Yecenia Armenta Graciano noch immer hinter Gittern, Mexiko. April 2015 © Amnesty International
Yecenia Armenta Graciano noch immer hinter Gittern, Mexiko. April 2015 © Amnesty International

Mexiko Amnesty fordert Freilassung von Folteropfer Yecenia Armenta

24. Juni 2015
Yecenia Armenta Graciano wurde im Juli 2012 verhaftet, als sie zwei nahe Verwandte zum Flugplatz fuhr. Unter schwerer Folter, einschliesslich massiver sexueller Gewalt und der Drohung, ihre Kinder zu töten, erpressten die Untersuchungsbehörden von Sinaloa von ihr das Geständnis, ihren Ehemann umgebracht zu haben. Unabhängige ExpertInnen bestätigen die Foltervorwürfe, doch Yecenia Armenta bleibt unter Anklage in Haft.

Am 10. Juli werden es drei Jahre her sein, seit die zweifache Mutter und Witwe Yecenia Armenta Graciano auf dem Weg zum Flughafen Culiacán im nördlichen Bundesstaat Sinaloa von Polizisten in Zivil angehalten und zum Aussteigen gezwungen wurde. Was folgte war ein Albtraum, wie ihn Tausende andere Mexikanerinnen und Mexikaner in den letzten fünf Jahren auch erlebt haben: Massive Folter durch die Staatsgewalt mit dem Ziel, ein Geständnis zu erzwingen. Mit verbundenen Augen wurde Yecenia zu einer Polizeistation gebracht, wo sie von ihren Peinigern gefesselt und kopfüber aufgehängt wurde. Yecenia wurde in dieser Position während Stunden geschlagen, später dem simulierten Ersticken ausgesetzt und vergewaltigt. Die Folter dauerte beinahe 15 Stunden. «Als sie mir damit drohten, meine Kinder umzubringen, wollte ich nur noch sterben». Diesem massiven psychischen Druck ausgesetzt, gab Yecenia schliesslich den Forderungen der Polizisten nach und unterschrieb das Geständnis, ihren Mann umgebracht zu haben. Ihre Augen waren noch immer verbunden.

Ein Hin und Her widersprüchlicher Einschätzungen

Yecenias Verletzungen sind zwar untersucht worden, die Untersuchungen wurden jedoch von Amtsärzten eben jener Staatsanwaltschaft durchgeführt, deren Beamten Yecenia gefoltert hatten. Die amtlichen Ärzte fanden keine Anzeichen von Folter. Eine örtliche Menschenrechtskommission, die Yecenia vier Tage darauf in der Untersuchungshaft besuchte, fand allerdings Verletzungen an ihrem ganzen Körper. Trotzdem befanden forensische Mitarbeitende der Bundesstaatsanwaltschaft einige Monate später, dass Yecenia kein Opfer von Folter geworden war. Daraufhin wurde Yecenia noch zweimal – im September 2012 und im März 2014 – von unabhängigen MedizinerInnen gemäss internationalen Standards untersucht. In beiden Fällen kamen die ExpertInnen zum Schluss, dass Yecenia gefoltert worden war. Diese Untersuchungen werden von den mexikanischen Behörden jedoch bis heute nicht beachtet, so dass Yecenias Geständnis immer noch als das zentrale Beweisstück in ihrem Fall behandelt wird. Dieses Vorgehen kann im mexikanischen Kontext als typisch eingestuft werden: Offizielle Untersuchungen von Folteropfern stehen in der Regel nicht im Einklang mit internationalen Standards oder werden zu spät vorgenommen, um noch von Nutzen sein zu können.

Prozess um Foltervorwürfe wird hingezogen

Im Januar 2015 bestätigte die Nationale Menschenrechtskommission, dass Yecenia Armenta Graciano gefoltert worden war und ordnete an, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Der Staatsanwalt von Sinaloa kündigte daraufhin eine Untersuchung an. Der Fall ist nun beim Bundesgericht hängig, und Yecenia bleibt weiter in Haft.

Amnesty International fordert daher die mexikanischen Behörden auf,

  • alle gegen Yecenia Armenta vorgebrachten Anschuldigungen fallen zu lassen und sie frei zu lassen, da ihr Geständnis unter Folter erzwungen worden ist;
  • eine umfassende Untersuchung in die Foltervorwürfe durchzuführen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen;
  • die Empfehlungen der Uno umzusetzen und die Vorgehensweise bei medizinisch-forensischen Untersuchungen von Folteropfern zu überarbeiten, so dass sie in Einklang mit den existierenden internationalen Standards stehen (Istanbul-Protokoll).

Internationale Petition für die Freilassung von Yecenia (Englisch)