Inés Fernández Ortega und Valentina Rosendo Cantú. © Privat
Inés Fernández Ortega und Valentina Rosendo Cantú. © Privat

Inés Fernández Ortega Mexiko anerkennt Verantwortung für Vergewaltigung

12. März 2012
Inés Fernández Ortega wurde 2002 von mexikanischen Soldaten vergewaltigt. Die Indigene ringt seither unermüdlich darum, dass ihr Gerechtigkeit widerfährt. An einem offiziellen Akt anerkannte der mexikanische Staat nun die Verantwortung für die Menschenrechtsverletzungen an Inés Fernández Ortega.

Mit diesem Akt erfüllt die mexikanische Regierung ihre Verpflichtung aus einem Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2010. Mexiko begleicht damit einen Teil seiner Schuld gegenüber Inés Fernández, die im Jahr 2002 Opfer sexueller Gewalt durch Angehörige der mexikanischen Streitkräfte geworden war.

Darüber hinaus hatte der Gerichtshof die mexikanische Regierung angewiesen, eine Garantie dafür zu übernehmen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, Mexiko Inés Fernández Ortega eine angemessene Entschädigung ermöglicht und dass Massnahmen ergriffen werden, um eine Wiederholung derartiger Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

Straftaten an Zivilpersonen gehören vor Zivilgerichte

Amnesty International fordert die mexikanischen Behörden nachdrücklich auf, alle Bestandteile des Urteils wirksam umzusetzen. Hierzu zählen unabhängige und umfassende Ermittlungen der Zivilgerichtsbarkeit ebenso wie die Durchführung der notwendigen Reformen, die gewährleisten, dass Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung durch Angehörige der Streitkräfte ausnahmslos von Zivilgerichten untersucht und strafverfolgt werden, und nicht von der Militärgerichtsbarkeit.

Der Gerichtshof fällte mit diesem Urteil dieselbe Entscheidung wie im Fall von Valentina Rosendo Cantú. Sie hatte wie Inés Fernández Ortega sexuelle Gewalt durch Militärangehörige erfahren, die im Jahr 2002 in der Gebirgsregion La Montaña im Bundesstaat Guerrero stationiert waren.

Vergewaltigung zweifelsfrei nachgewiesen

Die mexikanischen Behörden hatten sich geweigert anzuerkennen, dass die beiden Frauen von Angehörigen der Streitkräfte vergewaltigt wurden. Doch die Entscheidungen des Gerichtshofes weisen in beiden Fällen die Vergewaltigung der Frauen durch Soldaten unbestreitbar nach, und zeigen auf, dass keine unparteiische Untersuchung der Tatbestände stattgefunden hat.

Die Urteile belegen darüber hinaus weitere schwere Menschenrechtsverletzungen an beiden Frauen und ihren Familienangehörigen, die u.a. in der Straffreiheit der Verantwortlichen ihren Ausdruck fanden, sowie in der Drangsalierung der Frauen und der Organisationen, die die Betroffenen in ihrem Kampf um Gerechtigkeit unterstützt haben.

Der Gerichtshof betonte in beiden Urteilen Mexikos Verpflichtung, der Militärgerichtsbarkeit in Fällen von Menschenrechtsverletzungen durch Militärangehörige sowohl bei den Ermittlungen als auch vor Gericht die Zuständigkeit zu entziehen.

Amnesty International betrachtet die Zuständigkeit von Militärgerichten als Hindernis dafür, jenen, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Streitkräfte geworden sind, zu Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zu verhelfen.

 

Hintergrundinformationen

Trotz der im August 2010 vom Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof ergangenen Urteile zugunsten von Inés Fernández Ortega und Valentina Rosendo Cantú befinden sich die Täter weiterhin in Freiheit. Die Frauen und ihre Angehörigen hingegen werden bei ihrem Kampf um Gerechtigkeit seit zehn Jahren zur Zielscheibe von Drohungen.

Bereits im Jahr 2009 fällte der Gerichtshof einen Schuldspruch gegen den mexikanischen Staat. Es ging um den Fall des Verschwindenlassens von Rosendo Radilla Pacheco im Jahr 1974 durch Angehörige des Heeres. Dies war das erste einer Reihe von Urteilen gegen den mexikanischen Staat wegen Menschenrechtsverletzungen durch Soldaten und das erste internationale Urteil gegen Mexiko in einem Fall von Verschwindenlassen. Der Oberste Gerichtshof von Mexiko hat die Verpflichtung des Staates anerkannt, diese Urteile umzusetzen.

Im Jahr 2010 präsentierte Präsident Calderón eine Initiative zur Reform des Militärstrafgesetzbuches. Sein Vorschlag schloss die Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit lediglich bei drei Straftatbeständen aus: Verschwindenlassen, Vergewaltigung und Folter.

Amnesty International vertritt die Ansicht, dass zum Schutz der Menschenrechte und zur Umsetzung der Urteile des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes, alle mutmasslich von Militärs begangenen Menschenrechtsverletzungen von der Bearbeitung durch die Militärgerichtsbarkeit auszuschliessen sind. Im Dezember 2011 bekräftigte Präsident Calderón seine Absicht, die Militärgerichtsbarkeit gemäss den Urteilen des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes zu reformieren, aber bisher wurde noch keine Initiative dieser Art vorangetrieben.