Amnesty International fordert von der kolumbianischen Regierung einen sofortigen und wirksamen Schutz für gefährdete MenschenrechtsverteidigerInnen, nachdem im Januar mindestens zehn Personen getötet wurden. Dabei handelt es sich um fast doppelt so viele Morde wie im vergangenen Jahr durchschnittlich pro Monat registriert wurden.
«Der Friedensprozess in Kolumbien ist das Licht am Ende eines langen, dunklen Tunnels und er hatte für viele KolumbianerInnen bereits konkrete positive Auswirkungen. Wenn die Morde an Aktivistinnen und Aktivisten aber nicht aufhören, wird dies jeden Abschluss eines Friedensabkommens überschatten», erklärte Erika Guevara Rosas, Direktorin der Amerika-Region von Amnesty International.
«Diese mutigen Aktivistinnen und Aktivisten, die ihre Rechte verteidigen und die Zustände im Land anprangern, werden wegen mächtiger lokaler und regionaler wirtschaftlicher sowie politischer Interessen wie auch durch verschiedene bewaffnete, vor allem paramilitärische, Gruppen zum Schweigen gebracht.»
Zunahme paramilitärischer Aktivitäten
Der deutliche Rückgang an Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung in Zusammenhang mit den Kämpfen seit dem Beginn der Friedensverhandlungen mit den Farc ermöglichte einen Eindruck davon, wie Kolumbien nach Ende des Konflikts sein könnte. Die Zunahme der Morde an Führungspersonen von Gemeinschaften, an LandrechtsverteidigerInnen und an UmweltschützerInnen (letztes Jahr wurden ungefähr 80 Personen getötet) sowie die Zunahme paramilitärischer Aktivitäten, die aus Regionen wie Urabá im Nordwesten des Landes gemeldet werden, könnten diesen Fortschritt allerdings unterlaufen.
Unter den Personen, die dieses Jahr ermordet wurden, befinden sich auch die afrokolumbianische Aktivistin Emilsen Manyoma und ihre Partner Joe Javier Rodallega. Sie wurden am 14. Januar 2017 zum letzten Mal lebend gesehen. Am 17. Januar fand man ihre Leichen in Buenaventura im Departement Valle del Cauca.
Abkommen wird internationalen Standards nicht gerecht
Das im vergangenen Jahr mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc) geschlossene Friedensabkommen stellt einen Schritt nach vorne dar. Hinsichtlich der Rechte der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung ist es zwar eine Verbesserung gegenüber dem Status Quo, aber internationalen Standards und dem Völkerrecht wird das Friedensabkommen nicht gerecht. Das Abkommen wird den Streitkräften in die Hände spielen und wahrscheinlich auch auf den ELN angewendet.
Es wird internationalen Standards und dem Völkerrecht vor allem deshalb nicht gerecht, weil die im Abkommen verwendete Definition der Befehlsverantwortung zu eng gefasst ist und die Verfolgung von Guerilla-Kommandeuren und Sicherheitskräften wegen Verbrechen, die durch ihre Untergebenen verübt wurden, schwierig machen könnte.
«Der Friede kann erst dann zur Realität werden, wenn alle mutmasslich für Verbrechen verantwortlichen Personen in fairen Prozessen zur Rechenschaft gezogen worden sind», sagte Erika Guevara Rosas.
«Es braucht wirksame Massnahmen, um die Morde an MenschenrechtsverteidigerInnen zu beenden, und Garantien für die Gewährleistung der Sicherheit der indigenen, afrokolumbianischen und bäuerlichen Gemeinschaften, die in vielen ländlichen Regionen nach wie vor Ziel von Angriffen, hauptsächlich durch paramilitärische Gruppen, sind.»
Verhandlungen mit dem ELN
Nach Beginn der Umsetzung des Friedensabkommens mit den Farc hat die Regierung Verhandlungen mit dem ELN aufgenommen, nachdem die Gruppe am 2. Februar Odín Sánchez, eine ihrer prominentesten Geiseln, freigelassen hatte.