Der Zugang zu Lebensmitteln kommt in Venezuela schon lange einem Überlebenskampf gleich. Doch auch die medizinische Grundversorgung ist vielerorts nicht mehr gewährleistet. Mit seiner Weigerung, den humanitären Notstand anzuerkennen und Hilfe zu organisieren, verletzt der venezolanische Staat das Recht der Bevölkerung auf Gesundheit.
«Unter normalen Umständen harmlose Krankheiten sind in Venezuela heute lebensbedrohend, weil der Zugang zur medizinischen Grundversorgung nicht mehr gewährleistet ist. Medikamente zu besorgen oder eine dringend benötigte Therapie zu erhalten, ist für viele ein Ding der Unmöglichkeit geworden. Mit dem Kampf um Leben und Tod alleine gelassen, ergreifen Tausende die Flucht», sagt Lisa Salza, Länderverantwortliche für Lateinamerika bei Amnesty Schweiz.
Die Zahlen von lokalen Organisationen sind alarmierend:
- 80 bis 90 Prozent der notwendigen Medikamente und medizinischen Geräte sind nicht verfügbar;
- die Hälfte der Spitäler sind nicht funktionstüchtig;
- die Belegschaft der öffentlichen Gesundheitsstationen, welche 90 Prozent der medizinischen Grundversorgung leisten, hat sich halbiert.
Die venezolanische Regierung streitet die Gesundheitskrise ab und weigert sich, die internationale Gemeinschaft, um Hilfe zu bitten. Amnesty International ruft Venezuela dazu auf, mit der internationalen Gemeinschaft zusammen zu arbeiten, damit das Land an finanzielle und technische Mittel kommt, um der Bevölkerung Zugang zu dringend benötigten Gesundheitsleistungen zu verschaffen.
«Die Menschen sich selbst zu überlassen ist keine Option. Die internationale Gemeinschaft und der venezolanische Staat müssen gemeinsam Lösungen finden, um diese Krise zu entschärfen», fordert Lisa Salza.
Kolumbien übernimmt Teil der Notversorgung
Zehntausende von Menschen sind bereits wegen der humanitären Krise und der Gewalt aus Venezuela geflüchtet. Nach Schätzungen des kolumbianischen Migrationsamtes stieg die Zahl der Venezolanerinnen und Venezolaner im Land im letzten Jahr auf 550'000. Mehr als 24'000 mussten 2017 in Kolumbien medizinisch notversorgt werden. In den kolumbianischen Grenzstädten Maicao und Cúcuta wurden 2017 zwei- bis dreimal so viele Venezolanerinnen und Venezolaner behandelt wie im Jahr zuvor.
Unter den Geflüchteten sind Hunderte schwangere Frauen, die medizinische Hilfe benötigen. In Venezuela stieg die Müttersterblichkeitsrate von 2015 bis 2016 um 65 Prozent, während die Kindersterblichkeit um 30 Prozent zunahm. Zahlen von 2017 sind nicht erhältlich.
Amnesty International macht Einzelschicksale sichtbar
Um auf das Schicksal notleidender Menschen aufmerksam zu machen, hat Amnesty International die Online-Plattform Salida de Emergencia (Notausgang) lanciert. Sie zeigt Einzelschicksale von Menschen, die auf der Suche nach einer dringend nötigen Behandlung aus ihrer Heimat Venezuela fliehen mussten.