Nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom 26. November 2017 und der Ausrufung des Ausnahmezustandes am 1. Dezember, besuchte eine Delegation von Amnesty International die honduranische Hauptstadt, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Amnesty traf sich mit AktivistInnen und Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen, aber auch mit Angehörigen der Polizei und mit der staatlichen Ombudsstelle für Menschenrechte. Während des Besuches wurden die Amnesty-Delegationsmitglieder selbst Zeugen von Menschenrechtsverletzungen.
«Wir können bestätigen, dass es in Honduras gefährlich ist, seine Meinung frei zu äussern. Wer dies dennoch wagt, bekommt den Unterdrückungsapparat der Regierung zu spüren», sagt Erika Guevara Rosas, Amerika-Direktorin von Amnesty International.
Gewalt gegen Protestierende
Mindestens 14 Tote und hunderte Verletzte sind die traurige Bilanz der Demonstrationen im Kontext der Präsidentschaftswahlen. Die meisten Todesopfer starben durch Schussverletzungen. Die Protestierenden taten ihre Meinung zumeist friedlich kund, doch die Antwort der Staatsgewalt war brutal.
Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Schusswaffen ein und verfolgten und inhaftierten viele Protestierende. Die Gewalt auf den Strassen ist vom Ausmass her mit jener zur Zeit des Staatsstreiches von 2009 vergleichbar. Gemäss offiziellen Zahlen wurde bis anhin lediglich ein Polizeibeamter wegen Schusswaffengebrauchs gegen einen Demonstranten angeklagt.
Menschenrechtsverletzungen als Folge des Ausnahmezustandes
Der Ausnahmezustand, der am 1. Dezember verhängt wurde, erlaubt es den Sicherheitskräften unter einer fast vollständigen Straflosigkeit gegen Dissidenten und Dissidentinnen vorzugehen. Amnesty hat Kenntnis von Fällen von Menschenrechtsverletzungen, in welche die Militärpolizei involviert zu sein scheint.
So wurde Raúl Antonio Triminio, ein 39-jähriger Handwerker aus Tegucigalpa in der Nacht vom 3. Dezember von Militärpolizisten getötet. Seine Familie teilte Amnesty mit, dass Raúl friedlich vor seinem Haus protestiert habe, als Angehörige der Militärpolizei vorbeikamen. Erst hätten sie einen Schuss auf eine Strassenlaterne abgegeben, dann aber hätten sie direkt in Raúls Gesicht geschossen. Raúls Familie sei zu verängstigt gewesen, um ihm sofort helfen zu können. Eine Schwester des Opfers sagt: «Sie hätten ihn auf den Polizeiposten mitnehmen können, anstatt ihn einfach niederzuschiessen. Er hat nichts Schlimmes getan. Wir bitten um Gerechtigkeit.»
Der Ausnahmezustand wirkt sich auf alle Aspekte des Alltags der Menschen aus. Viele müssen ihre Routine täglich ändern, andere können nicht zur Arbeit gehen oder können ihre Familie und FreundInnen nicht besuchen. Wer sich bei Beginn der Ausgangssperre noch auf der Strasse befindet, geht das Risiko ein, verhaftet oder angegriffen zu werden. Wer während der Ausgangssperre festgenommen wird, wird bis um fünf Uhr morgens auf dem Polizeiposten festgehalten. Während dieser Zeit haben die Festgenommenen keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand, da die Ausgangssperre auch für AnwältInnen gilt.
Will die Regierung den Ausnahmezustand weiterhin aufrechterhalten, muss sie glaubwürdig darlegen, weshalb diese Massnahme notwendig ist. Des Weiteren muss sie die in der Verfassung und im internationalen Völkerrecht verankerten Standards respektieren.
«Die Regierung ist auch unter dem Ausnahmezustand dazu verpflichtet, den unverhältnismässigen Einsatz von Polizei- und Militärgewalt zu unterbinden, von willkürlichen Verhaftungen abzusehen und alle Fälle von Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Das wären erste wichtige Schritte, um gegen die dokumentierten Menschenrechtsverletzungen vorzugehen», sagt Lisa Salza, Länderverantwortliche für Lateinamerika bei Amnesty Schweiz.
Weitere Informationen zu den Unregelmässigkeiten rund um die Präsidentschaftswahlen von Amnesty International (auf Englisch)