Am 18. Oktober 2012 um 15:30 Uhr Ortszeit hat das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten entschieden, die Hinrichtung von Anthony Haynes aufzuschieben und seinen Fall noch einmal zu überprüfen. Dies ist bereits der sechste Strafaufschub in diesem Jahr für einen zum Tode Verurteilten im Bundesstaat Texas.
Mehr Informationen über Anthony Haynes
Anthony Haynes wurde 1999 für schuldig befunden, am 22. Mail 1998 in Houston den Polizisten Kent Kincaid erschossen zu haben. Um ein Todesurteil zu erwirken, musste die Anklagebehörde die Geschworenen überzeugen, dass Anthony Haynes weiterhin eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen würde, auch wenn er im Gefängnis wäre. Obwohl der Angeklagte keine Vorstrafen hatte, auf die die Staatsanwaltschaft hinweisen konnte, erhielt sie in ihrer Argumentation Unterstützung, weil die Verteidigung keine der vorliegenden strafmildernden Umstände vorbrachte.
Zahlreiche Personen haben seit dem Gerichtsverfahren angegeben, sie hätten im Prozess aussagen wollen, seien aber nie von der Verteidigung kontaktiert worden. Im Todestrakt zeigt sich Anthony Haynes vorliegenden Informationen zufolge als vorbildlicher Häftling und hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass er die Tat zutiefst bereut.
Da der vom Gericht benannte Pflichtverteidiger in den Berufungsverfahren auf Bundesstaatenebene verschiedene Faktoren im Prozess nicht angesprochen hat – darunter die Vorwürfe über die mangelhafte Verteidigung des Angeklagten im Gerichtsverfahren – konnten diese Faktoren nicht mehr in den Berufungsverfahren auf Bundesebene zur Sprache gebracht werden.
Vorwürfe der Rassendiskriminierung
Anthony Haynes ist schwarz. Kent Kincaid war weiss. Der Jury im Gerichtsverfahren von 1999 gehörte lediglich ein afro-amerikanischer Geschworener an, nachdem die Anklagebehörde während der Jury-Auswahl die Möglichkeit genutzt hatte, ohne Begründung Geschworene abzulehnen («peremptory strikes») und vier der potentiellen sechs afro-amerikanischen Geschworenen abgelehnt hatte. Im Jahr 2009 hat das Bundesberufungsgericht für den fünften Bezirk entschieden, dass Anthony Haynes ein neues Verfahren erhalten könnte. Das Oberste US-Gericht hob diese Entscheidung jedoch auf und verwies den Fall zurück an das Bundesberufungsgericht. Diesmal bestätigte das Gericht das Todesurteil, obwohl es erklärte, dass die «Indizienhinweise auf eine vorsätzliche rassistische Diskriminierung in diesem Fall» einen «gewissen Überzeugungswert» haben.
Richter reinigte Waffe
Das Gericht befasste sich auch mit der Tatsache, dass der Richter bei der Befragung der potentiellen Geschworenen mit der Reinigung von zwei Waffen beschäftigt war. Das Gericht erklärte zwar, dass ein solches Verhalten «nicht löblich» sei, lehnte aber den Antrag ab, die Entscheidung des Richters aufgrund seines Verhaltens aufzuheben.