Amtliche Bezeichnung: Republik Kolumbien
Staats- und Regierungschef:Juan Manuel Santos Calderón
Die Zivilbevölkerung, insbesondere indigene Bevölkerungsgruppen, kleinbäuerliche und afro-kolumbianische Gemeinschaften sowie Menschenrechtsverteidiger waren weiterhin die Hauptleidtragenden des andauernden bewaffneten Konflikts. Obwohl offiziellen Angaben zufolge seit Beginn der Verhandlungen bis zur Unterzeichnung eines Friedensabkommens im Jahr 2016 ein Rückgang der Anzahl von Zivilpersonen zu verzeichnen war, die bei Kampfhandlungen der Revolutionären Bewaffneten Streitkräfte Kolumbiens (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – FARC) und der kolumbianischen Sicherheitskräfte getötet wurden, setzte sich der bewaffnete Konflikt im Jahr 2017 weiter fort. In einigen Landesteilen schien er sich sogar verschärft zu haben. Nach wie vor herrschte Besorgnis über die Straflosigkeit für während des bewaffneten Konflikts verübte Verbrechen. Die Sicherheitskräfte wandten exzessive Gewalt an, die in einigen Fällen zum Tod von Zivilpersonen führte. Frauen waren weiterhin Gewalt ausgesetzt, insbesondere sexualisierter Gewalt.
Interner bewaffneter Konflikt
Friedensprozess
Am 11. Oktober 2017 erklärte das Verfassungsgericht den zwischen der Regierung Kolumbiens und der Guerillagruppe FARC am 24. November 2016 unterzeichneten Friedensvertrag für verfassungsgemäss. Zum Jahresende 2017 fehlten jedoch noch die gesetzlichen Grundlagen zur Umsetzung der meisten seiner Bestimmungen.
Bei den in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito separat geführten Verhandlungen zwischen der Guerillagruppe Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional – ELN) und der kolumbianischen Regierung riefen beide Seiten am 4. September 2017 eine bilaterale befristete Waffenruhe aus, die ab 1. Oktober 2017 bis Anfang 2018 gelten sollte. Nach der grundsätzlich für einen Zeitraum von vier Monaten vereinbarten Feuerpause sollten Gespräche über ein mögliches Friedensabkommen zwischen der Regierung Kolumbiens und der ELN beginnen. Im Oktober 2017 wurden jedoch mehrfach Angriffe der ELN gegen Zivilpersonen gemeldet, was einen Verstoss gegen die Waffenruhe darstellte. Die ELN bekannte sich zu einem der Anschläge: der Tötung von Aulio Isaramá Forastero, einem Indigenensprecher aus dem Departamento Chocó am 24. Oktober.
Zivilgesellschaftliche Organisationen im Departamento Chocó wandten sich mit einem Aufruf zu einem «humanitären Sofortabkommen» (Acuerdo Humanitario ¡Ya! en el Chocó) an die Regierung des Landes und die Guerillagruppe ELN. Ziel der Initiative war es, konkrete humanitäre Aktionen durchzuführen, um die indigenen Bevölkerungsgruppen in dieser Region davor zu schützen, in ihren Siedlungsgebieten weiterhin der Gefahr bewaffneter Auseinandersetzungen ausgesetzt zu sein.
Zwischen dem 28. Januar und dem 18. Februar 2017 zogen 6803 Kämpfer der FARC in 26 «Demobilisierungszonen». Sie wurden dabei von der mit Resolution 2261 (2016) des UN-Sicherheitsrats eingerichteten UN-Mission in Kolumbien zur Überwachung und Verifikation der Waffenruhe und des Niederlegens der Waffen unterstützt. Der Prozess zur Entwaffnung der FARC, der innerhalb von 180 Tagen abgeschlossen sein sollte, begann am 1. März 2017. Am 27. Juni 2017 war die Phase abgeschlossen, in der Einzelpersonen ihre Waffen abgeben sollten, und am 15. August endete der Prozess des Abtransports von Waffen und Munition aus den 26 FARC-Übergangslagern. In Übereinstimmung mit dem Friedensabkommen verabschiedete der UN-Sicherheitsrat Resolution 2377 (2017), mit der eine zweite Verifikationsmission eingerichtet wurde, die den Auftrag hat, die politische, wirtschaftliche und soziale Wiedereingliederung der FARC-Kämpfer zu begleiten. Die Mission begann ihre Arbeit am 26. September.
Obwohl im «ethnischen Kapitel» (Capítulo étnico) des Friedensvertrags Garantien für die effektive Teilnahme indigener Bevölkerungsgruppen und afro-kolumbianischer Gemeinschaften an der Umsetzung des Abkommens enthalten sind, gab es Beschwerden über die Nichteinhaltung dieser Bestimmungen. Am 21. September 2017 erklärten die Mitglieder des Ständigen Runden Tisches zum Dialog indigener Bevölkerungsgruppen und Organisationen mit der Regierung (Mesa Permanente de Concertación con los Pueblos y Organizaciones Indígenas) den permanenten Einsatz für die Einhaltung der Bestimmungen des Friedensabkommens zu ihrer Hauptaufgabe.
Zivile Opfer des bewaffneten Konflikts
Die im Jahr 2011 mit Gesetz 1448 gegründete staatliche Institution zur Hilfe und Wiedergutmachung für Opfer (Unidad para la Atención y Reparación a las Víctimas – UARIV) registrierte insgesamt 8532636 Opfer des fünf Jahrzehnte andauernden bewaffneten Konflikts. Dazu zählten 363374 Opfer von Drohungen, 22915 Opfer von Sexualdelikten, 167809 Opfer des Verschwindenlassens, 7265072 Opfer von Vertreibung und 11140 Opfer von Antipersonenminen. Zwischen Januar und Oktober 2017 wurden Verbrechen an weiteren 31047 Betroffenen des bewaffneten Konflikts dokumentiert.
In den Departamentos Chocó, Cauca, Antioquia, Norte de Santander und anderen Regionen wurden weiterhin völkerrechtliche Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen begangen. Dazu gehörten gezielte Tötungen von Angehörigen afro-kolumbianischer und indigener Gemeinschaften und kollektive Vertreibungen. Andere Gemeinschaften hinderte man daran, ihre Siedlungsgebiete zu verlassen, wodurch ihre Bewegungsfreiheit und der Zugang zu lebensnotwendigen Dienstleistungen und Nahrung eingeschränkt wurden. Zudem kam es zur Zwangsrekrutierung von Kindern, zu sexualisierter Gewalt und zum Einsatz von Antipersonenminen.
Trotz der Unterzeichnung des Friedensvertrages verschärfte sich der bewaffnete Konflikt in einigen Gebieten Kolumbiens. Dort kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen ELN-Kämpfern, paramilitärischen Gruppen und Sicherheitskräften, die versuchten, das nach der Demobilisierung der FARC-Kämpfer entstandene Machtvakuum zu füllen. Am 27. November 2017 wurden bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen FARC-Dissidenten und ELN-Mitgliedern in der Gemeinde Magüi Payán (Departamento Nariño) 13 Menschen getötet. Die unzureichende Präsenz des Staates in zuvor von der FARC kontrollierten Gebieten führte dazu, dass andere bewaffnete Gruppen in diese Gebiete eindringen konnten, dort die Kontrolle übernahmen und afro-kolumbianische und kleinbäuerliche Gemeinschaften sowie indigene Bevölkerungsgruppen gefährdeten.
In mehreren Regionen des Landes operierten immer noch paramilitärische Verbände, obwohl sie auf Grundlage der Bestimmungen des im Jahr 2005 erlassenen Gesetzes 975 vorgeblich aufgelöst worden waren. So wurden Sprecher der Friedensgemeinde von San José de Apartadó im Departamento Antioquia von Paramilitärs angegriffen und bedroht. Am 29. Dezember 2017 versuchten Unbekannte Germán Graciano Poso, den rechtlichen Vertreter der Friedensgemeinde, zu töten. Einige Bewohner der Gemeinde konnten die Täter entwaffnen, wurden dabei jedoch verletzt.
Die Friedensgemeinde hat das Ziel, aus dem bewaffneten Konflikt herausgehalten zu werden, indem sie Sicherheitskräften, Guerillagruppen und paramilitärischen Gruppen offiziell den Zutritt zu ihrem Territorium verweigert. Doch trotz ihrer Bemühungen um Neutralität wurden Einwohner von San José de Apartadó 2017 erneut Opfer von Angriffen, Folter, sexuellem Missbrauch und Vertreibung durch alle Konfliktparteien.
Paramilitärs sollen mehrmals in die Siedlungsgebiete vornehmlich afro-kolumbianischer Gemeinschaften und indigener Bevölkerungsgruppen im Departamento Chocó im Nordwesten Kolumbiens eingedrungen sein. Am 8. Februar 2017 fiel eine Gruppe von Paramilitärs, die der Gruppierung Autodefensas Gaitanistas de Colombia angehörten, in die Humanitäre Zone von Nueva Esperanza in Dios im Flussgebiet Cacarica im Departamento Chocó ein, um nach mehreren Personen zu suchen, deren Namen auf einer „Todesliste“ gestanden haben sollen. Am 6. März trafen Berichte über einen Einfall paramilitärischer Gruppen in die Stadt Peña Azul im Verwaltungsbezirk Alto Baudó des Departamento Chocó ein, der massive Vertreibungen von Familien sowie den erzwungenen Verbleib vieler Menschen innerhalb ihrer Gemeinden im Umkreis von Peña Azul zur Folge hatte. Am 18. April berichteten Einwohner von Puerto Lleras im kollektiven Territorium Jiguamiandó (Departamento Chocó), dass sie Drohungen erhalten hätten. Paramilitärs seien in die Humanitäre Zone von Pueblo Nuevo eingedrungen und hätten damit alle Einwohner in Gefahr gebracht.
Indigene Bevölkerungsgruppen und afro-kolumbianische Gemeinschaften waren weiterhin durch in ihren Siedlungsgebieten deponierte Antipersonenminen gefährdet. Das Verlegen derartiger Minen stellt eine grobe Verletzung des humanitären Völkerrechts dar. Am 11. Juli 2017 wurde Sebastián Carpio Maheche von der indigenen Gemeinschaft Wounaan Invon von Juuin Dur in der Schutzzone Emberá Wounaan Katio de Quiparadó im Verwaltungsbezirk Riosucio (Departamento Chocó) von einer explodierenden Antipersonenmine verletzt.
Zusammenstösse zwischen ELN-Kämpfern, den Sicherheitskräften und paramilitärischen Gruppen brachten Angehörige indigener und afro-kolumbianischer Gemeinschaften in grosse Gefahr. Angaben der Nationalen Indigenen-Organisation von Kolumbien (Organización Nacional Indígena de Colombia – ONIC) zufolge wurden zwischen dem 1. November 2016 und dem 31. Juli 2017 insgesamt 3490 Angehörige indigener Gemeinschaften Opfer von Massenvertreibungen. 827 blieben in ihren Siedlungsgebieten eingeschlossen, 115 erhielten Drohungen und 30 wurden getötet. Unter den Opfern waren auch Gemeindesprecher.
Am 19. Juni 2017 entführte die ELN zwei niederländische Journalisten im Gebiet von El Tarra im Departamento Norte de Santander. Beide wurden am 24. Juni wieder freigelassen. Angaben des Büros der Ombudsperson zufolge führte die ELN weiterhin Geiselnahmen durch.
Entschädigung für Opfer
Punkt 5 des Friedensabkommens sah die Schaffung des Integralen Systems der Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Nichtwiederholung (Sistema Integral de Verdad, Justicia, Reparación y No Repetición) vor, zu dem die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (Jurisdicción Especial para la Paz) und juristische Mechanismen wie eine Einheit zur Untersuchung und Auflösung der kriminellen Nachfolgeorganisationen des Paramilitarismus gehörten. Punkt 5 des Friedensabkommens enthält auch Regeln für die Entschädigung der Opfer des bewaffneten Konflikts. In diesem Zusammenhang forderten Betroffene Garantien für den Zugang zur Justiz, die Ausübung des Rechts auf Wahrheit und Entschädigung und – vor allem – die Nicht-Wiederholung von Übergriffen wie Vertreibung und sexualisierte Gewalt für die gefährdeten indigenen, die afro-kolumbianischen und die kleinbäuerlichen Gemeinschaften. Die Erfüllung dieser Forderungen steht jedoch noch aus, und auch die langfristige Tragfähigkeit des Friedensabkommens war in Gefahr, weil die Verursacher von Verbrechen nach dem Völkerrecht – wie Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Menschenrechtsverstösse – nicht zur Rechenschaft gezogen wurden.
Im April wurde Gesetz Nr. 1 (2017) erlassen, um sicherzustellen, dass der Kongress das Gesetz verabschiedet, mit dem Punkt 5 des Friedensabkommens umgesetzt wird. Eine der Bestimmungen in diesem Gesetz sah die getrennte – und bevorzugte – Behandlung staatlicher Akteure vor dem Gesetz vor. Damit wurden die Opfer staatlicher Verbrechen während des bewaffneten Konflikts bei der Geltendmachung ihrer Rechte benachteiligt. Das Gesetz sah auch die Möglichkeit vor, dass der Staat in bestimmten Fällen auf strafrechtliche Verfolgung verzichtet. Die Umsetzung der diesbezüglichen Bestimmung wurde jedoch nicht näher konkretisiert. Eine derartige Möglichkeit wäre ein Verstoss gegen die Pflicht des Staates zur Untersuchung, Verfolgung und Bestrafung schwerer Menschenrechtsverletzungen und würde die Rechte der Opfer auf Wahrheit und angemessene Wiedergutmachung untergraben. Am 27. November stimmte der Kongress der Einrichtung der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden zu.
Polizei und andere Sicherheitskräfte
Es lagen Hinweise auf vorsätzliche Tötungen durch Sicherheitskräfte sowie Berichte über exzessive Gewaltanwendung durch die Spezialeinheit zur Aufstandsbekämpfung (Escuadrón Móvil Antidisturbios – ESMAD) bei Protesten in Chocó, Valle del Cauca, Cauca und Catatumbo vor.
Einwohner der Stadt Buenaventura an der Pazifikküste berichteten über die Niederschlagung friedlicher Demonstrationen durch die Polizei. Die Demonstrationen waren Teil eines am 16. Mai erklärten Generalstreiks der Zivilgesellschaft (paro cívico), mit dem die kolumbianische Regierung aufgefordert wurde, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sowie das Recht der Einwohner der Stadt auf Beteiligung an der Umsetzung des Friedensabkommens mit der FARC zu gewährleisten. Neben der Polizei waren auch Angehörige der Armee und der Marine vor Ort. Protestierende berichteten, dass Tränengas gegen friedliche Demonstrierende eingesetzt wurde. Angaben der Ombudsperson zufolge erlitten 205 Kinder sowie 10 schwangere Frauen und 19 ältere Menschen gesundheitliche Schäden durch den Tränengaseinsatz. Insgesamt meldeten 313 Personen gesundheitliche Probleme als Folge der Einwirkung von Tränengas, und 16 Personen erlitten Schussverletzungen oder Verletzungen durch stumpfe Gegenstände. Der Generalstreik wurde am 7. Juni 2017 beendet.
Einem weiteren Bericht zufolge wurde im Verwaltungsbezirk Corinto im Norden von Cauca der Indigene Felipe Castro Basto getötet, als die ESMAD das Feuer auf eine Demonstration von etwa 200 indigenen Einwohnern eröffnete.
Einem Bericht der Vereinigung der Gemeinderäte von Mira, Nulpe und Mataje (ASOMINUMA) zufolge töteten Sicherheitskräfte am 5. Oktober 2017 neun Kleinbauern, als sie wahllos auf friedlich Demonstrierende in Tumaco im Departamento Nariño schossen.
MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER
Menschenrechtsverteidiger wurden auch 2017 bedroht oder gezielt getötet. Laut Angaben des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte wurden in Kolumbien im Laufe des Jahres 2017 mindestens 105 Menschenrechtsverteidiger getötet. Anhaltende Besorgnis erregte der Anstieg von Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger, insbesondere Sprecher von Gemeinschaften, Landrechtsaktivisten, Umweltschützer und Personen, die sich für die Unterzeichnung des Schlussabkommens mit der FARC einsetzten. Nach wie vor gab es auch eine alarmierende Anzahl von Angriffen auf Menschenrechtsverteidiger, die sich für die Rechte der indigenen und afro-kolumbianischen Gemeinschaften sowie Kleinbauern und Frauen einsetzten. Die Angriffe stellten die Umsetzung des Friedensabkommens infrage.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Somos Defensores erhöhte sich die Zahl der getöteten Menschenrechtsverteidiger in der ersten Jahreshälfte 2017 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 31 %. Im Vergleich zum Vorjahr stieg auch die Zahl der Tötungen von Frauen, die Führungsrollen unterschiedlicher Art bekleidet hatten. Allein während der ersten sechs Monate des Jahres 2017 wurden sieben solcher Morde begangen.
Es gab auch Meldungen über die Tötung von Führungspersonen afro-kolumbianischer Gemeinschaften. Am 7. Juni 2017 wurde der afro-kolumbianische Menschenrechtsverteidiger Bernardo Cuero Bravo von der Nationalen Vereinigung der vertriebenen Afro-Kolumbianer (Asociación Nacional de Afrocolombianos Desplazados – AFRODES) in Malambo im Departamento Bolívar getötet. Er war zuvor mehrmals wegen seiner Arbeit für die Gemeinde und als Verteidiger der Vertriebenen bedroht und angegriffen worden. Trotz seiner wiederholten Anträge hatte ihm die zum Schutz gefährdeter Personen eingerichtete Behörde Unidad Nacional de Protección (UNP) keine Schutzmassnahmen gewährt.
Im November bzw. Dezember 2017 töteten Paramilitärs der Autodefensas Gaitanistas de Colombia zwei Landrechtsaktivisten, die sich für die Rechte der Bewohner afro-kolumbianischer Gemeinden einsetzten. In diesen Gebieten wurden im Verlauf des Jahres mindestens 25 weitere Menschen, die führende Positionen in den Gemeinden innehatten, von Paramilitärs bedroht.
Zahlreiche Morddrohungen gegen Menschenrechtsverteidiger und andere Aktivisten wurden paramilitärischen Gruppen zugeschrieben. In den meisten Fällen von Tötungsdelikten war es jedoch schwierig, die jeweils verantwortliche Gruppe zu identifizieren. Das Tätigkeitsfeld der Opfer, von denen viele Gemeindesprecher oder Landrechts- und Umweltaktivisten waren, liess jedoch darauf schliessen, dass mehrere von ihnen wegen ihrer Menschenrechtsaktivitäten getötet worden waren. Auch ist die Annahme naheliegend, dass regionale und lokale Interessenvertreter im wirtschaftlichen und politischen Bereich sowie die verschiedenen bewaffneten Gruppen, einschliesslich der Paramilitärs, es als Bedrohung ihrer Interessen ansahen, wenn Verstösse und Übergriffe dokumentiert und zur Anzeige gebracht wurden.
GEWALT GEGEN FRAUEN UND MÄDCHEN
Aufgrund der Bemühungen von Frauenorganisationen wurde sichergestellt, dass das Friedensabkommen die Bestimmung enthält, dass Personen, die verdächtigt werden, Verbrechen sexualisierter Gewalt begangen zu haben, sich vor Gerichten der Übergangsjustiz verantworten müssen. Zudem enthält das Abkommen die Zusage, dass derartige Straftaten nicht Gegenstand von Amnestien oder Gnadenerlassen sein können. Menschenrechtsgruppen hegten jedoch ernste Zweifel, dass diese Bestimmung wirklich ohne Einschränkungen umgesetzt wird.
Offizielle Statistiken zeigten keine Fortschritte beim Zugang von weiblichen Opfern sexualisierter Gewalt zur Justiz, obwohl Frauenorganisationen wiederholt auf schwere Fälle sexualisierter Gewalt hinwiesen, die im Verlauf des Jahres 2017 verübt wurden. Angaben der Frauenrechtsorganisation Sisma Mujer zufolge veröffentlichte die Ombudsperson im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 31. Juli 2017 insgesamt 51 Erklärungen mit Warnungen vor der Gefahr sexualisierter Gewalt. Darunter befanden sich sechs Berichte und Erklärungen über Frauenrechtsverteidigerinnen und weibliche Führungskräfte, in denen die ausserordentlichen Risiken hervorgehoben wurden, denen Angehörige dieser Personengruppe ausgesetzt sind.
Aufgrund der Schwäche der existierenden Schutzmechanismen gab es in der Übergangszeit vom bewaffneten Konflikt zur Konsolidierung des Friedens ein erhöhtes Risiko geschlechtsbezogener Gewalt, insbesondere häuslicher Gewalt gegen Frauen. Offizielle Angaben bestätigten, dass nach der Demobilisierung der paramilitärischen Gruppierung Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) im Jahr 2005 in den Gemeinden, in denen Ex-Kämpfer der AUC reintegriert wurden, ein Anstieg von Fällen sexualisierter Gewalt um 28 % verzeichnet wurde. Die Regierung stand jedoch noch vor der Aufgabe, Mechanismen zur Verhinderung von Übergriffen und zur Sicherstellung von Fürsorge, Hilfe, Schutz und Zugang zur Justiz für weibliche Opfer sexualisierter Gewalt einzurichten, insbesondere in Gemeinden, in denen im Jahr 2017 ehemalige FARC-Kämpfer wiedereingegliedert werden sollten. Schwächen wiesen auch die Mechanismen auf, die sicherstellen sollten, dass Überlebende sexualisierter Gewalt Gehör finden und sich gleichberechtigt in allen mit der Implementierung des Friedensprozesses beauftragten Gremien engagieren können.