Graffiti gegen  Präsident Bukele in San Salvador, Januar 2022. © IMAGO / ZUMA Wire
Graffiti gegen Präsident Bukele in San Salvador, Januar 2022. © IMAGO / ZUMA Wire

El Salvador Präsident Bukele stürzt das Land in eine Menschenrechtskrise

Medienmitteilung 2. Juni 2022, London/Bern – Medienkontakt
Seit der Verhängung des Ausnahmezustands Ende März begehen die salvadorianischen Sicherheitskräfte massive Menschenrechtsverletzungen. Tausende von Menschen wurden willkürlich festgenommen, in Haftanstalten kommt es zu Folter und Misshandlungen. Mindestens 18 Menschen sind in staatlichem Gewahrsam gestorben. Zu diesem Schluss kommt Amnesty International nach Recherchen durch eine Untersuchungsmission im Land.

Nachdem die Zahl der vermeintlich von Banden begangenen Morde in die Höhe geschnellt war, verhängte die Regierung von Präsident Bukele am 27. März den Ausnahmezustand. Dieser ist unterdessen zweimal verlängert worden.

«Unter dem Vorwand, Banden zu bestrafen, begehen die salvadorianischen Behörden umfangreiche und eklatante Menschenrechtsverletzungen» Erika Guevara-Rosas, Direktorin für Nord- und Südamerika bei Amnesty International

«Vor drei Jahren haben wir uns mit Präsident Nayib Bukele getroffen. Damals versprach er, die Menschenrechte zu achten. Seitdem hat er jedoch wiederholt sein Wort gebrochen», sagte Erika Guevara-Rosas, Direktorin für Nord- und Südamerika bei Amnesty International. «Unter dem Vorwand, Banden zu bestrafen, begehen die salvadorianischen Behörden umfangreiche und eklatante Menschenrechtsverletzungen. Dabei werden Menschen, die in Armut leben, kriminalisiert. Anstatt eine wirksame Antwort auf die dramatische, von Banden verursachte Gewalt und die historischen Herausforderungen für die öffentliche Sicherheit des Landes zu geben, setzen sie die salvadorianische Bevölkerung einer Tragödie aus. Betroffene von Bandengewalt brauchen Gerechtigkeit. Darauf haben sie ein Recht. Dazu braucht es aber solide Ermittlungen und faire Prozesse, die ein rechtsstaatliches Verfahren und eine wirksame Verurteilung gewährleisten.»

In den vergangenen Wochen hat ein Krisenreaktionsteam von Amnesty International 28 Fälle von Menschenrechtsverletzungen sorgfältig dokumentiert. Darunter sind willkürliche Festnahmen, rechtswidrige Freiheitsberaubungen und der unrechtmässige Verfahren. Ausserdem gibt es Fälle von Folter und Misshandlung, die Missachtung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Inhaftierungen von Minderjährigen sowie Schikanen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen und Medienschaffende.

Im Rahmen der Untersuchung hat das Team 34 Personen befragt, darunter Betroffene von Menschenrechtsverletzungen und ihre Familien, Mitarbeitende von Menschenrechtsorganisationen, Medienschaffende, Personen, die gegenwärtig oder früher für die Justizbehörden tätig waren, und Abgeordnete von Gemeinden.

«Die Festnahme und strafrechtliche Verfolgung von mehr als 35‘000 Menschen in weniger als drei Monaten wäre nicht möglich gewesen, wenn die Justizbehörden rechtmässige Verfahren durchgeführt hätten. Stattdessen machen sie sich zu Mitverantwortlichen einer von höchster Ebene angeordneten Sicherheitspolitik: Diese tritt die unveräusserlichen Menschenrechte mit Füssen und nimmt die weit verbreitete und ungerechte Verfolgung und Inhaftierung von Menschen, die in Armut leben, als 'notwendiges Übel' hin», so Erika Guevara-Rosas.

«Das Ausmass der Menschenrechtsverletzungen erfordert eine starke und sofortige Reaktion der internationalen Gemeinschaft. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission und die Schutzmechanismen der Vereinten Nationen müssen Zugang zu dem Land und insbesondere zu den Haftanstalten erhalten. Sie müssen die Gerichtsverfahren beobachten können, damit die allgemeine Menschenrechtslage überprüft werden kann.»

«Wir fordern die Regierung von Präsident Bukele auf, die jüngsten Massnahmen, die gegen die Menschenrechte verstossen, unverzüglich rückgängig zu machen. Sie muss den Dialog mit nationalen und internationalen Organisationen der Zivilgesellschaft und internationalen Menschenrechtsschutzmechanismen aufzunehmen, um eine wirksame und die Menschenrechte achtende Politik zum Schutz der öffentlichen Sicherheit zu entwickeln.»

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