Folter und Misshandlung durch Polizisten und Soldaten sind – trotz Verbot – in Mexiko erschreckend weit verbreitet. Das stellt Amnesty International in einem am 4. September 2014 veröffentlichten Bericht fest. Im Zuge der Militäreinsätze gegen die Drogenkriminalität ist zudem die Zahl der Fälle sprunghaft angestiegen. Im vergangenen Jahr registrierte die mexikanische Menschenrechtskommission 600 Prozent mehr Anzeigen wegen Folter und Misshandlungen als zehn Jahre zuvor. Amnesty fordert die mexikanische Regierung zum sofortigen Handeln auf, um den verbreiteten Einsatz von Folter durch Polizei und Militär zu stoppen.
Der Bericht «Out of control: Torture and other ill-treatment in Mexico» (Ausser Kontrolle: Folter und Misshandlungen in Mexiko) stellt ausserdem eine vorherrschende Kultur der Toleranz gegenüber Folter fest. Folterer gehen fast immer straffrei aus. Nur sieben Personen wurden in Mexiko in den vergangenen 30 Jahren wegen Folter vor Bundesgerichten verurteilt.
Behörden spielen Vorwürfe herunter
«Die Behörden dürfen die Augen vor Folter nicht weiter verschliessen. Die Gesetze und Vorschriften, die Folter verhindern sollen, werden bisher nicht umgesetzt. Stattdessen werden Misshandlungsvorwürfe heruntergespielt», sagt Lisa Salza, Mexiko-Expertin von Amnesty International Schweiz. «Eine Amnesty-Umfrage ergab: 64 Prozent der Mexikanerinnen und Mexikaner befürchten, gefoltert zu werden, sollten sie festgenommen werden. Unser Bericht zeigt: Diese Angst ist leider sehr berechtigt.»
Folterüberlebende aus verschiedenen Teilen des Landes berichteten Amnesty International von Schlägen, Todesdrohungen, sexueller Gewalt, Elektroschocks und simuliertem Ersticken durch Polizisten oder Soldaten, oft mit dem Ziel, Geständnisse oder belastende Aussagen gegen andere zu erpressen.
Fallbeispiele
Ángel Amílcar Colón Quevedo wurde von mexikanischen Polizisten und Soldaten geschlagen. Sie stülpten ihm eine Plastiktüte über den Kopf, zogen ihn nackt aus und zwangen ihn zu erniedrigende Handlungen. Ausserdem war er als dunkelhäutiger Migrant aus Honduras rassistischen Beschimpfungen ausgesetzt. Er wartet im Gefängnis auf seinen Prozess. Die Anklage stützt sich auf Aussagen, die er unter der Folter gemacht hat. Amnesty International hat ihn zum politischen Gefangenen erklärt. Der Amnesty-Bericht beschreibt ausführlich 20 weitere Folter-Fälle.
«Statt Folter zu bekämpfen, akzeptieren Gerichte trotz eindeutiger Verbote Geständnisse, die unter Folter erzwungen wurden», stellt Lisa Salza fest. «Ausserdem können sich die Folterer sicher fühlen, da Foltervorwürfe selten untersucht werden. Wenn es doch Ermittlungen gibt, sind diese meistens völlig unzureichend. Und die Gutachten von unabhängigen medizinischen Experten erkennen die Behörden fast nie an.»
Um die Folter zu bekämpfen, fordert Amnesty International die mexikanische Regierung auf, das sogenannte Istanbul-Protokoll umzusetzen. Es handelt sich um einen internationalen Standard zur Untersuchung von Foltervorwürfen durch medizinische Experten.
Medienmitteilung veröffentlicht: 4. September 2014, Bern
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