«Während sich mehrere US-Bundesstaaten in den letzten Jahren für ihre Abschaffung entschieden haben, bleibt Florida ein hartnäckiger Verfechter der Todesstrafe und ist mit einer Handvoll anderer Staaten für den Grossteil der Hinrichtungen in den USA verantwortlich», erklärt Erika Guevara-Rosas, Amerika-Direktorin bei Amnesty International.
«Obwohl das gesetzliche Verfahren zur Verhängung der Todesstrafe vor zwei Jahren als verfassungswidrig eingestuft wurde, verfügt Florida noch immer über die zweithöchste Zahl zum Tode verurteilter Personen im ganzen Land. Floridas Reaktion auf das Urteil bestand darin, stur weiter das zu verteidigen, was nicht zu verteidigen ist, darunter auch die Hinrichtung von Menschen mit psychischen und geistigen Behinderungen.»
Florida macht keine Anstalten, sich den 19 US-Bundesstaaten anzuschliessen, welche die Todesstrafe bereits abgeschafft haben, oder denen, die über ihre Abschaffung nachdenken. Der Bundesstaat steht bei allen seit 1976 in den USA durchgeführten Hinrichtungen an vierter Stelle. Damals hatte der Oberste Gerichtshof der USA die Wiedereinführung der Todesstrafe gebilligt.
Recht auf Überprüfung des Todesurteils verwehrt
Der Bericht «Darkness visible in the Sunshine State: The death penalty in Florida» geht der Frage nach, wie vielen zum Tode verurteilen Häftlingen da Recht auf eine Überprüfung ihres Urteils verwehrt wurde. Der Oberste Gerichtshof der USA war im Fall Hurst gegen Florida von 2016 zu dem Entschluss gekommen, dass Floridas Verfahrensregeln zur Verhängung der Todesstrafe verfassungswidrig sind, da den Geschworenen nur eine beratende Rolle zugesprochen wird.
Doch anstatt mit einer sorgfältigen Neubewertung der Todesstrafe reagierte Florida mit einer schnellen Überarbeitung der entsprechenden gesetzlichen Regelung, um die Verhängung der Todesstrafe wieder zu ermöglichen. Der Oberste Gerichtshof Floridas hat das Urteil im Fall Hurst bisher nur auf eine begrenzte Anzahl bestehender Fälle angewendet, mit dem Ergebnis, dass nahezu die Hälfte der 400 zum Tode verurteilten Häftlinge gar nicht erst zu einer erneuten Strafanhörung berechtigt sind.
«Würfelspiel» entscheidet über Leben und Tod
Das Schicksal der zum Tode Verurteilten kommt einem «Würfelspiel» gleich, wie es ein Richter am Obersten Gericht in Florida formulierte, der gegen den Entscheid war. Vier Personen wurde dieses Zufallsprinzip bereits zum Verhängnis. Sie wurden hingerichtet, ohne Chance auf eine Überprüfung. Viele weitere warten derzeit auf ihre Hinrichtung.
Der Bericht zeigt anhand von Fallbeispielen, mit welcher Willkür bei den zum Tode Verurteilten vorgegangen wird, und dass häufig allein vom Zeitpunkt eines Urteilsspruchs abhängig ist, ob ein Todesurteil vollstreckt wird oder nicht.
Beleuchtet werden in dem Bericht in erster Linie drei Arten von Häftlingen im Todestrakt: Personen mit schweren psychischen Behinderungen, Personen, die als geistig behindert oder an der Grenze zur geistigen Behinderung eingestuft wurden, sowie junge Erwachsene mit einer geringeren geistigen Reife als 18 Jahre und einem durch schwere Entbehrungen und Missbrauch geprägten Hintergrund.
Zu diesen Fällen gehört der von Tony Watts, der 1989 in Florida zum Tode verurteilt wurde und fast die Hälfte der Zeit seit seiner Verurteilung wegen seiner schweren psychischen Behinderung in der Gefängnispsychiatrie verbracht hat. Der Staat verteidigt nach wie vor seine Verurteilung zum Tode, anstatt diese in eine Haftstrafe umzuwandeln.
Hautfarbe entscheidet über Todesurteil
Der Bericht macht auch deutlich, wie sehr die Verhängung der Todesstrafe in Florida von der Hautfarbe abhängig ist. Bei 20 der seit 1996 in Florida durchgeführten Hinrichtungen handelte es sich um schwarze Straftäter, die wegen des Mordes an Weissen verurteilt worden waren. Bisher wurde jedoch noch kein Weisser in Florida allein für den Mord an einem Schwarzen hingerichtet. Trotz dieses Ungleichgewichts ist es den zum Tode Verurteilten nach wie vor fast unmöglich, erfolgreich Klage wegen systemischer rassistischer Diskriminierung einzureichen.
«Die USA dürfen nicht länger auf diese ultimativ grausame, unmenschliche und herabwürdigende Strafe zurückgreifen und müssen sich den 142 Ländern anschliessen, welche die Todesstrafe bereits in Recht oder Praxis abgeschafft haben», fordert Erika Guevara-Rosas. «Florida und alle anderen US-Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe weiterhin Anwendung findet, müssen Hinrichtungen unverzüglich aussetzen, bis sie dieser grausamen Praxis ein für alle Mal ein Ende gesetzt haben. »
Forderungen von Amnesty
- Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und uneingeschränkt ab. Amnesty fordert Floridas Gouverneur und sein Kabinett auf, keine weiteren Todesurteile zu unterzeichnen und die Todesstrafe aller zum Tode verurteilten Häftlinge umzuwandeln, um damit die ersten wichtigen Schritte zu ihrer Abschaffung zu unternehmen.
- Staatsanwälte in Florida sollten die Todesstrafe in Mordfällen nicht länger durchzusetzen versuchen.
- Die Behörden müssen zumindest sicherstellen, dass Richter und Geschworene bei allen Angeklagten und zum Tode Verurteilten umfassend über mildernde Umstände wie psychische und geistige Behinderungen, emotionale und psychische Unreife oder Hintergründe wie Missbrauch und Entbehrungen informiert werden.