Am 23. September wurde Teresa Lewis, eine Frau, deren geistige Fähigkeiten an der Grenze zur Behinderung liegen, im US-Bundesstaat Virginia durch die Giftspritze hingerichtet. Sie war schuldig gesprochen worden, für die Ermordung ihres Ehemannes und ihres Schwiegersohnes verantwortlich zu sein. Lewis starb als erste Frau seit fast hundert Jahren im Bundesstaat Virginia durch die Todesstrafe.
«Der tragische Fall von Teresa Lewis ist ein weiteres Beispiel dafür, dass besonders häufig Benachteiligte, in Armut lebende Menschen oder Angehörige von ethnischen oder religiösen Minderheiten mit dem Tod bestraft werden », erklärte Patrick Walder, Kampagnenverantwortlicher für den Bereich Todesstrafe der Schweizer Sektion von Amnesty International.
In diesem Jahr sind in den USA 41 Todesurteile vollstreckt worden, drei davon im Bundesstaat Virginia. Seit der Wiederaufnahme von Hinrichtungen im Jahr 1977 wurden in den USA 1229 Personen hingerichtet.
«Jede Hinrichtung in den USA hat weitreichende Konsequenzen. Viele Länder, die die Todesstrafe nicht abschaffen wollen, rechtfertigen dies mit dem Hinweis auf die USA, die als Land mit einem effizienten, gerechten und unfehlbaren Rechtswesen gelten», sagt Patrick Walder. «Doch kein Justizsystem ist davor geschützt, Fehler zu machen. Seit 1973 wurden in den USA 139 zum Tod verurteilte Gefangene entlassen, nachdem ihre Unschuld anerkannt worden war. Niemand weiss aber, wie viele Unschuldige getötet wurden.»
Diese fatale Gefahr ist einer der Gründe, wieso viele Länder in den letzten Jahrzehnten die Todesstrafe abgeschafft haben. Heute sind es 139 Länder, welche die Todesstrafe aus den Gesetzen gestrichen haben oder sie nicht mehr anwenden. Trotzdem sassen Ende 2009 weltweit noch immer mindestens 17 100 Menschen in Todeszellen.
Zwei Menschen, die seit Jahren in den USA mit ihrer Hinrichtung rechnen müssen, sind Troy Davis und Reginald Clemons. Davis sitzt seit 19 Jahren im Todestrakt, Reginald Clemons seit 17 Jahren. Beide wurden zum Tod verurteilt, obwohl ihre Schuld alles andere als bewiesen ist. Zum Welttag gegen die Todesstrafe startet Amnesty International am 10. Oktober eine Briefaktion, um die Hinrichtungen von Davis und Clemons zu verhindern. Die Menschenrechtsorganisation fordert von den US-Behörden, beide freizulassen oder aber die Todesurteile in Haftstrafen umzuwandeln, falls ihre Schuld bewiesen werden kann.
Fakten und Zahlen zur Todesstrafe
Bis heute kennen 58 Länder nach wie vor die Todesstrafe. 95 Saaten sind gänzlich frei von der Todesstrafe und haben diese für alle Verbrechen abgeschafft. Die Abschaffung ist ein globaler Trend: Die Uno-Generalversammlung nahm 2007 eine Resolution für einen weltweiten Stopp aller Hinrichtungen an und bekräftigte sie 2008. In Europa ist Weissrussland das letzte Land, das die Todesstrafe noch vollstreckt. Die Schweiz verbannte die Todesstrafe 1942 aus dem zivilen Strafrecht, aus dem Militärstrafrecht erst 1992.
Amnesty International gibt jährlich eine Statistik zur Todesstrafe heraus. 2010 hat die Organisation erstmals keine Zahlen zu China veröffentlicht. Denn dieses Land behandelt die Todesstrafe wie ein Staatsgeheimnis und weigert sich, Zahlen zu nennen. Doch aufgrund der Erfahrung aus den Vorjahren ist davon auszugehen, dass auch 2009 wieder Tausende Chinesen und Chinesinnen in den Tod geschickt wurden.
Klammert man China aus, wurden 2009 mindestens 714 Menschen in 18 Ländern hingerichtet. Der Iran (mind. 388), Irak (mind. 120), Saudi-Arabien (mind. 69) und die USA (52) vollstreckten die meisten Todesurteile. Im Iran und in Saudi-Arabien wurden sieben Gefangene hingerichtet, die zum Zeitpunkt der angeblichen Straftat minderjährig waren.
Fallbeispiel USA: Todeskandidaten Reginald Clemons und Troy Davis
Die Hälfte seines Lebens hat der 38-jährige Afroamerikaner Reginald Clemons aus Missouri in der Todeszelle verbracht. Er erklärt sich für unschuldig für das Verbrechen, für das er 1992 zum Tod verurteilt wurde. Troy Davis hat fast 19 Lebensjahre im Todestrakt verbracht und stand schon dreimal kurz vor der Hinrichtung für einen Mord, dessen er sich weiterhin für unschuldig erklärt.
Medienmitteilung veröffentlicht: Bern, 8. Oktober 2010
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