Mehr als ein Dutzend prominente MenschenrechtsanwältInnen wurden in Peking festgenommen oder unter Hausarrest oder anderweitige Überwachung gestellt. Diese Repressionsmassnahmen erfolgten nach einem anonymen Aufruf auf sozialen Netzwerken, eine chinesische Version der «Jasminrevolution» in Tunesien zu organisieren.
«Diese Verhaftungswelle ist sehr beunruhigend und scheint eine nervöse, unangemessene Reaktion auf die Geschehnisse in Nordafrika und dem Nahen Osten zu sein», sagte Sam Zafiri, Leiter des Asien-Pazifik-Programms von Amnesty International.
«Die chinesische Regierung scheint zu denken, sie könne sich einfach über das Gesetz hinwegsetzen und einzusperren, wer auch nur daran denkt, ihre Politik zu kritisieren. Dies ist eine beunruhigende Entwicklung, die sich nur verschlimmert.»
Online-Aufruf zum Protest
Am 17. Februar berichtete die US-basierte Nachrichtenseite Boxun über einen anonymen Aufruf an die Chinesen und Chinesinnen, am 20. Februar im ganzen Land Proteste zu veranstalten. Die Nachricht über den Aufruf verbreitete sich schnell über Twitter und Blogs und appellierte mit folgendem Slogan an die Protestierenden: «Wir wollen Essen, wir wollen Arbeit, wir wollen Unterkünfte, wir wollen Fairness.»
Familien und Freunde der verhafteten Menschen vermuten, dass dieses scharfe Vorgehen eine Antwort auf den Protestaufruf sei, obwohl die Polizei keine Erklärung dazu abgegeben hatte.
Verhaftungen untergraben Stabilität
«Personen zu verhaften, welche kein Verbrechen begangen haben, wird lediglich die Stabilität untergraben. Es wird Misstrauen gesät und Angst verbreitet», sagte Zarifi.
«Wir hoffen, dass die chinesischen Behörden diese Unterdrückung beenden und beginnen, ihre BürgerInnen in eine konstruktive und friedliche Debatte darüber einzubinden, wie das Leben aller Chinesen und Chinesinnen verbessert werden könnte.»
Einige der betroffenen Anwälte hatten sich letzte Woche getroffen, um den Fall von Chen Guangcheng zu diskutieren, einem ehemaligen Gewissensgefangenen, der kürzlich ein heimlich gefilmtes Video veröffentlicht hatte, in dem der permanente illegale Hausarrest seiner Familie beschrieben wird. Die Anwälte diskutierten auch über Möglichkeiten, das Vorgehen der Regierung, freigelassene Gefangene unter Hausarrest zu stellen, anzusprechen.
Anwälte hinter Gittern
Ein Pekinger Anwalt, Tang Jitian, wurde kurz nach dem Treffen vom 16. Februar verhaftet und ist bis jetzt nicht wieder freigelassen worden.
Anscheinend hat der Bericht auf der Nachrichtenseite Boxun dazu geführt, dass die Behörden weiterhin gegen jeden hart durchgreifen, der versucht, seine Meinung zu sagen.
Die Polizei verhaftete einen weiteren Anwalt, Jiang Tianyong, am Samstag im Haus seines Bruders und seine Familie hatte seither keinen direkten Kontakt mehr zu ihm. Zu einem späteren Zeitpunkt an jenem Samstag kam die Polizei nochmals zum Haus der Familie und konfiszierte einen Computer und einige persönliche Habseligkeiten. Die Polizei sagte der Familie, sie würden Jiang Tianyong im Zusammenhang mit einem Delikt festhalten, gaben aber keine weiteren Informationen über seinen Verbleib, noch zeigten sie der Familie irgendwelche offiziellen Dokumente.
Der Pekinger Rechtsgelehrte Teng Biao und der Aktivist Gu Chuan wurden ebenfalls am Wochenende verhaftet, ebenso wie die zwei aus der Provinz Sichuan stammende Internetaktivisten Chen Wie und Ran Yunfei. Keiner ist bisher wieder freigelassen worden.
Andere prominente MenschenrechtsanwältInnen, unter ihnen Li Fangping und Xu Zhiyong, stehen unter polizeilicher Überwachung.