Auch zwei Jahre nachdem ein Ausschuss des US-Senats die Zusammenfassung eines Berichts über Misshandlungen im Rahmen des geheimen Inhaftierungsprogramms der CIA veröffentlicht hatte, war noch niemand für die in diesem Zusammenhang begangenen völkerrechtlichen Verbrechen zur Rechenschaft gezogen worden. Erneut wurden mehrere Häftlinge aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo Bay auf Kuba verlegt, doch andere blieben dort weiter für unbestimmte Zeit inhaftiert, und in einigen wenigen Fällen wurden die Ermittlungsverfahren vor der Militärkommission fortgesetzt. Anlass zur Besorgnis gaben nach wie vor die Behandlung von Flüchtlingen und Migranten, die Anwendung von Isolationshaft in Bundesgefängnissen und Haftanstalten der US-Bundesstaaten und die Anwendung exzessiver Gewalt durch Polizisten. Im Jahr 2016 wurden 20 Todesurteile vollstreckt. Im November wurde Donald Trump zum Präsidenten gewählt, seine Vereidigung wurde auf den 20. Januar 2017 festgesetzt.
Internationale Kontrolle
Im August 2016 äusserte sich der UN-Menschenrechtsausschuss besorgt darüber, dass die US-Regierung ihrer Verpflichtung zur Untersuchung der im Zusammenhang mit den Antiterrormassnahmen erhobenen Foltervorwürfe nicht nachgekommen war. Der Ausschuss nahm zur Kenntnis, dass keine weiteren Informationen zum Bericht des Geheimdienstausschusses des US-Senats (Senate Select Committee on Intelligence - SSCI) über das geheime Inhaftierungsprogramm der CIA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 vorgelegt wurden. Der vollständige, 6963 Seiten umfassende Bericht unterlag weiterhin der Geheimhaltung und wurde vom SSCI noch nicht veröffentlicht.
Am 16. August nahm der UN-Ausschuss zur Kenntnis, dass die US-Regierung keine weiteren Informationen zu den Berichten vorgelegt hatte, denen zufolge die Häftlinge in Guantánamo nicht die Möglichkeit erhielten, wegen ihrer Folterung und anderer Menschenrechtsverletzungen im Gewahrsam der US-Behörden Klage einzureichen.
Straflosigkeit
Es wurden keine Massnahmen ergriffen, um die Straflosigkeit bei systematischen Menschenrechtsverletzungen wie Folter und Verschwindenlassen im Rahmen des geheimen CIA-Inhaftierungsprogramms zu beenden.
Im Mai 2016 entschied das zuständige Bundesberufungsgericht (US Court of Appeals for the District of Columbia Ciruit - D.C. Circuit), der SSCI-Bericht zum geheimen Inhaftierungsprogramm sei Teil der «Kongress-Unterlagen» und falle nicht unter die Verpflichtung zur Offenlegung gemäss dem Informationsfreiheitsgesetz. Im November 2016 wurde der Oberste Gerichtshof der USA in einer Petition aufgefordert, die Gerichtsentscheidung zu überprüfen. In einem separaten Verfahren ordnete der Richter eines Bezirksgerichts im District of Columbia an, die US-Regierung solle den SSCI-Bericht aufbewahren und eine gedruckte Ausgabe oder eine elektronische Kopie als Sicherheitskopie bei Gericht hinterlegen. Ende des Jahres stand noch nicht fest, ob die Regierung Rechtsmittel gegen diese Anordnung einlegen würde.
Am 12. August 2016 wies dasselbe Berufungsgericht eine Schadensersatzklage des afghanischen Staatsbürgers Mohamed Jawad ab, der von 2002 bis 2009 in US-Militärgewahrsam gehalten und dort gefoltert und misshandelt worden war. Zum Zeitpunkt seiner Festsetzung in Afghanistan, von wo aus er nach Guantánamo verbracht wurde, war er noch minderjährig gewesen. Damit wurde die vorinstanzliche Entscheidung bestätigt, der zufolge die US-Bundesgerichte gemäss Absatz 7 des Gesetzes zur Einführung der Militärkommissionen von 2006 (Military Commissions Act - MCA) hier keine Zuständigkeit besitzen.
Im Oktober 2016 kassierte das zuständige Bundesberufungsgericht (US Court of Appeals for the Fourth Circuit) die Abweisung einer Klage mehrerer irakischer Staatsangehöriger, die angaben, zwischen 2003 und 2004 im irakischen Gefangenenlager Abu Ghraib von Angestellten der privaten Sicherheitsfirma CACI Premier Technology, Inc. gefoltert worden zu sein. Das Berufungsgericht befand, dass durch externes Verhörpersonal ausgeführte vorsätzliche Handlungen, die zum Zeitpunkt ihrer Durchführung rechtswidrig waren, gerichtlicher Prüfung nicht entzogen werden dürfen.
Antiterrormassnahmen und Sicherheit
Fast acht Jahre nachdem Präsident Obama versprochen hatte, das Gefangenenlager Guantánamo bis Januar 2010 zu schliessen, sassen dort noch immer 59 Männer ein, die meisten von ihnen ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Im Jahr 2016 wurden 48 Gefangene an die Behörden von Bosnien und Herzegowina, Kap Verde, Ghana, Italien, Kuwait, Mauretanien, Montenegro, Oman, Saudi-Arabien, Senegal und Serbien sowie der Vereinigten Arabischen Emirate überstellt.
Im August 2016 stellte der UN-Ausschuss gegen Folter fest, dass seine Empfehlung zur Beendigung der unbefristeten Inhaftierung ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren, die eine Verletzung des UN-Übereinkommens gegen Folter darstellt, nicht umgesetzt worden war.
Im Fall der Häftlinge Khalid Sheikh Mohammed, Walid bin Attash, Ramzi bin al-Shibh, Ammar al Baluchi und Mustafa al Hawsawi, denen die Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September 2001 zur Last gelegt wird, liefen noch immer die Vorverhandlungen vor einer Militärkommission. Die fünf Männer waren 2012 auf der Grundlage des Gesetzes über Militärkommissionen von 2009 wegen Mordes angeklagt worden. Vor ihrer Verlegung nach Guantánamo im Jahr 2006 hatten sie bis zu vier Jahre ohne Kontakt zur Aussenwelt in geheimen US-Gefängnissen eingesessen. Ihre Gerichtsverfahren hatten Ende 2016 noch nicht begonnen.
Auch gegen Abd al-Rahim al-Nashiri wurden die Vorverhandlungen vor einer Militärkommission fortgesetzt. Er war 2011 im Zusammenhang mit dem versuchten Anschlag auf den Zerstörer USS The Sullivans im Jahr 2000, dem Anschlag auf die USS Cole im selben Jahr und auf den französischen Öltanker Limburg im Jahr 2002 (alle im Golf von Aden) wegen Mordes unter Anklage gestellt worden. Vor seiner Überstellung nach Guantánamo im Jahr 2006 hatte er fast vier Jahre in geheimer CIA-Haft zugebracht. Im August 2016 befand das zuständige Bundesberufungsgericht zu seinem Vorbringen, die ihm zur Last gelegten Straftaten fielen nicht in die Zuständigkeit der Militärkommission, weil die Taten nicht im Kontext von Kampfhandlungen oder im Zusammenhang damit erfolgt seien, über sein Begehren könne erst nach einem rechtskräftigen Urteil entschieden werden, auch wenn sich dies möglicherweise noch ein Jahrzehnt hinziehen werde.
Omar Khadr hatte sich 2010 vor einer Militärkommission verschiedener Anklagepunkte gemäss dem MCA für schuldig bekannt. Sie bezogen sich auf Taten, die er 2002 als 15-Jähriger in Afghanistan begangen haben soll; 2012 war er in sein Herkunftsland Kanada verlegt worden. 2016 ersuchte er um Ablösung eines der Vorsitzenden Richter des US-Militärberufungsgerichts (Court of Military Commission Review - CMCR) wegen Befangenheit. Das zuständige Berufungsgericht wies das Rechtsmittel zurück, auch hier mit der Begründung, das Begehren sei erst zu verhandeln, wenn ein Urteil über das letztinstanzliche Rechtsmittel ergangen sei.
Die Entscheidung über Omar Khadrs Rechtsmittel vor dem CMCR gegen seine Verurteilung (u. a. mit der Begründung, er habe sich Straftaten schuldig bekannt, die keine vor einer Militärkommission zu verhandelnden Kriegsverbrechen darstellen) wurde 2016 bis zur Entscheidung des zuständigen Berufungsgerichts über den jemenitischen Guantánamo-Häftling Ali Hamza Suliman al Bahlul ausgesetzt. Dieser sitzt eine auf der Grundlage des MCA im Jahr 2008 verhängte lebenslange Haftstrafe ab. 2015 hatte eine mit drei Richtern besetzte Kammer des Berufungsgerichts die Verurteilung von Ali Hamza Suliman al Bahlul wegen der Planung von Kriegsverbrechen mit der Begründung aufgehoben, dieser Anklagepunkt sei im internationalen Recht nicht anerkannt und nicht vor einem Militärgericht zu verhandeln.
Die Regierung setzte sich mit Erfolg für eine Neuverhandlung vor der vollen Kammer des Gerichts ein. Diese erhielt im Oktober 2016 die Verurteilung wegen Planung einer Straftat per Mehrheitsentscheidung aufrecht, allerdings mit fünf unterschiedlichen Begründungen und ohne Beantwortung der zugrundeliegenden Fragestellung. Zwei Richterinnen und ein Richter des neunköpfigen Richtergremiums gaben abweichende Stellungnahmen ab mit dem Tenor, der US-Kongress sei nicht befugt, die Planung einer Straftat als eine vor der Militärkommission zu verhandelnde Straftat zu definieren, denn auch wenn sich die Justiz der Politik in Sachen nationale Sicherheit und Verteidigung in gewissem Masse zu fügen habe, so doch keinesfalls vollumfänglich. Ein Richter und eine Richterin erklärten unabhängig voneinander, die zugrundeliegende Frage sei mit Blick auf den singulären Fall des Ali Hamza Suliman al Bahlul aus verfahrenstechnischen Gründen nicht zu beantworten.
Exzessive Gewaltanwendung
Auch 2016 ermittelten die Behörden nicht die genaue Zahl der Menschen, die jedes Jahr von Polizisten getötet werden - von den Medien wurden fast 1000 Fälle dokumentiert. Das US-Justizministerium kündigte Pläne an, auf Grundlage des Gesetzes über die Dokumentation von Todesfällen in Gewahrsam vom Jahr 2017 an eine Datenbank zur Erfassung solcher Fälle aufzubauen. Allerdings ist die Übermittlung solcher Informationen für die örtlichen Polizeidienststellen nicht verpflichtend, so dass die erhobenen Daten wohl nicht vollständig sein werden. Laut der vorliegenden begrenzten Daten waren unter den Opfern der Polizeigewalt unverhältnismässig viele schwarze Männer.
2016 starben in 17 US-Bundesstaaten mindestens 21 Menschen nach Polizeieinsätzen mit Elektroschockwaffen. Damit stieg die Zahl der seit 2001 durch sogenannte Taser getöteten Personen auf mindestens 700. Die meisten Opfer waren unbewaffnet und schienen zum Zeitpunkt des Einsatzes von Elektroschockwaffen keine ernste oder gar tödliche Bedrohung dargestellt zu haben.
Recht auf Versammlungsfreiheit
Im Juli 2016 sorgte der gewaltsame Tod von Philandro Castile in Falcon Heights (Minnesota) und von Alton Sterling in Baton Rouge (Louisiana) für landesweite Proteste gegen die Polizei. Auch in Tulsa (Oklahoma) und Charlotte (North Carolina) gingen Menschen auf die Strasse. Der Einsatz von schwerer Schutzmontur und militärspezifischen Waffen gegen die Protestierenden gab Anlass zu der Befürchtung, dass das Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt wurde.
Auch gegen die Proteste in und um Standing Rock (North Dakota) gegen eine geplante Rohöl-Pipeline setzten die örtlichen und bundesstaatlichen Polizeikräfte schweres Gerät ein. Die Zufahrtswege zu den Protestveranstaltungen wurden mit Strassensperren blockiert, und Sturmgewehre, Pfefferspray, Gummigeschosse und Elektroschockwaffen kamen gegen die Demonstrierenden zum Einsatz. Im Herbst 2016 wurden mehr als 400 Personen festgenommen, zumeist wegen unbefugten Betretens von Privatgelände und gewaltlosen Widerstands. Auch Reporter und Aktivisten wurden wegen geringfügiger Delikte wie unbefugten Betretens von Privatgelände belangt.
Waffengewalt
2016 scheiterte ein Vorstoss des US-Kongresses, den Verkauf von Sturmgewehren zu verbieten und Waffenkäufer gründlich zu überprüfen. Dem Zentrum für Krankheitskontrolle und -verhütung (Center for Disease Control and Prevention) verweigerte der Kongress erneut die finanzielle Unterstützung für die Durchführung von Studien zu den Gründen für den Einsatz von Waffengewalt und für Präventionsmassnahmen.
Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen
Im Jahr 2016 wurden mehr als 42000 unbegleitete Minderjährige und 56000 Einzelpersonen (auch in Familieneinheiten) beim Versuch der Einreise über die Südgrenze der USA aufgegriffen. Familien wurden monatelang, manchmal über ein Jahr lang, festgesetzt, während sie ihren Anspruch auf Verbleib in den USA geltend machten. Viele von ihnen mussten in Einrichtungen ohne hinreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung und zu rechtlichem Beistand leben. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge nannte die Situation im «nördlichen Dreieck Mittelamerikas» (El Salvador, Honduras und Guatemala) eine humanitäre und schutzpolitische Krise.
Bis Ende 2016 hatten die US-Behörden mehr als 12000 syrische Flüchtlinge aufgenommen und kündigten an, die jährliche Aufnahme von bis dato 70000 Flüchtlingen auf 85000 für das Fiskaljahr 2016 und auf 100000 für 2017 zu erhöhen. In einigen Bundesstaaten wurden Gesetzentwürfe eingebracht, die darauf abzielten, rechtmässig zugelassene Flüchtlinge am Verbleib im jeweiligen Bundesstaat zu hindern. Im September 2016 erklärte die Regierung von Texas ihren Ausstieg aus dem nationalen Resettlement-Programm unter Verweis auf Sicherheitsbedenken, obwohl die Flüchtlinge vor der Einreise in die USA ein umfangreiches Überprüfungsverfahren durchlaufen mussten. Auch Kansas und New Jersey beendeten ihre Teilnahme an diesem Programm.
Frauenrechte
Nach wie vor war das Risiko der Vergewaltigung oder eines sexuellen Übergriffs für indigene Frauen zweieinhalbmal so hoch wie das der übrigen weiblichen US-Bevölkerung. Auch der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung nach einer Vergewaltigung (einschliesslich medizinischer Untersuchungen und Materialien zur Sicherstellung forensischer Beweismittel) war noch immer sehr ungleich verteilt.
Bei der medizinischen Betreuung von Schwangeren und Müttern und bei der Versorgung in anderen Bereichen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit gab es auch 2016 grosse Unterschiede. Die Müttersterblichkeit war in den vergangenen sechs Jahren angestiegen. Für afro-amerikanische Frauen war das Risiko, an Schwangerschaftskomplikationen zu sterben, nach wie vor fast viermal so hoch wie für weisse US-Amerikanerinnen.
Die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung wegen Drogenkonsums hielt auch 2016 viele Frauen aus marginalisierten Gruppen davon ab, medizinische Versorgungsleistungen einschliesslich Schwangerschaftsvorsorge in Anspruch zu nehmen. Eine politische Kampagne im Bundesstaat Tennessee im Juli 2016 verhinderte, dass das Fetal Assault Law (2014), das die strafrechtliche Verfolgung von drogenabhängigen Schwangeren wegen «Angriffs auf den Fötus» ermöglichte, dauerhaft in Kraft trat.
Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen
Die rechtliche Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen wurde auf bundesstaatlicher wie auch nationaler Ebene fortgesetzt. Es gab keinen flächendeckenden Rechtsschutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz, auf dem Wohnungsmarkt oder im Gesundheitswesen aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität. Zwar erliessen einige Bundesstaaten und manche Städte Antidiskriminierungsbestimmungen, die u. a. dem Schutz von Personen vor Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität dienten, doch im weitaus grösseren Teil der USA gab es für diese Personengruppe keinen rechtlichen Schutz. Konversionstherapien, die der UN-Ausschuss gegen Folter als Folter kritisierte, blieben weiterhin flächendeckend als medizinisches Angebot zugelassen. Vor allem transgeschlechtliche Personen wurden weiter ausgegrenzt. Die Mordraten an Trans-Frauen waren hoch, und diskriminierende Gesetze unterminierten in einigen Bundesstaaten die Rechte dieser Personengruppe.
Dies galt z. B. für North Carolina, wo die Bathroom Bill alle Menschen dazu verpflichtet, nur diejenigen öffentlichen Toiletten zu benutzen, die dem Geschlechtsvermerk in der Geburtsurkunde entsprechen.
Haftbedingungen
2016 befanden sich in den US-Bundesgefängnissen und den Haftanstalten der Bundesstaaten mehr als 80'000 Gefangene in Isolationshaft. Im Januar 2016 gab das Justizministerium neue Leitlinien und Politikempfehlungen heraus, die die Verhängung von Isolationshaft in Bundesgefängnissen beschränken sollten. Insbesondere wurde empfohlen, Gefangene einer möglichst wenig restriktiven Umgebung auszusetzen, Gefangene mit einer schweren psychischen Krankheit aus der Isolationshaft zu entlassen und die Isolationshaft für Jugendliche drastisch zu reduzieren.
Todesstrafe
2016 wurden in fünf US-Bundesstaaten insgesamt 20 Männer hingerichtet. Dies war die niedrigste Anzahl von Hinrichtungen seit 1991. Die Gesamtzahl der seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen im Jahr 1976 vollstreckten Todesurteile stieg damit auf 1442. Im Berichtsjahr wurden etwa 30 neue Todesurteile verhängt. Ende 2016 gab es in den USA ca. 2900 zum Tode verurteilte Personen.
In Texas wurden zum ersten Mal seit 1996 weniger als zehn Hinrichtungen vollzogen. In Oklahoma wurde zum ersten Mal seit 1994 niemand hingerichtet. Auf diese beiden Bundesstaaten entfallen 45 Prozent der in den USA im Zeitraum 1976-2016 vollstreckten Todesurteile.
Im November 2016 wurde in drei Bundesstaaten parallel zu den Präsidentschaftswahlen auch über die Todesstrafe entschieden. In Oklahoma stimmten die Wähler dafür, in der Verfassung des Bundesstaates festzuschreiben, dass bundesstaatliche Gerichte die Todesstrafe nicht als «grausame und ungewöhnliche» Strafe bezeichnen dürfen. In Kalifornien, wo mehr Menschen in Todeszellen sitzen als in jedem anderen Bundesstaat, sprachen sich die Stimmberechtigten gegen die Abschaffung der Todesstrafe aus. In Nebraska wurde für eine Initiative zur Wiedereinführung der erst 2015 abgeschafften Todesstrafe gestimmt.
In den Bundesstaaten Pennsylvania, Washington und Oregon war während des gesamten Jahres ein Hinrichtungsmoratorium in Kraft.
In Florida, wo in den vergangenen Jahren ein Anstieg der Zahl der Hinrichtungen zu verzeichnen war, wurde ab Mitte Januar 2016 kein weiteres Todesurteil vollstreckt, nachdem der Oberste Gerichtshof der USA im Verfahren Hurst gegen Florida die gesetzlichen Bestimmungen für die Verhängung von Todesurteilen für verfassungswidrig erklärt hatte, da die Geschworenen dort lediglich eine beratende Funktion ausübten. Ein neues Todesstrafengesetz wurde verabschiedet, im Oktober aber vom Obersten Gericht des Bundesstaates für verfassungswidrig erklärt, weil bei der Verhängung der Todesstrafe keine einstimmige Entscheidung der Geschworenen verlangt wurde. Im Dezember 2016 entschied das Oberste Gericht Floridas, das Urteil Hurst gegen Florida werde auf diejenigen Gefangenen - knapp über 200 der insgesamt 400 - angewandt, deren Todesurteile nach dem zwingend vorgeschriebenen Rechtsmittelverfahren bis 2002 noch nicht rechtskräftig waren. Diese Gefangenen hätten dann das Recht auf eine neue gerichtliche Anhörung zur Festsetzung des Strafmasses.
Im Nachgang zum Urteil im Verfahren Hurst gegen Florida erklärte das Oberste Gericht von Delaware im August 2016 das Todesstrafengesetz des Bundesstaates für verfassungswidrig, weil die Entscheidung darüber, ob alle Voraussetzungen für die Verhängung der Todesstrafe vorlagen, allein den Richtern überlassen wurde. Der Justizminister von Delaware erklärte, er werde die Entscheidung nicht anfechten.
Auch 2016 hatten einzelne Bundesstaaten Probleme mit der Verabreichung der Giftspritze und dem Erwerb des erforderlichen Medikamentencocktails. Louisiana wird im gesamten Jahr 2017 keine Todesurteile vollstrecken, weil der vor einem US-Bundesgericht geführte Rechtsstreit um die Art und Weise der Verabreichung der Giftspritze noch nicht beigelegt ist. Auch der Bundesstaat Ohio hatte weiterhin Probleme mit der Beschaffung der tödlichen Medikamente für die Injektionen, weshalb im zweiten Jahr in Folge keine Hinrichtungen stattfanden. Im März votierte das Oberste Gericht von Ohio mit vier gegen drei Stimmen zum zweiten Mal dafür, die Hinrichtung von Romell Broom anzusetzen. Der erste Versuch war 2009 abgebrochen worden, nachdem das medizinische Personal zwei Stunden lang keine geeignete Vene gefunden hatte. Ein Datum für Romell Brooms Hinrichtung stand Ende 2016 noch nicht fest.
Im Jahr 2016 intervenierte der Oberste Gerichtshof der USA in einer Reihe von Todesstrafenfällen. Im März ordnete er für den 2002 in Louisiana zum Tode verurteilten Michael Wearry ein neues Verfahren an mit der Begründung, dass dessen Recht auf ein faires Gerichtsverfahren durch Fehlverhalten der Staatsanwaltschaft, darunter die Vorenthaltung entlastender Beweise, verletzt worden sei. Im Mai hob der Gerichtshof das Todesurteil gegen den in Georgia einsitzenden Timothy Foster auf. Die Staatsanwaltschaft hatte bei der Auswahl der Geschworenen alle Kandidaten mit schwarzer Hautfarbe ausgeschlossen, und der Afroamerikaner war von einer komplett weissen Jury zum Tode verurteilt worden.
Im August 2016 stimmte die Vereinigung der US-Parlamentarier hispanischer Herkunft (National Hispanic Caucus of State Legislators) «mit überwältigender Mehrheit» für eine Resolution zur Abschaffung der Todesstrafe in den gesamten USA. Als Begründung wurden rassistisch motivierte Vorurteile, Ineffizienz, hohe Kosten und die Gefahr einer Fehlentscheidung angeführt.
Im April 2016 wurde im Bundesstaat Louisiana der Afroamerikaner Gary Tyler nach 41-jähriger Haft in einer Todeszelle entlassen. Er war im Jahr 1975 zum Tode verurteilt worden, weil er im Verlauf von Unruhen nach der Einführung ethnisch gemischter Schulen einen 13-jährigen weissen Schüler erschossen haben soll. Der zum Tatzeitpunkt 16-jährige Tyler wurde von einer rein weissen Jury zum Tode verurteilt. Die Strafe wurde später in lebenslange Haft umgewandelt, nachdem der Oberste Gerichtshof der USA im Jahr 1976 das Todesstrafengesetz des Bundesstaates, das bei Mord obligatorisch die Todesstrafe vorsah, für verfassungswidrig erklärt hatte.
Auch die Verurteilung zu lebenslanger Haft wurde aufgehoben, nachdem der Oberste Gerichtshof im Jahr 2012 lebenslange Haftstrafen für zum Tatzeitpunkt Minderjährige ohne die Möglichkeit der Bewährung für verfassungswidrig erklärt hatte. Daraufhin verzichtete die Staatsanwaltschaft auf die Verurteilung wegen Mordes, und Tyler musste sich im Gegenzug des Totschlags schuldig bekennen, wofür er dann zu 21 Jahren Haft verurteilt wurde – weniger als die Hälfte der Zeit, die er bereits verbüsst hatte.