Ein Mann zeigt die Position, die er einnehmen musste, als Soldaten ihn schlugen. © Guillaume Herbaut
Ein Mann zeigt die Position, die er einnehmen musste, als Soldaten ihn schlugen. © Guillaume Herbaut

Mexiko Bekannte Täter - ignorierte Opfer

2.11.2012
Israel Arzate wurde willkürlich festgenommen und mittels Folter zu einem Videogeständnis gezwungen, vor den Augen des Bundesstaatsanwalts und seines Pflichtverteidigers. Vor Gericht zog Israel Arzate sein «Geständnis » zurück und informierte den Richter über die erlittene Folter, die dazu führte. Der Richter liess die Foltervorwürfe – trotz sichtbaren physischen Verletzungen – nicht untersuchen und akzeptierte das Video als Beweismaterial.

Isreal Arzates Fall ist charakteristisch für das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden in Mexiko. Erpresste Geständnisse gehören zu den wichtigsten Tatbeweisen.

 

Massive Zunahme von Folter

Insbesondere während den Wirren des «Drogenkriegs» unter dem scheidenden Präsidenten Felipe Calderón haben die Klagen über Folter massiv zugenommen. 2011 erhielt die Nationale Menschenrechtskommission (Comisión Nacional de Derechos Humanos, CNDH)  1‘669 Klagen, welche aber nur diejenigen Fälle umfassen, in denen staatliche Sicherheitskräfte involviert waren. Zahlreicher dürften die Fälle sein, in denen die Sicherheitskräfte der 32 Bundesstaaten involviert sind. Ebenso massiv zugenommen haben die Fälle von Verschwindenlassen.

 

Straffreiheit

Foltervorwürfe werden selten untersucht. Erschwert wird die Situation dadurch, dass die Beweislast für Foltervorwürfe beim Opfer selbst liegt. Da die medizinischen Dienste oft  von der Staatsanwaltschaft  abhängig sind und auch die PflichtverteidigerInnen – die unter Umständen nicht einmal mit den Angeklagten sprechen -  häufig von dieser Instanz bestimmt  werden, ist die Situation der Opfer aussichtslos. Klagen über Folter müssen entweder ebenfalls bei der Staatsanwaltschaft deponiert werden oder aber bei der nationalen Menschenrechtskommission CNDH, deren Kompetenzen zwar seit 2011 verbessert worden sind, die aber nicht über genügend Ressourcen verfügt und deshalb ihre Aufgaben nur begrenzt wahrnehmen kann.
Als Folge dieser Situation gibt es praktisch keine Untersuchungen von Folterfällen, die Straflosigkeit liegt nahezu  bei 100%.

 

Besonders problematisch ist das System des «Arraigo», welches den Sicherheitskräften in spezifischen Fällen erlaubt, Verdächtige ohne Anklage und ohne Kontaktaufnahme mit ihrer Familie oder einem selbst gewählten Anwalt 40 bis 80 Tage festzuhalten. In dieser Zeit ist die Gefahr von Folter und Misshandlung besonders gross. Statistiken zeigen, dass diese – eigentlich nur in Ausnahmefällen für Mitglieder krimineller Banden gedachte – Regelung in letzter Zeit mit zunehmender Häufigkeit angewendet wird. Nachträglich deponierte Drogen oder Waffen werden häufig als Grund missbraucht, den Verhafteten in diese Kategorie einzuordnen.

 

Lesen Sie den Amnesty Bericht auf Englisch oder auf Spanisch.

Dieser Bericht wurde auch dem UNO-Ausschuss gegen Folter vorgelegt, der im November 2012 beurteilt, wie Mexiko die Empfehlungen des Ausschusses umsetzt.