Am 12. April 2021 unterzeichnete Präsident Ivan Duque das Dekret 380 zur Bekämpfung illegaler Anbaukulturen. Die kolumbianische Regierung macht damit den Weg für die Vernichtung illegaler Nutzpflanzen durch das Versprühen von Glyphosat aus der Luft wieder frei und gefährdet dadurch die Gesundheit und Sicherheit von Tausenden von Menschen. Die kolumbianische Regierung muss bei der Bekämpfung des illegalen Drogenanbaus die Menschenrechte der betroffenen Landbevölkerung schützen.
Der Einsatz von Glyphosat hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschenrechte von Tausenden von Menschen. Dazu gehören die Rechte auf Leben, Gesundheit, Wasser, auf eine gesunde und sichere Umwelt sowie auf einen angemessenen Lebensstandard. Amnesty International befürchtet zudem, dass die Zwangsvernichtung illegaler Anbaukulturen durch das Herbizid Glyphosat die Konfliktsituation im Land verschärft und kleinbäuerliche Gemeinschaften zusätzlich gefährdet.
Hintergrundinformationen
Im Jahr 2017 kam das kolumbianische Verfassungsgericht in seinem Urteil T-236 zum vorläufigen Schluss, dass Glyphosat je nach Expositionsgrad krebserregend oder anderweitig gesundheitsschädlich sein kann. Dieses Urteil bestimmt auch die Anforderungen, die erfüllt sein müssen, bevor das Herbizid zur Vernichtung illegaler Nutzpflanzen aus der Luft versprüht werden darf.
Im Jahr 2019 entschied das Verfassungsgericht durch den Beschluss 387, dass die Regierung die freiwillige Substitution der Kokapflanzen gegenüber deren Zwangsvernichtung priorisieren muss. Das Gericht legte ausserdem fest, dass das Versprühen von Glyphosat aus der Luft nur eingesetzt werden darf, wenn die freiwillige Substitution sowie die mechanische Vernichtung fehlgeschlagen sind. Zudem müsse die Wiederaufnahme des Glyphosateinsatzes aus der Luft im Rahmen des 2016 unterzeichneten Friedensabkommens mit der FARC-EP besprochen werden.
Am 17. Dezember 2020 wandten sich zehn unabhängige Expert*innen der Vereinten Nationen in einem Brief an den kolumbianischen Präsidenten und forderten die Regierung dazu auf, die Besprühung verbotener Kulturpflanzen aus der Luft nicht wieder aufzunehmen, da diese Massnahme «enorme Risiken» für Umwelt und Menschenrechte berge und gegen das Friedensabkommen verstosse. Zudem könnte sie Kolumbiens Verpflichtungen gemäss internationalen Menschenrechtsnormen entgegenstehen.
Das Programm zur freiwilligen Substitution von Kokapflanzen ist ein Schlüsselelement des Friedensvertrages zwischen der Regierung und der FARC-EP. Die Regierung setzte es 2020 jedoch nicht wirksam um: Das Militär vernichtete 2020 Kokaplantagen auf über 130’000 Hektar. Deshalb forderte Amnesty International die Regierung Kolumbiens auf, die Besprühung der Kokaplantagen mit Glyphosat auch am Boden einzustellen, um Menschenrechtsverletzungen an den kleinbäuerlichen Gemeinschaften zu vermeiden, die für ihren Lebensunterhalt auf den Anbau von Koka angewiesen sind. Darüber hinaus argumentierte Amnesty, dass die Zwangsvernichtung der Kokapflanzen die Konfliktsituation im Land verschärfen und die kleinbäuerlichen Gemeinschaften und deren Sprecher*innen noch weiter gefährden würde.
Trotz des Gesundheitsnotstands im Zuge der Corona-Pandemie sowie zahlreicher Aufrufe verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen, die Zwangsvernichtung von Koka in dieser Zeit auszusetzen, führten die Behörden ihre Massnahmen in mindestens sieben Departamentos des Landes durch. Damit setzten sie sich auch über die Anordnung der Regierung zur obligatorischen Isolierung hinweg.