Frauenrechtsaktivistinnen demonstrieren vor dem obersten Gerichtshof El Salvadors für eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches. © Giles Clarke
Frauenrechtsaktivistinnen demonstrieren vor dem obersten Gerichtshof El Salvadors für eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruches. © Giles Clarke

Lateinamerika Aktivistinnen für sexuelle und reproduktive Rechte zunehmend unter Beschuss

9. Dezember 2015
Frauen, die sich in Lateinamerika für sexuelle und reproduktive Rechte einsetzen – namentlich für einen sicheren Zugang zum Schwangerschaftsabbruch, sexuelle Aufklärung und moderne Verhütungsmethoden – sollen mittels Schmierkampagnen und Drohungen zum Schweigen gebracht werden. Zu diesem Schluss kommt ein neuer Bericht von Amnesty International.

«In Lateinamerika braucht man nur über Schwangerschaftsabbruch und sexuelle Aufklärung zu sprechen, um als Kriminelle, Mörder oder sogar Terroristin bezeichnet zu werden. Wenn die Regierungen nicht endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und diese mutigen MenschenrechtsverteidigerInnen schützen, wird sich diese Situation innert kurzer Zeit gefährlich zuspitzen», sagt Erika Guevara Rosas, Amerika-Direktorin von Amnesty International anlässlich der Veröffentlichung des Berichtes «Defenders Under Attack. Promoting Sexual and Reproductive Rights in the Americas».

«Die pausenlosen Schmierkampagnen gegen Frauen, deren Job es ist, sich für unsere Rechte und unser Wohlbefinden einzusetzen, bringt eine ganz dunkle Seite einer Region zum Vorschein, die behauptet, Fortschritte in Sachen Menschenrechte gemacht zu haben.»

Die Schmierkampagnen gegen Frauen, deren Job es ist, sich für unsere Rechte einzusetzen, bringt eine ganz dunkle Seite einer Region zum Vorschein, die behauptet, Fortschritte in Sachen Menschenrechte gemacht zu haben.
Erika Guevara Rosas, Amerika-Direktorin, Amnesty International

Amnesty International hat mit Dutzenden Menschenrechtsverteidigerinnen in ganz Lateinamerika gesprochen, die alle aufgrund ihrer Arbeit Belästigungen, Übergriffen und Morddrohungen ausgesetzt sind. Die Angriffe gehen von Privatpersonen und von RegierungsvertreterInnen aus und werden kaum je untersucht, geschweige denn strafrechtlich verfolgt.

Berichte aus Mexiko, El Salvador, Peru, Uruguay und Paraguay

In Mexiko ist ein Schwangerschaftsabbruch – unter gewissen Umständen – zwar erlaubt. Trotzdem werden beispielsweise im Bundesstaat Yucatán die Mitglieder der einzigen Organisation, die einen sicheren und legalen Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch gewährleistet, massiv unter Druck gesetzt. Die brutale Schmierkampagne gegen sie hat die Mitarbeitenden der Klinik dermassen verängstigt, dass mittlerweile fast die ganze Belegschaft gekündigt hat.

Ein ähnlicher Fall trug sich in El Salvador zu, wo Mitglieder der Frauenrechtsorganisationen Agrupación Ciudadana por la Despenalización del Aborto und Colectiva Feminista para el Desarrollo Local Opfer einer grausamen Diffamierungskampagne wurden. Der Grund: Sie hatten sich öffentlich eingesetzt für 19 Frauen, die wegen Schwangerschaftskomplikationen im Gefängnis sind. Zwei Frauen sind befreit aber 17 bleiben im Gefangnis.

Anti-Abtreibungsgruppen sowie konservative Medien und PolitikerInnen diffamieren diese Menschenrechtsverteidigerinnen in El Salvador indem sie sie beschuldigen, «eine Kultur des Todes zu fördern».

Der Bericht «Defenders under Attack » dokumentiert weitere Fälle, namentlich aus Peru, Uruguay und Paraguay.

«Dadurch dass die Regierungen dieser Länder die Arbeit der Menschenrechtsverteidigerinnen nicht schützen, und für manche dieser Verbrechen sogar selbst verantwortlich sind, schaffen sie die Voraussetzungen dafür, dass diese Schmierkampagnen überhaupt weitergeführt werden können. Wie weit müssen die Angriffe und die Gewalt noch gehen, bevor die Behörden etwas dagegen unternehmen?», fragt Guevara-Rosas.