Der Waffenstillstand zwischen der Nationalen Befreiungsarmee ELN (Ejército de Liberación Nacional) und den Streitkräften der Regierungsarmee wurde vorübergehend für vier Monate vereinbart. Nach Ablauf dieses Zeitfensters, das im Oktober beginnt, werden die Konfliktparteien über ein Friedensabkommen diskutieren.
Keinen Frieden ohne Menschenrechte
«Ein Friedensabkommen zwischen dem ELN und der Regierung muss sicherstellen, dass alle Verantwortlichen schwerer Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden», sagt Lisa Salza, Länderverantwortliche für Kolumbien bei Amnesty Schweiz.
«Alle Konfliktparteien, nicht nur die unmittelbar an den Verhandlungen Beteiligten, müssen die Angriffe auf die Zivilbevölkerung einstellen. Die Einhaltung der Menschenrechte und die Rechenschaftspflicht für schwere Menschenrechtsverletzungen müssen eine absolute Priorität der Friedensverhandlungen sein.»
Angriffe gegen Zivilbevölkerung gehen weiter
Die begrüssenswerten Neuigkeiten erreichen Kolumbien zu einer Zeit, in der eine Zunahme der paramilitärischen Aktivitäten festgestellt wird. Die auf dem Papier demobilisierten Paramilitärs sind insbesondere in Regionen, die einst von den Guerillas – FARC und ELN – kontrolliert wurden, erstarkt. Die FARC-Guerilla unterzeichnete im November 2016 ein Friedensabkommen mit der Regierung.
Wie Amnesty International kürzlich berichtete, haben die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem ELN, paramilitärischen Gruppierungen und der Regierungsarmee namentlich im westkolumbianischen Departement Chocó erheblich zugenommen. Besonders davon betroffen sind die indigenen Gemeinschaften der Wounaan und Embera, deren humanitäre Situation sich seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens verschlechtert hat.
Das letzte Opfer der Scharmützel war eine 22-jährige Indigene und Mutter von drei Kindern, die am 22. August im Kreuzfeuer getötet wurde. Für die in der Pazifikregion ansässigen Gemeinschaften sind Zwangsrekrutierungen indigener Kinder, Zwangsvertreibungen und die Präsenz von Tretminen weiterhin imminente Gefahren.
«Ein Abkommen mit der Guerilla, dem es nicht gelingt, auch die paramilitärischen Aktivitäten vollends einzudämmen, wird keine Bedeutung haben für die kriegsgeschüttelten Gemeinschaften» sagt Lisa Salza.
Vermittlung der Schweiz
Die Schweiz begleitet den Verhandlungsprozess zwischen dem ELN und der Regierung als Teil einer internationalen Begleit-, Unterstützungs- und Koordinationsgruppe GPAAC (Grupo de Países de Acompañamiento, Apoyo y Cooperación). Der GPAAC gehören fünf europäische Länder an, deren rotierenden Vorsitz die Schweiz bis Oktober innehat. Die GPAAC unterstützt die Verhandlungen, die in Quito stattfinden, sowohl finanziell als auch mit Expertise.