Der Bericht 'Will I be next?' US drone strikes in Pakistan dokumentiert die tödlichen Drohnenangriffe der USA in den nordwestlichen Stammesgebieten Pakistans und die weitgehende Intransparenz, die das US-Drohnenprogramm umgibt. Neun der insgesamt 45 Drohnenangriffe in Nordwaziristan zwischen Januar 2012 und August 2013 wurden dabei detailliert und umfassend aufgearbeitet. Der Bericht beruht auf rund 60 Interviews mit Betroffenen, Angehörigen von Ermordeten, Augenzeugen, Bewohnerinnen, Angehörigen bewaffneter Gruppen und pakistanischen Regierungsbeamten.
«Mit der strikten Geheimhaltung rund um ihr Drohnenprogramm gibt sich die USA eine Lizenz zum Töten ausserhalb des Einflussbereichs von Gerichten und jenseits grundlegender Menschenrechtsstandards», kritisiert Mustafa Qadri, Pakistan-Experte von Amnesty International. «Die USA müssen ihr Drohnenprogramm endlich ins Reine bringen und die Verantwortlichen für solche Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft ziehen.»
Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken
Die Zivilbevölkerung in der schwer zugänglichen Unruheregion Nordwaziristan lebt mittlerweile in ständiger Angst vor tödlichen Drohnenangriffen. Das belegen zwei besonders schockierende Beispiele, die in dem Bericht detailreich dokumentiert werden:
- Im Oktober 2012 wurde die 68-jährige Grossmutter Mamana Bibi vor den Augen ihrer Enkelkinder von einer Bombe getötet. Sie war gerade dabei, auf dem Feld Gemüse für das Abendessen zu ernten. Mehrere der Kinder wurden bei dem Angriff ebenfalls verletzt.
- Im Juli 2012 töteten US-Drohnen mit einem Bombenangriff auf ein verarmtes Dorf an der Grenze zu Afghanistan 18 Arbeiter, darunter einen 14jährigen Jungen. Die Männer hatten sich gerade nach einem langen Arbeitstag zum Abendessen zusammengesetzt.
Während die offizielle Lesart die Getöteten als «Terroristen» bezeichnet, zeigen die Untersuchungen von Amnesty International auf, dass die Opfer dieser Angriffe an keinen Kampfhandlungen beteiligt waren und für niemanden eine Bedrohung darstellten.
Amnesty dokumentiert auch Fälle von sogenannten «Angriffen auf Retter», einer besonders perfiden Praxis, in der einem ersten Drohnenangriff kurz darauf ein nächster folgt, der dann diejenigen trifft, die den Verletzten zu Hilfe kommen wollten.
Die USA und Pakistan in der Verantwortung
Präsident Obama hatte im Mai 2013 angekündigt, für das Drohnenprogramm klarere Regeln und mehr Transparenz zu schaffen. Das geltende Recht sollte eingehalten, Fehler eingestanden werden. Bis heute sind diese Ankündigungen leere Versprechen: Die USA setzen die Praxis der geheimen Angriffe fort und brechen dabei regelmässig Völkerrecht.
Amnesty International fordert die USA dringend auf, diesen Versprechen endlich Taten folgen zu lassen und Vorfälle wie die im Bericht dokumentierten rasch, sorgfältig, unabhängig und unparteilich zu untersuchen, um die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.
Die pakistanischen Behörden fordert die Organisation auf, den Opfern von solchen Angriffen Zugang zu Recht und zu Entschädigungen zu verschaffen. Die pakistanischen Behörden müssen aber auch alle anderen Akteure, die sich rechtswidriger Tötungen und anderer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben, vor Gericht bringen und in fairen Verfahren verurteilen. Dazu gehören Angehörige der pakistanischen Streitkräfte ebenso wie die Taliban oder die Al Kaida.
Gefordert ist aber auch die internationale Gemeinschaft: Sie darf rechtswidrige Tötungen und andere Menschenrechtsverletzungen durch Drohnen nicht einfach hinnehmen, sondern muss von den USA und anderen Staaten Rechenschaft fordern. Auch sollen Staaten in keiner Weise rechtswidrige Drohnenangriffe unterstützen, auch nicht durch nachrichtendienstliche Tätigkeiten oder Einrichtungen.
Medienmitteilung veröffentlicht: Washington / Bern, 22. Oktober 2013
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