Bradley Manning-Prozess Keine Beweise für «Unterstützung des Feindes»

12. Juli 2013
Die US-Regierung sollte die schwersten Vorwürfe gegen Bradley Manning umgehend fallen lassen, fordert Amnesty International nach Abschluss der Beweisaufnahme im Prozess gegen den Wikileaks-Informanten.

Bradley Manning Bradley Manning, Soldat und Whistleblower © Daniel Joseph Barnhart Clark

Der gegen Bradley Manning erhobene Vorwurf der «Unterstützung des Feindes» entbehrt jeder Grundlage: Zu diesem Schluss kommt Amnesty International nach Einsicht in die Beweismittel beider Seiten. «Die US-Regierung muss diesen Anklagepunkt fallen lassen», fordert Widney Brown, Leiterin der Abteilung für Internationales Recht und politische Strategien im internationalen Sekretariat von Amnesty International in London.

Auch Mannings Rechtsbeistände haben die Richterin in einer am Wochenende eingereichten Antragsschrift aufgefordert, diesen und andere Punkte der Anklage fallen zu lassen.

«Die Staatsanwaltschaft sollte jetzt einen gründlichen Blick auf ihre Anklageschrift werfen und alle weiteren Punkte fallen lassen, die sich aufgrund des vorgelegten Beweismaterials nicht erhärten lassen.»

Vergangene Woche zog die Staatsanwaltschaft bereits den Anklagepunkt zurück, Manning habe geheime Unterlagen an einen «Staatsfeind» weitergegeben.

Um den Anklagepunkt, Manning habe «den Feind unterstützt», aufrechtzuerhalten, muss die US-Regierung nachweisen, dass Manning Geheiminformationen an einen Feind weitergegeben hat, mit denen den USA geschadet werden könnten, und dass er dies wissentlich und mit einem «allgemein böswilligen Vorsatz» getan hat, wie die Vorsitzende Richterin Denise Lind sich ausdrückte.

Der Staatsanwaltschaft ist es während des ganzen Verfahrens nicht gelungen, diesen Anklagepunkt zu erhärten. Ihre Zeuginnen und Zeugen sagten wiederholt vor Gericht aus, dass es für sie keinerlei Hinweise darauf gegeben habe, dass Manning mit Al-Kaida oder anderen Terrorgruppen sympathisierte, dass er sich zu keiner Zeit illoyal gegenüber seinem Land geäussert habe, und dass sie keine Hinweise darauf hätten, wonach er Verbindungen zu einer anderen als der eigenen Regierung gehabt habe. Auch hätten sie keinen Grund zur Annahme, dass er jemals Geld für die von ihm enthüllten Informationen erhalten habe.

Hingegen sagten Zeuginnen und Zeugen der Regierung beispielsweise aus, dass Manning in der Schwulenszene aktiv sei und politisch «äusserst demokratische Überzeugungen» habe.

«Dass die US-Regierung ihm 'Unterstützung des Feindes' vorwirft, ist abwegig, überrascht aber nicht», meint Widney Brown. «Überraschend ist hingegen, dass die Staatsanwaltschaft, die verpflichtet ist, im Interesse der Gerechtigkeit zu handeln, die These unterstützt hat, es könne einer 'Unterstützung des Feindes' gleichkommen, wenn Informationen ins Internet gestellt werden - ob bei Wikileaks, in einem persönlichen Blogbeitrag oder auf der Website der New York Times.»

Tatsächlich wirkte es manchmal so, als stellte die Staatsanwaltschaft nicht Manning, sondern Wikileaks vor Gericht. Verschwörung mit Wikileaks oder einem anderen Akteur zählt nicht zu den gegen Manning erhobenen Anklagepunkten, daher erschliesst sich nicht, welche Relevanz dieser Aspekt der Anklageschrift besitzt.

Auch bei minderschweren Anklagepunkten fiel der US-Regierung die Beweislegung nicht leicht. Manning wird unter anderem der Einsatz nicht autorisierter Software und andere mutmassliche Verstösse gegen ähnliche Vorschriften vorgeworfen. Doch ein Geheimdienstmitarbeiter und Zeuge der Anklage gab vor Gericht an, dass mindestens eines der Programme, das Manning angeblich rechtswidrig auf seinem Computer installiert haben soll, von allen Geheimdienstmitarbeitenden in Mannings Team verwendet wurde. Vor Gericht wurde zudem gesagt, dass die Nutzung weiterer von Manning eingesetzter Software nicht ausdrücklich durch die Befehlshabenden untersagt worden war.