutragen.

Das schildert der heute in El Salvador vorgestellte Bericht von Amnesty International: «On the brink of death: Violence against women and the abortion ban». «Die Situation von Frauen und Mädchen in El Salvador ist schockierend. Ihnen wird das Recht genommen, über ihren eigenen Körper zu entscheiden», sagt Cyrielle Huguenot, Frauenrechtsexpertin und Leiterin der Kampagne «My Body, My Rights» von Amnesty International in der Schweiz.

Das absolute Abtreibungsverbot trifft sogar Frauen, deren Leben durch die Schwangerschaft gefährdet ist, und stellt sie vor eine unmögliche Wahl: Eine lange Gefängnisstrafe zu riskieren, wenn sie die Schwangerschaft abbrechen, oder ihr eigenes Todesurteil zu unterzeichnen, falls sie es nicht tun.

Jahrzehntelang im Gefängnis wegen Verdacht auf Abtreibung

Der Bericht dokumentiert Fälle, in denen Frauen, die Fehlgeburten erlitten haben, angeklagt und zu jahrzehntelanger Haft verurteilt wurden. María Teresa Rivera (Pseudonym) ist ein solcher Fall. Sie wurde nach einer Fehlgeburt des Mordes angeklagt und zu 40 Jahren Haft verurteilt. Ein Grossteil der Betroffenen, die Amnesty für den Bericht befragte, gehört zu den Ärmsten der Gesellschaft.

Auch Kinder und Frauen, die Opfer von Vergewaltigungen wurden, sind von dem Abtreibungsverbot nicht ausgenommen. Laut Gesetzgebung muss jede Schwangerschaft ausgetragen werde, auch wenn die körperlichen und psychischen Folgen verheerend sind.

Verbreitete Diskriminierung von Frauen und Mädchen

«Die Abtreibungsgesetzgebung in El Salvador ist Ausdruck einer weit darüber hinaus reichenden Diskriminierung von Frauen und Mädchen», sagt Huguenot. Frauenfeindliche Vorurteile sind auch im Justizsystem verbreitet, wo manche Richter die Glaubwürdigkeit von Frauen anzweifeln.

Die salvadorianische Regierung hat sich bisher nicht in der Lage gezeigt, wirksam gegen geschlechtsspezifische Diskriminierungen vorzugehen. Das nimmt Frauen und Mädchen das Recht, über ihren eigenen Körper zu entscheiden: «Die Regierung weigert sich, Verhütungsmittel und sexuelle Aufklärung zugänglich zu machen», sagt Huguenot: «Generationen von jungen Mädchen haben deswegen eine Zukunft vor sich, die von Ungleichheit, Diskriminierung und Angst geprägt ist.»

Amnesty fordert von der Regierung in El Salvador Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren. «Frauen und Mädchen müssen Zugang zu legalen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen haben», fordert Huguenot, «wenn die Schwangerschaft eine Gefahr für das geistige oder körperliche Gesundheit darstellt oder die Folge einer Vergewaltigung ist».

Hintergrund

El Salvador ist eines von sieben Ländern in Lateinamerika, in denen Abtreibungen per Gesetz verboten sind. Die andern sechs sind Chile, die Dominikanische Republik, Haiti, Honduras, Nicaragua und Surinam. In einzelnen dieser Länder, etwa Chile, ist allerdings bereits eine Überarbeitung der Gesetze im Gang.

Zusammen mit dem Bericht lanciert Amnesty International eine Petition an die salvadorianische Regierung. Die Arbeit der Menschenrechtsorganisation zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in Lateinamerika ist Teil der weltweiten Kampagne «My Body, My Rights».

Fallbeispiele aus dem Bericht

María Teresa Rivera, die bereits ein fünfjähriges Kind hatte, wusste nichts von ihrer Schwangerschaft, bis sie am Arbeitsplatz zusammenbrach. Sie wurde von ihrer Schwiegermutter blutend in den Toiletten gefunden und sofort ins Krankenhaus gebracht. Nachdem ein Spitalangestellter die Polizei alarmierte, wurde sie von Polizisten verhört, ohne dass sie einen Anwalt hinzuziehen konnte.

Im Juli 2012 wurde sie angeklagt und wegen schweren Mordes verurteilt, trotz eines erheblichen Mangels an Beweisen. Ihr Sohn wird 45 Jahre alt sein bis sie ihre Strafe abgesessen hat.

Ein Arzt, der ein zehnjähriges Vergewaltigungsopfer behandelte, berichtete Amnesty: «Es war ein sehr schwieriger Fall…sie verstand überhaupt nicht was mit ihr passierte… Sie hat uns nach Malstiften gefragt und uns ist das Herz gebrochen. Wir sagten uns: 'Sie ist doch noch ein kleines Mädchen, nur ein kleines Mädchen.' Sie verstand nicht, dass sie schwanger war.» Das Mädchen wurde gezwungen, die Schwangerschaft auszutragen.

Medienmitteilung, London/Bern 25. September 2014 Medienkontakt