Menschenrechtssituation in den USA

Gesetz über Militärkommissionen Der Eintrag im Jahresbericht 2007 basiert auf Vorkomnissen und Daten aus dem Jahr 2006 Im Juni erklärte der Oberste Gerichtshof der USA im Fall Hamdan gegen Rumsfeld di
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Gesetz über Militärkommissionen

Der Eintrag im Jahresbericht 2007 basiert auf Vorkomnissen und Daten aus dem Jahr 2006

Im Juni erklärte der Oberste Gerichtshof der USA im Fall Hamdan gegen Rumsfeld die auf der Grundlage einer Präsidialverordnung vom November 2001 geschaffenen Militärkommissionen für ungesetzlich. Deren Zuständigkeit erstreckte sich auf Verfahren gegen Ausländer, die im «Krieg gegen den Terror» als «feindliche Kämpfer» festgesetzt worden waren. Die obersten Richter wiesen darüber hinaus eine Entscheidung des US-Präsidenten zurück, Häftlingen mit vermeintlichen Verbindungen zu den Taliban oder al-Qaida den Schutz des gemeinsamen Artikels 3 der vier Genfer Konventionen von 1949 zu versagen. Darin heisst es, dass in Situationen bewaffneter Konflikte Gefangene menschlich behandelt werden müssen und Anspruch auf einen fairen Prozess haben. Im September räumte Präsident George W. Bush die Existenz eines CIA-Programms geheimer Inhaftierungen ein, in dessen Rahmen einige im «Krieg gegen den Terror» festgenommene Personen ohne Kontakt zur Aussenwelt in Gewahrsam gehalten und «alternativen» Verhörmethoden unterzogen worden sind. Präsident Bush betonte, durch das Urteil des Obersten Gerichtshofs sei dieses Geheimprogramm gefährdet.

Ende September verabschiedete der Kongress ein Gesetz über Militärkommissionen. Sollte es einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten, wäre es US-amerikanischen Gerichten nicht mehr möglich, über Haftprüfungsanträge ausländischer Staatsbürger zu verhandeln, die sich innerhalb oder ausserhalb der USA als «feindliche Kämpfe»« in US-Gewahrsam befinden und die Rechtmässigkeit ihrer Inhaftierung oder ihre Haftbedingungen anzufechten beabsichtigen. Am 14. Dezember wies ein Bundesrichter die Haftprüfungsklage des Guantánamo-Gefangenen Salim Ahmed Hamdan ab, der zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als fünf Jahre ohne Prozess in US-Haft einsass. Der Richter vertrat die Auffassung, das Gesetz über Militärkommissionen sei rückwirkend anzuwenden, und sprach dem Kläger mit dieser Begründung das Recht auf Haftprüfung ab. Darüber hinaus, so der Richter weiter, habe Salim Ahmed Hamdan als ausländischer und ausserhalb US-amerikanischen Hoheitsgebiets inhaftierter Staatsbürger keinen per Verfassung geschützten Anspruch auf Haftprüfung.
Das vom Kongress verabschiedete Gesetz stattete Präsident Bush ferner mit der Befugnis aus, neue Militärkommissionen mit Zuständigkeit für Verfahren gegen Ausländer einzurichten, die als «ungesetzliche feindliche Kämpfer» in Haft gehalten werden. Unter diese Definition fielen auch Zivilisten, die fernab jedweden Kampfgeschehens gefangen genommen werden. Die neuen Kommissionen, deren Verfahrensordnung faire Prozesse kaum erwarten liessen, hatten Vollmacht, selbst die Todesstrafe zu verhängen.

Das Gesetz über Militärkommissionen enthielt darüber hinaus eine Bestimmung, die Gefangenen die Möglichkeit nahm, sich unter Berufung auf die Genfer Konventionen an die Gerichte zu wenden. Es schränkte zudem rückwirkend bis in das Jahr 1997 den Anwendungsbereich des US-Kriegsverbrechergesetzes ein, indem Verstösse gegen das im gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen enthaltene Verbot unfairer Gerichtsverfahren und der »Beeinträchtigung der persönlichen Würde« – insbesondere in Form erniedrigender und entwürdigender Behandlung – nicht ausdrücklich als Straftatbestände definiert wurden. Bei einer Anhörung im Senat stimmten im Juli sechs ehemalige oder noch im Amt befindliche Militäranwälte darin überein, dass einige der von den USA im »Krieg gegen den Terror« praktizierte Verhörmethoden gegen den gemeinsamen Artikel 3 verstossen haben.

«Ausserordentliche Überstellungen» und geheime Haft

Im September gab Präsident Bush bekannt, dass 14 als «besonders wichtig » eingestufte Gefangene, die der CIA im Rahmen seines geheimen Inhaftierungsprogramms bis zu viereinhalb Jahre ohne Kontakt zur Aussenwelt in Gewahrsam gehalten hatte, nach Guantánamo verlegt worden seien. Nach Einschätzung von amnesty international sind zumindest einige von ihnen Opfer des »Verschwindenlassens« geworden. Über Schicksal und Verbleib anderer Personen, die vom CIA ebenfalls in geheime Haft genommen worden waren, herrschte Ende 2006 weiterhin Ungewissheit.

Die Regierung strebte durch Einschaltung eines Bundesgerichts auf juristischem Wege an sicherzustellen, dass das Wissen der 14 aus geheimer Haft nach Guantánamo überstellten Gefangenen über das CIA-Programm nicht an die Öffentlichkeit dringt, beispielsweise keine Einzelheiten über die Standorte der geheimen Hafteinrichtungen oder über die angewandten Verhörmethoden bekannt gemacht werden dürfen.

Im Juni veröffentlichte der Ausschuss für Recht und Menschenrechte des Europarats einen Bericht über geheime Inhaftierungen und ungesetzliche Gefangenentransfers in Europa. Der auf eigenen Ermittlungen des Ausschusses basierende Bericht kam zu dem Ergebnis, dass die USA – die beim Europarat Beobachterstatus besitzen – «Hauptarchitekt» eines «verwerflichen» Systems geheimer Inhaftierungen und Überstellungen gewesen sind. Die Erkenntnisse des Ausschusses deckten sich mit denen von amnesty international, wonach in mehreren Fällen «ausserordentliche Überstellungen» unter Beteiligung oder mit Hilfe von Mitgliedstaaten des Europarats stattgefunden haben. Der Ausschuss rief die USA und europäische Länder auf, derartigen Praktiken ein Ende zu setzen und unabhängige Ermittlungen zur Aufklärung der Vorgänge einzuleiten.

Guantánamo

Ende des Berichtszeitraums befanden sich nach wie vor mindestens rund 395 Gefangene aus etwa 30 Staaten auf dem US-Marinestützpunkt Guantánamo Bay ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft, einige von ihnen bereits seit annähernd fünf Jahren.

Im Februar veröffentlichte eine aus fünf Uno-Sachverständigen bestehende Kommission, der auch der Sonderberichterstatter über Folter angehörte, einen Untersuchungsbericht über die Zustände in Guantánamo, der mit der Forderung schloss, das Gefangenenlager aufzulösen. Die Uno-Experten gelangten zu dem Schluss, dass gewisse Formen der Behandlung der Insassen wie etwa Einzelhaft, übermässige Gewaltanwendung und die auf brutale Weise vorgenommene Zwangsernährung von Häftlingen während eines Hungerstreiks den Tatbestand der Folter erfüllt hätten.

Der Uno-Ausschuss gegen Folter sprach sich im Mai ebenfalls für die Schliessung von Guantánamo aus und betonte, die zeitlich unbefristete Inhaftierung von Menschen ohne Anklageerhebung stelle einen Verstoss gegen die Uno-Konvention zur Verhütung von Folter dar. Im Juli forderte der Uno-Menschenrechtsausschuss die Regierung in Washington auf sicherzustellen, dass ausnahmslos alle Guantánamo-Gefangenen «unverzüglich» die Möglichkeit erhalten, die Rechtmässigkeit ihrer Inhaftierung gerichtlich anzufechten.
Im Juni kamen in Guantánamo drei Insassen ums Leben. Allem Anschein nach war jeweils Selbstmord die Todesursache. Bei einem der Verstorbenen handelte es sich um Abdullah Yahia al-Zahrani, der zum Zeitpunkt seiner Festnahme Berichten zufolge erst 17 Jahre alt gewesen war. Der Tod der drei Gefangenen verstärkte Befürchtungen, dass die Praxis der unbefristeten Inhaftierung bei den Betroffenen schwere psychische Belastungen zur Folge hat.

Inhaftierungen in Afghanistan und Irak

Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im afghanischen Bagram befanden sich Hunderte Menschen ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Haft, denen keine Möglichkeit gegeben wurde, mit juristischen Schritten gegen ihren Freiheitsentzug vorzugehen. Einige der Gefangenen waren bereits mehr als zwei Jahre inhaftiert, ohne dass sie zu ihren Familien oder zu Rechtsanwälten hatten Kontakt aufnehmen oder Gerichte hatten anrufen dürfen. Im November erklärten die US-Behörden, möglicherweise würde «eine beträchtliche Anzahl»der in Bagram einsitzenden afghanischen Staatsbürger innerhalb eines Jahres in den Gewahrsam der afghanischen Verwaltung überstellt. Einige andere Afghanen und ausländische Staatsangehörige, so die Verlautbarung, würden hingegen entweder in Bagram verbleiben oder nach Guantánamo verbracht werden.

Im Irak hielten die US-Truppen ebenfalls Tausende Menschen in Gewahrsam, unter ihnen mehrere hundert «Sicherheitshäftlinge», die bereits vor Juni 2004, dem Amtsantritt der irakischen Übergangsregierung, festgenommen worden waren. Für diese Gruppe von Gefangenen existierten keine förmlichen Haftprüfungsmechanismen. Anders verhielt es sich bei Personen, deren Festnahme nach Juni 2004 erfolgt war. In ihren Fällen fand eine erstmalige Haftprüfung – oftmals in Abwesenheit der Betroffenen – durch einen Richter statt, anschliessend beriet ein nicht der Justiz zugehöriges Gremium in halbjährlichen Abständen über die Fortdauer ihres Freiheitsentzugs.

Ungesetzliche Tötungen durch US-Truppen im Ausland

Aus dem Irak wurden mehrere Vorfälle bekannt, bei denen US-Soldaten Zivilisten extralegal hingerichtet oder auf ungesetzliche Weise getötet haben sollen.
Im November bekannte sich ein Soldat vor einem Militärgericht schuldig, im März in der Ortschaft Mahmudiya eine 14 Jahre junge Irakerin vergewaltigt und sie zusammen mit drei ihrer Familienangehörigen ermordet zu haben. Der Täter wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Im Zusammenhang mit dem Fall standen noch drei weitere Soldaten unter Anklage, denen ausserdem zur Last gelegt wurde, die Leiche des Mädchens verbrannt zu haben, um Beweisspuren zu vernichten. Gegen einen fünften mutmasslich beteiligten Soldaten, der bereits vor Anklageerhebung wegen psychischer Störungen aus der Armee entlassen worden war, fand ein Verfahren vor einem Bundesgericht der US-amerikanischen Ziviljustiz statt. In dem Prozess plädierte er auf nicht schuldig.

Gegen acht weitere Soldaten erging Anklage, im April 2006 in der Stadt Hamdania den 52-jährigen Hashim Ibrahim Awad entführt und ermordet zu haben. Sie wurden konkret beschuldigt, den Mann aus seinem Haus gezerrt und ihn erschossen zu haben, während er gefesselt war. Vier der Soldaten bekannten sich im Sinne der Anklage schuldig und wurden zu Freiheitsentzug zwischen fünf und zehn Jahren verurteilt, die Strafen allerdings anschliessend auf der Grundlage einer im Vorfeld getroffenen Vereinbarung auf zwölf bis 21 Monate Haft reduziert. Die übrigen Verfahren waren Ende des Berichtszeitraums noch anhängig.

Am 13. Januar starben in der Ortschaft Damadola Burkanday im Nordwesten Pakistans zwischen 13 und 18 Menschen, als drei Häuser des Dorfes von Raketen getroffen wurden. Unter den Opfern befanden sich auch fünf Kinder. Nach vorliegenden Meldungen hatte die US-Luftwaffe Hellfire-Raketen abgefeuert, deren eigentliches Ziel Ayman al-Zawahiri gewesen sein soll, der als führender Kopf des Netzwerks al-Qaida galt.

Inhaftierung «feindlicher Kämpfer» in den USA

Der aus Katar stammende Ali Saleh Kahlah al-Marri befand sich weiterhin ohne Anklage oder Gerichtsverfahren im Gewahrsam des US-Militärs in South Carolina in Isolationshaft. Er durfte bereits seit mehr als drei Jahren weder von seiner Familie besucht werden noch Telefonate führen. Im November beantragte die US-Regierung bei Gericht, die von dem Gefangenen gegen die Rechtmässigkeit seiner Inhaftierung eingelegten Rechtsmittel abzuweisen. Begründet wurde der Antrag mit dem Hinweis darauf, dass gemäss dem Gesetz über Militärkommissionen die Bundesgerichte in diesem Fall keine Zuständigkeit mehr besässen. Bis Ende des Berichtszeitraums war in der Sache noch kein Urteil ergangen.

Mit einer Eingabe vom Oktober versuchten die Rechtsanwälte des ehemals als «feindlicher Kämpfer» inhaftierten US-Amerikaners José Padilla die Abweisung der gegen ihren Mandanten anhängigen Strafanklagen zu erwirken. Als Begründung führten sie ins Feld, dass José Padilla während seiner mehr als dreijährigen Haft ohne Kontakt zur Aussenwelt im Gewahrsam des US-Militärs gefoltert worden sei. Auch in diesem Verfahren stand eine Entscheidung Ende 2006 noch aus.

Folterungen und Misshandlungen

Es herrschte nach wie vor ein generelles Defizit, Rechenschaft und Verantwortung für im «Krieg gegen den Terror» verübte Folterungen und Misshandlungen einzufordern, unter anderem für Praktiken, die von führenden Vertretern der US-Administration als zulässige Verhörmethoden sanktioniert worden sind. Zwar mussten sich einige Soldaten zumeist unterer Dienstränge vor Militärgerichten für strafbares Verhalten während Auslandseinsätzen verantworten, bis Ende des Berichtszeitraums war jedoch noch gegen keinen US-amerikanischen Funktionsträger wegen Verstosses gegen das für exterritoriale Gebiete geltende Antifoltergesetz der USA oder das US-Kriegsverbrechergesetz Anklage erhoben worden. Der Uno-Ausschuss gegen Folter ebenso wie der Uno-Menschenrechtsausschuss äusserten sich kritisch über die augenfällige Nachsicht und die Straflosigkeit, derer sich Vertreter der US-Behörden im Allgemeinen gewiss sein konnten.

Bis Ende 2006 war nur ein einziger CIA-Mitarbeiter wegen im »Krieg gegen den Terror« begangener Straftaten vor Gericht gestellt worden. Es handelte sich um David Passaro, der im August für schuldig befunden wurde, während seiner Auftragstätigkeit für den CIA den afghanischen Gefangenen Abdul Wadi brutal geschlagen zu haben. Der Mann war 2003 in US-Militärgewahrsam in Afghanistan gestorben. In weiteren 19 Fällen mutmasslicher Misshandlungen, für die Zivilpersonen oder CIA-Mitarbeiter verantwortlich gewesen sein sollen und die dem US-Justizministerium offiziell zur Kenntnis gebracht worden sind, war hingegen noch keine Anklageerhebung erfolgt.

Im September gab die Armee ein überarbeitetes Feldhandbuch heraus, das eine Bekräftigung des grundsätzlichen Verbots grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung von Gefangenen enthielt. In der Vergangenheit hatte die Regierung hingegen die Position vertreten, ein solches Verbot erstrecke sich nicht auf inhaftierte »ungesetzliche feindliche Kämpfer«. In dem Handbuch wurden zudem bestimmte Verhörpraktiken ausdrücklich untersagt, so beispielsweise sexuelle Erniedrigung, der Einsatz von Hunden, das Überstülpen von Kapuzen, Scheinhinrichtungen, das simulierte Ertränken (waterboarding) und der Entzug von Nahrung und Wasser. Die Vorschriften des Feldhandbuchs galten allerdings nicht für Verhöre durch CIA-Mitarbeiter, die ausserhalb militärischer Einrichtungen stattfinden.

Am 6. Dezember wurde erstmals auf der Grundlage des oben genannten Antifoltergesetzes Anklage erhoben, und zwar gegen den auch als Charles Taylor Jr bekannten US-amerikanischen Staatsbürger Roy Belfast, Sohn des ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor. Die Staatsanwaltschaft legte ihm zur Last, im Juli 2002 in der liberianischen Hauptstadt Monrovia an der Folterung eines Mannes beteiligt gewesen zu sein.

Misshandlungen in Gefängnissen und im Polizeigewahrsam

Erneut trafen Meldungen über Misshandlungen an Gefängnisinsassen und von der Polizei festgehaltenen Personen ein. Genannt wurden unter anderem die missbräuchliche Anwendung von Fixierungsmethoden und der Einsatz von Elektroschockwaffen. So kamen im Berichtszeitraum mehr als 70 Menschen ums Leben, denen mit Taserwaffen Stromstösse versetzt worden waren, womit sich die Zahl derartiger Todesfälle seit Einführung der Tasertechnologie im Jahr 2001 auf mehr als 230 erhöhte.

Das US-Justizministerium gab im Juni bekannt, dass das Nationale Institut für Justiz mit einer auf zwei Jahre angelegten Studie über den Zusammenhang von Tasereinsätzen und Todesfällen beauftragt worden sei. Derweil blieb in einer Vielzahl von Polizeidienststellen der Gebrauch von Taserwaffen selbst in Situationen zulässig, in denen keine Gefahr für Menschenleben besteht. Der Uno-Ausschuss gegen Folter richtete in diesem Zusammenhang den eindringlichen Appell an die US-amerikanischen Behörden, auf die Tasertechnologie ausschliesslich als nichttödliche Alternative zu Schusswaffen zurückzugreifen.

Im August verstarb im Bezirksgefängnis von Arapahoe im Bundesstaat Colorado der Häftling Raul Gallegos-Reyes, nachdem ihm mit einer Taserwaffe mehrfach Stromstösse versetzt und er auf einem Stuhl mit Fesseln fixiert worden war. Das Wachpersonal hatte auf diese Weise versucht, den Gefangenen ruhig zu stellen, nachdem er in seiner Zelle randaliert und immer wieder mit dem Kopf gegen die Zellentür geschlagen hatte. Der amtliche Leichenbeschauer kam zu dem Ergebnis, dass «positionsbedingtes Ersticken» den Tod von Raul Gallegos-Reyes herbeigeführt hatte, verursacht durch die angewandten Fixierungsmassnahmen. Seiner Einschätzung nach handelte es sich in diesem Fall um ein Tötungsdelikt.
In einer Klage vom Juli gegen das ebenfalls im Bundesstaat Colorado gelegene Bezirksgefängnis von Garfield wurde vorgebracht, dass dort einsitzende Häftlinge häufig auf eigens zu diesem Zwecke konstruierten Stühlen (restraint chairs) stundenlang in schmerzhaften Positionen gefesselt und fixiert worden seien, nachdem man ihnen mit Taserwaffen Stromstösse versetzt oder sie mit Pfefferspray besprüht hatte. Ferner soll das Wachpersonal Gefangene während der Fahrt zum Gericht verhöhnt und gedroht haben, ihnen durch die Aktivierung ferngesteuerter Elektroschockgürtel, die sie tragen mussten, Stromstösse zu verabreichen. In der Haftanstalt fehlte es nach vorliegenden Meldungen an klaren Richtlinien für den Einsatz von Zwangsmitteln.

An die Adresse der Polizei richtete sich der Vorwurf, Angehörige sexueller Minderheiten misshandelt und gegen sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verübte Straftaten nicht angemessen verfolgt zu haben.

Die transsexuelle Mariah López wurde Berichten zufolge nach ihrer Festnahme in New York von Beamten der dortigen Polizeibehörde und des Stadtgefängnisses verbal und körperlich misshandelt. Sie soll durch Schläge eine Nasenknochenfraktur, mehrere Schürfwunden und einen abgebrochenen Zahn davongetragen haben. Ausserdem wurde sie erniedrigenden Leibesvisitationen unterzogen.

Die ebenfalls transsexuelle Christina Sforza wurde nach vorliegenden Meldungen in einem New Yorker Restaurant von einem Mann tätlich angegriffen. Als herbeigerufene Polizisten am Ort des Geschehens eintrafen, weigerten sie sich, die Anzeige gegen den Täter zu Protokoll zu nehmen, und setzten stattdessen Christina Sforza fest. Gegen sie erging Anklage wegen Körperverletzung, die aber später wieder fallen gelassen wurde.

Hochsicherheitsgefängnisse

In den Hochsicherheitsgefängnissen des Landes wurden Tausende Menschen über lange Zeiträume hinweg in Isolationshaft gehalten. Die Bedingungen, unter denen sie einsassen, kamen bisweilen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleich.

Im November beanstandete ein Bundesberufungsgericht die Bedingungen, unter denen in einem Hochsicherheitsgefängnis in Wisconsin Häftlinge im Rahmen eines »Verhaltensmodifikationsprogramms« festgehalten wurden, als verfassungswidrig. Das Gericht reagierte damit auf eine zugunsten eines Insassen eingereichte Klage, der im Jahr 2002 an diesem Programm hatte teilnehmen müssen. In der Klage war vorgebracht worden, der Mann sei ohne Kleidung und Bettzeug in eine kleine, kahle Zelle gesperrt und ausschliesslich mit Brei ernährt worden. Seine geistige Gesundheit habe unter dieser Behandlung schweren Schaden genommen. Der Fall wurde zur Feststellung des teilweise strittigen Sachverhalts an ein vorinstanzliches Gericht verwiesen.

Frauen in Haft

Im Mai verabschiedete Vermont als letzter der 50 US-Bundesstaaten ein Gesetz zum Schutz weiblicher Gefangener vor sexuellem Missbrauch durch das Wachpersonal, indem sexuelle Kontakte zwischen Insassen und Strafvollzugsbediensteten grundsätzlich unter Strafe gestellt wurden. Dessen ungeachtet waren inhaftierte Frauen in den USA vielfach auch weiterhin von Übergriffen bedroht, weil es männlichen Aufsehern erlaubt blieb, weibliche Gefangene durch Abtasten zu durchsuchen und sie in ihren Zellen bei der Körperpflege oder dem Kleiderwechsel zu beobachten. Entgegen internationalen Standards war es zudem in den meisten Bundesstaaten gestattet, dass männliche Vollzugsbeamte unbeaufsichtigt Zutritt zu Frauengefängnissen erhalten.
Die Strafvollzugsbehörden des Bundes und von 23 Einzelstaaten liessen es zu, Frauen während der Arbeit anzuketten, eine Praxis, die amnesty international als unmenschlich und erniedrigend ablehnt und von der eine Gefahr für die Gesundheit Schwangerer oder deren ungeborener Kinder ausgehen könnte.

Gewaltlose politische Gefangene

Katherine Jashinski, eine Angehörige der Nationalgarde der US-Armee, musste einen Monat in Haft zubringen, nachdem sie im Mai zu 120 Tagen Freiheitsentzug verurteilt worden war, weil sie aus Gewissensgründen ihren Einsatz in Afghanistan verweigert hatte.

Kevin Benderman, ein Unteroffizier der US-Armee, kam im August aus dem Gefängnis frei, nachdem er zwölf Monate einer 15-monatigen Haftstrafe abgesessen hatte. Er war zu der Strafe verurteilt worden, weil er als überzeugter Gegner des Krieges im Irak seinem Einsatzbefehl dorthin nicht nachgekommen war.

Ende 2006 mussten noch mehrere andere Soldaten, die den Irakkrieg ablehnten und sich ihrer Stationierung im Irak widersetzten, mit strafrechtlichen Schritten rechnen.

Todesstrafe

Im Berichtszeitraum wurden in 14 US-Bundesstaaten insgesamt 53 Menschen hingerichtet. Damit erhöhte sich die Zahl der seit der Wiederaufnahme von Exekutionen im Jahr 1977 vollstreckten Todesurteile auf 1057. Die Hinrichtungsrate war 2006 so niedrig wie schon seit zehn Jahren nicht mehr, und auch die Zahl der verhängten Todesurteile deutete im Vergleich zur Situation Mitte der 1990er Jahre eine rückläufige Tendenz an. Gegen Hinrichtungen durch die Injektion tödlichen Giftes waren im Berichtszeitraum verfassungsrechtliche Klagen anhängig. Im Dezember wurde sowohl in Kalifornien als auch in Florida der Vollzug der Todesstrafe bis auf Weiteres ausgesetzt, nachdem es dort bei Hinrichtungen durch die Giftspritze zu schweren Pannen gekommen war. Im Jahr 2006 wurden erneut Menschen exekutiert, die unter erheblichen Störungen ihrer geistigen Gesundheit litten.

Am 17. Januar, einen Tag nach Erreichen seines 76. Geburtstages, starb in Kaliforniern Clarence Allen durch Injektion eines tödlichen Giftes. Er hatte 23 Jahre im Todestrakt verbracht, war an den Rollstuhl gefesselt und fast vollständig erblindet. Ausserdem litt er an Diabetes und einer Herzerkrankung. Im Jahr 2005 hatte Clarence Allen einen schweren Herzinfarkt nur knapp überlebt.
Im Bundesstaat Mississippi wurde am 18. Oktober Bobby Wilcher hingerichtet. Der Mann war mehr als zwei Jahrzehnte in einem für seine katastrophalen Zustände berüchtigten Todestrakt inhaftiert gewesen, in dem die Insassen so gut wie keine psychologische Betreuung erhielten, extrem isoliert untergebracht waren und ihre hygienischen Bedürfnisse grob vernachlässigt wurden. Bobby Wilcher galt als manisch-depressiv und psychisch schwer gestört, was sich unter anderem in mehreren Selbstmordversuchen widerspiegelte. Am 24. Mai beantragte er bei Gericht, alle ihm noch verbliebenen Rechtsmittel abzuweisen. Im Juli informierte Bobby Wilcher seinen Anwalt, dass er seine Meinung geändert habe, und unterzeichnete daraufhin zwei eidesstattliche Erklärungen, in denen er seinen Sinneswandel ausdrücklich kundtat. Alle Versuche, den vorherigen Rechtszustand des Gefangenen wiederherzustellen, scheiterten jedoch an den Gerichten.

Am 13. Dezember wurde in Florida nach mehr als 20 Jahren Haft im Todestrakt Angel Nieves Diaz per Giftspritze getötet, der stets seine Unschuld beteuert hatte. Die Hinrichtung fand ungeachtet der Tatsache statt, dass ein Hauptzeuge, der während des Prozesses für die Anklagebehörde aufgetreten war, seine Aussage mittlerweile widerrufen hatte. Der Tod von Angel Diaz trat erst nach 34 Minuten ein, nachdem ihm eine zweite Dosis an Giftsubstanzen injiziert worden war. Zeugen gaben an, der Gefangene habe während der Hinrichtung mit schmerzverzerrtem Gesicht verzweifelt nach Luft gerungen.

Andere menschenrechtsrelevante Entwicklungen

Im September sprach ein Bundesrichter Daniel Strauss und Shanti Sellz von der Anklage frei, sich mit der Beförderung illegaler Ausländer strafbar gemacht zu haben. Die beiden hatten versucht, drei verletzten und von der Hitze völlig erschöpften mexikanischen Migranten ohne Papiere aus der Wüste von Arizona herauszuhelfen, damit sie medizinisch versorgt werden konnten.

Ende des Berichtszeitraums waren im Kongress mehrere Gesetzesinitiativen anhängig, die eine restriktivere Einwanderungspolitik zum Ziel hatten. Einer der Gesetzentwürfe sah beispielsweise vor, die Möglichkeit, Menschen im Schnellverfahren des Landes zu verweisen, auszuweiten. Im Oktober stimmte der Kongress einem Antrag zu, der die Bereitstellung finanzieller Mittel für den Bau eines befestigten Grenzzauns zwischen Mexiko und den USA über eine Länge von rund einem Drittel des gemeinsamen Grenzverlaufs beinhaltete.
Im Berichtsjahr appellierte amnesty international an die US-Regierung, den Ehefrauen der in den USA zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilten kubanischen Staatsbürgern René González und Gerardo Hernández ein Einreisevisum zu erteilen, damit sie ihre Männer im Gefängnis besuchen können.

Uno-Menschenrechtsausschuss und Uno-Ausschuss gegen Folter

Der Uno-Ausschuss gegen Folter und der Uno-Menschenrechtsausschuss unterbreiteten der Regierung in Washington im Mai beziehungsweise Juli eine Reihe von Empfehlungen. Sie riefen unter anderem dazu auf, die Praxis geheimer Inhaftierungen und des «Verschwindenlassens» von Menschen zu beenden und das Gefangenenlanger Guantánamo zu schliessen. Das Antifolter-Komitee forderte von der US-Administration darüber hinaus, grausame Verhörmethoden zu unterbinden sowie Vorwürfe über Folterungen oder Misshandlungen gründlich und umfassend zu untersuchen und dabei die Frage der Verantwortung ranghoher Regierungsvertreter nicht auszusparen.

Auch innenpolitisch sahen beide Ausschüsse Handlungsbedarf in den USA. Sie verlangten, den Einsatz von Elektroschockwaffen strikt zu reglementieren, die Haftbedingungen in den Hochsicherheitsgefängnissen zu überprüfen, um grausame Behandlung von Insassen auszuschliessen, und Massnahmen zu ergreifen, die es verhindern, dass weibliche Gefangene Opfer sexuellen Missbrauchs werden. Eine weitere Forderung galt der Beendigung der Praxis, inhaftierte schwangere Frauen anzuketten. Der Uno-Menschenrechtsausschuss rief ferner dazu auf, ein Hinrichtungsmoratorium in Kraft zu setzen und die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafen gegen Minderjährige ohne die Möglichkeit ihrer vorzeitigen Haftentlassung zu verbieten. Der Ausschuss bemängelte, dass im Zusammenhang mit Hurrikan Katrina im August 2005 arme Bevölkerungsgruppen, insbesondere Afroamerikaner, bei den Rettungs- und Evakuierungseinsätzen benachteiligt worden seien und auch die Wiederaufbaupläne ihren Bedürfnissen nicht hinreichend Rechnung trügen. An die Regierung wurde eindringlich appelliert sicherzustellen, dass die Rechte aller Hurrikangeschädigten auf Wohnraum, Bildung und Gesundheitsfürsorge ohne Ansehen der Person respektiert werden.