Berichtszeitraum: 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016
Amtliche Bezeichnung: Volksrepublik China
Staatsoberhaupt: Xi Jinping
Regierungschef: Li Keqiang
Übersicht
Gesetzliche, verfassungsrechtliche und institutionelle Entwicklungen
Justizwesen
MenschenrechtsverteidigerInnen
Recht auf freie Meinungsäusserung
Religions- und Glaubensfreiheit
Todesstrafe
Autonome Region Tibet und tibetische Siedlungsgebiete
Wohnrechte – Zwangsräumungen
Uigurische autonome Region Xinjiang
Kulturelle Rechte
Sonderverwaltungsregion Hongkong
AktivistInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen wurden nach wie vor systematisch observiert, drangsaliert, eingeschüchtert, festgenommen und inhaftiert. Die Polizei hielt eine wachsende Zahl von MenschenrechtsverteidigerInnen ausserhalb offizieller Hafteinrichtungen in Gewahrsam, wobei die Inhaftierten in einigen Fällen über lange Zeit keinen Zugang zu einem Anwalt erhielten und somit der Gefahr ausgesetzt waren, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. BuchhändlerInnen, VerlegerInnen, politisch aktive BürgerInnen und ein Journalist, die in den Jahren 2015 und 2016 in Nachbarländern Chinas «verschwunden» waren, tauchten in Hafteinrichtungen in China wieder auf, was Anlass zu der Befürchtung gab, dass Chinas Strafverfolgungsbehörden ausserhalb der Gerichtsbarkeit ihres Landes gehandelt haben. Die Massnahmen zur Überwachung des Internets, der Massenmedien sowie der Hochschulen und des Wissenschaftsbetriebs wurden erheblich verschärft. Religiöse Aktivitäten, die sich der direkten staatlichen Kontrolle entzogen, wurden weiter eingeschränkt. Insbesondere in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang und in den von Tibetern bewohnten Gebieten wurde die Religionsausübung im Rahmen von Kampagnen zur Bekämpfung von «Separatismus» und «Terrorismus" weiterhin besonders drastisch unterdrückt.
Gesetzliche, verfassungsrechtliche und institutionelle Entwicklungen
2016 wurden erneut weitreichende Gesetze und Bestimmungen zur nationalen Sicherheit entworfen und verabschiedet, mit denen die staatlichen Stellen mehr Befugnisse erhielten, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, den Zugang zu Informationen einzuschränken oder diese zu zensieren sowie MenschenrechtsverteidigerInnen zu drangsalieren und strafrechtlich zu verfolgen.
Das Gesetz zur Regulierung ausländischer NGOs soll am 1. Januar 2017 in Kraft treten, wodurch zusätzliche Hürden zu den bereits bestehenden Beschränkungen der Rechte auf Vereinigungsfreiheit, friedliche Versammlung und freie Meinungsäusserung geschaffen werden. Zwar wurde das Gesetz nach aussen hin so gestaltet, dass es die Tätigkeit ausländischer NGOs regulieren und sogar schützen soll, doch überträgt es dem Ministerium für öffentliche Sicherheit - der staatlichen Polizeibehörde - die Aufgabe, die Registrierung der NGOs sowie deren Aktivitäten zu beaufsichtigen und Letztere vorab zu genehmigen. Durch den grossen Ermessensspielraum der Polizei für die Kontrolle und Regulierung der Arbeit ausländischer NGOs erhöhte sich das Risiko, dass das Gesetz dazu missbraucht werden könnte, MenschenrechtsverteidigerInnen und NGO-Mitarbeitende einzuschüchtern und strafrechtlich zu verfolgen.
Am 7. November verabschiedete der Nationale Volkskongress das Gesetz über Internetsicherheit, das vorgeblich dem Schutz der personenbezogenen Daten von Internetnutzern vor Hackerangriffen und Diebstahl dienen soll, mit dem jedoch in China tätige Internetunternehmen die Auflage erhielten, Inhalte zu zensieren, Nutzerdaten im Land zu speichern und zwingend ein Registrierungssystem mit Klarnamen einzuführen. Dies verstösst gegen nationale und internationale Verpflichtungen zum Schutz der Rechte auf freie Meinungsäusserung und Privatsphäre. Das Gesetz enthält das Verbot für Einzelpersonen und Gruppen, das Internet zu nutzen, um damit «die nationale Sicherheit zu beeinträchtigen», «die Gesellschaftsordnung zu stören» oder «nationalen Interessen zu schaden», was vage und unpräzise Begriffe im geltenden chinesischen Recht sind, die dazu benutzt werden könnten, das Recht auf freie Meinungsäusserung weiter zu beschneiden. Mit dem Gesetz wurde das Konzept der «Internetsouveränität» eingeführt, das weitreichende Zensurmassnahmen und umfassende Observierungsbefugnisse unter dem Vorwand des Schutzes der nationalen Sicherheit rechtfertigt.
Der Nationale Volkskongress verabschiedete ausserdem das Gesetz zur Förderung der Filmindustrie, gemäss dem es u. a. verboten ist, Filme zu produzieren, deren Inhalte die nationale Sicherheit gefährden, Hass zwischen ethnischen Gruppen schüren und gegen Religionsvorschriften verstossen.
Justizwesen
Mangelhafte nationale Gesetze und systemische Probleme im Strafrechtssystem hatten weitverbreitete Folter und anderweitige Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren zur Folge.
Die Staatsorgane griffen verstärkt auf den «Hausarrest an einem festgelegten Ort» zurück, eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Aussenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten ausserhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Aussenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis diente dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern einschliesslich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften zu unterbinden.
MenschenrechtsverteidigerInnen
Ende 2016 befanden sich fünf Personen nach wie vor in Haft, die sich wegen «Untergrabung der staatlichen Ordnung» bzw. «Anstiftung zur Subversion» vor Gericht verantworten sollten, sowie vier Personen, denen man zur Last legte, «Streit angefangen und Ärger provoziert» bzw. «Vorkehrungen getroffen» zu haben, um «einer anderen Person den illegalen Grenzübertritt zu ermöglichen». Die Inhaftierungen war nach einem bislang beispiellosen massiven Vorgehen der Regierung gegen MenschenrechtsanwältInnen und andere AktivistInnen erfolgt. Dabei waren seit Mitte 2015 mindestens 248 AnwältInnen und politisch engagierte BürgerInnen von Angehörigen des Amts für Staatliche Sicherheit verhört oder in Gewahrsam genommen worden. Mindestens zwölf dieser Personen, darunter die prominenten Menschenrechtsanwälte Zhou Shifeng, Sui Muqing, Li Heping und Wang Quanzhang, befanden sich wegen des Verdachts der Beteiligung an Straftaten gegen die nationale Sicherheit in «Hausarrest an einem festgelegten Ort». Auch die Familienangehörigen der Inhaftierten wurden von der Polizei observiert, schikaniert und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Anwaltsgehilfin Zhao Wei und die Rechtsanwältin Wang Yu kamen Anfang Juli bzw. Anfang August 2016 gegen Kaution frei, ihre Rechte auf Freizügigkeit, freie Meinungsäusserung und Vereinigungsfreiheit blieben aber für die Dauer eines Jahres eingeschränkt. Zudem waren sie weiterhin in Gefahr, strafrechtlich verfolgt zu werden.
Der Aktivist Zhai Yanmin wurde am 2. August 2016 der «Untergrabung der staatlichen Ordnung» für schuldig befunden und zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt, die für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen Hu Shigen und den Rechtsanwalt Zhou Shifeng ergingen Schuldsprüche wegen desselben Tatbestands, und sie erhielten am 3. bzw. 4. August 2016 Haftstrafen von siebeneinhalb bzw. sieben Jahren.
Von dem Rechtsanwalt Jiang Tianyong fehlte seit dem 21. November 2016 jede Spur. Seine Familie erhielt am 23. Dezember die Information, er sei «an einem dafür vorgesehenen Ort unter Überwachung» gestellt worden, weil er unter Verdacht stehe, «zur Untergrabung der Staatsmacht aufgewiegelt» zu haben. Die beiden Menschenrechtsverteidiger und Webseitengründer Liu Feiyue und Huang Qi waren im November unter dem Vorwurf der «Anstiftung zur Subversion» bzw. «Weitergabe von Staatsgeheimnissen» inhaftiert worden.
In der Provinz Guangdong (Kanton), in der es immer häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen bis hin zu Streiks kam, gingen die Behörden weiter massiv gegen ArbeiterInnen und VerfechterInnen von Arbeitnehmerrechten vor, eine Praxis, die im Dezember 2015 begonnen hatte.
Mindestens 33 Personen gerieten ins Visier der staatlichen Stellen, von denen 31 nach ihrer Festnahme wieder auf freien Fuss gesetzt wurden. Zeng Feiyang, der sich für die Rechte von Arbeitnehmern einsetzte, wurde der Kontakt zu einem Rechtsanwalt verweigert. Ende September 2016 erhielt er eine dreijährige Haftstrafe, die für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen seinen Mitstreiter Meng Han verhängte ein Gericht am 3. November eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. In vielen Fällen wurde den Inhaftierten in den Untersuchungsgefängnissen anfänglich der Zugang zu Rechtsbeiständen verwehrt, was damit begründet wurde, dass die Fälle mit der «Gefährdung der nationalen Sicherheit» in Zusammenhang stünden.
Sechs der über 100 Personen, die Ende 2014 in Festlandchina wegen der Unterstützung der prodemokratischen Proteste in Hongkong festgenommen worden waren, wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Zu ihnen gehörten Xie Wenfei und Wang Mo, Wortführer der Südstrassenbewegung. Sie wurden wegen «Anstiftung zu Subversion» jeweils zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Zwei weitere Festgenommene, die Frauenrechtsaktivistin Su Changlan und ihr Mitstreiter Chen Qitang, befanden sich weiterhin ohne Prozesstermin in Gewahrsam. Zhang Shengyu, der ebenfalls wegen der Unterstützung der Proteste in Hongkong in Gewahrsam gekommen war, gab an, geschlagen worden zu sein. Su Changlan berichtete, dass man ihr in der Haft die angemessene medizinische Behandlung verwehrt habe.
Im Laufe des Berichtsjahres erhöhte sich die Anzahl der akribisch durchkomponierten, im Fernsehen ausgestrahlten «Geständnisse». Dazu gehörten Befragungen durch staatliche chinesische Medien und in zwei Fällen durch Pro-Peking-Medienunternehmen in Hongkong. Auch wenn solche «Geständnisse» keinerlei Rechtsgültigkeit besassen, wurde durch sie das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren untergraben. Zu den im Fernsehen als «geständig» vorgeführten Personen gehörten die Rechtsanwälte Zhou Shifeng und Wang Yu, der Aktivist Zhai Yanmin, der Hongkonger Buchhändler Gui Minhai und Peter Dahlin, der in Haft genommene schwedische Mitarbeiter einer NGO, der später ausgewiesen wurde. Zhao Wei und ihr Anwalt Ren Quanniu veröffentlichten ihre «Geständnisse» in den sozialen Medien, nachdem sie dem Vernehmen nach gegen Kaution freigekommen waren.
Mehrere JournalistInnen und politisch aktive BürgerInnen, die ausserhalb des chinesischen Festlands plötzlich von der Bildfläche verschwunden waren, hatte man in China inhaftiert, oder es bestand die Befürchtung, dass sie dort inhaftiert worden waren. Von dem Journalisten Li Xin, der in Presseinterviews erklärt hatte, von Angehörigen der chinesischen Staatssicherheit massiv unter Druck gesetzt worden zu sein, damit er als Informant gegen seine Kollegen und Freunde aussagen würde, und dem 2015 die Flucht aus China gelungen war, fehlte seit Januar 2016 in Thailand jede Spur. Im Februar 2016 rief er seine Partnerin an, um ihr mitzuteilen, dass er freiwillig nach China zurückgekehrt sei, um die Ermittlungen zu unterstützen. Seitdem gab es von ihm kein Lebenszeichen, und sein Aufenthaltsort war zum Jahresende weiterhin unbekannt. Tang Zhishun und Xing Qingxian «verschwanden» 2015 in Myanmar, wo sie dem Sohn zweier inhaftierter AnwältInnen aus China geholfen hatten. Ohne eine Begründung für die zeitliche Verzögerung wurden sie von den Behörden dann laut vom Mai 2016 datierten Mitteilungen angeklagt, «Vorkehrungen getroffen» zu haben, um «einer anderen Person den illegalen Grenzübertritt zu ermöglichen».
Im Mai 2016 wurde bestätigt, dass Jiang Yefei und Dong Guangping, die sich für demokratische Verhältnisse in China einsetzen, wegen des Verdachts der «Untergrabung der staatlichen Ordnung» und der «Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt einer anderen Person» inhaftiert worden waren. Obwohl ihnen vom Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden war, waren sie 2015 von Thailand nach China abgeschoben worden. Beide hatten mindestens sechs Monate nach ihrer Rückkehr weder zu Familienangehörigen noch zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl Kontakt; zum Jahresende hatte sich für Dong Guangping an dieser Situation nichts geändert.
Miao Deshun, ein Verfechter von Arbeitnehmerrechten, der nach seiner Teilnahme an den Protesten der Demokratiebewegung 1989 auf dem Tiananmen-Platz festgenommen worden war, kam Berichten zufolge im Oktober nach 27 Jahren Haft frei. Chinesische Bürger, die an die blutige Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz erinnern wollten, wurden nach wie vor inhaftiert, darunter die beiden Aktivisten Fu Hailu und Luo Fuyu aus der Provinz Sichuan.
Recht auf freie Meinungsäusserung
Im März 2016 soll die Polizei mindestens 20 Personen in Zusammenhang mit einem offenen Brief festgenommen haben, in dem Kritik an Staatspräsident Xi Jingping geübt und sein Rücktritt gefordert wurde. In dem Schreiben wurde dem Präsidenten vorgeworfen, «Personenkult» zu betreiben und sich von einem kollektiven Führungsstil entfernen zu wollen. Zu den Festgenommenen gehören 16 MitarbeiterInnen des Internetportals Wujie News, das den Brief am 4. März veröffentlicht hatte.
Die Regierung erliess am 4. April 2016 Richtlinien, die zu einer stärkeren Rechtsdurchsetzung in kulturellen Angelegenheiten führen sollen, um die «kulturelle und ideologische Sicherheit des Landes zu schützen». Mit den Richtlinien sollen zahlreiche «illegale» und nichtgenehmigte Aktivitäten verstärkt reguliert werden. Dies betrifft u. a. das Verlagswesen, die Film- und Fernsehvermarktung, via Satellit ausgestrahlte ausländische Fernsehprogramme, künstlerische Darbietungen sowie die Ein- und Ausfuhr von kulturellen Erzeugnissen.
China unternahm 2016 weitere Anstrengungen, um seine bereits repressiven Massnahmen der Internetzensur weiter auszubauen. Tausende von Webseiten und Angeboten der sozialen Medien waren nach wie vor gesperrt, darunter Facebook, Instagram und Twitter. Ausserdem mussten die AnbieterInnen von Internetdienstleistungen und -inhalten auf ihren Plattformen eine weitreichende Zensur ausüben.
Sechs Journalistinnen der Website 64 Tianwang aus der Provinz Sichuan wurden festgenommen, weil sie über Proteste anlässlich des G20-Gipfels im September 2016 in Hangzhou berichtet hatten. Eine von ihnen, Qin Chao, blieb in Haft.
Religions- und Glaubensfreiheit
Die im September veröffentlichten Vorschläge zur Änderung der Bestimmungen über religiöse Angelegenheiten sehen eine Ausdehnung der Befugnisse verschiedener Behörden zur Überwachung, Kontrolle und Sanktionierung bestimmter religiöser Praktiken vor. Die Änderungen, die die nationale Sicherheit betonen und darauf zielen, «Infiltration und Extremismus» zu verhindern, könnten dazu benutzt werden, das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit insbesondere von tibetischen BuddhistInnen, uigurischen MuslimInnen und Mitgliedern nicht anerkannter Kirchen zu beschneiden.
Die 2013 begonnene Kampagne zur Zerstörung von Kirchen und Entfernung christlicher Kreuze von Gebäuden in der Provinz Zhejiang nahm 2016 an Heftigkeit zu.
Nach Angaben internationaler Medien wurden bis Ende des Jahres über 1700 Kreuze entfernt, was eine Reihe von Protesten auslöste. Der Anwalt Zhang Kai, der die betroffenen Kirchen juristisch unterstützt hatte, war am 25. Februar im staatlichen Fernsehen zu sehen. Die Videoaufzeichnung zeigte ihn, wie er ein «Geständnis» ablegte, wobei er hager und erschöpft aussah. Ursprünglich war Zhang Kai 2015 wegen des Verdachts auf Straftaten gegen die nationale Sicherheit und der «Störung der öffentlichen Ordnung» inhaftiert worden, später hatte man «Hausarrest an einem festgelegten Ort» gegen ihn verhängt. Am 23. März 2016 wurde er ohne Begründung freigelassen, woraufhin er in seinen Heimatort in der Inneren Mongolei zurückkehrte.
Bao Guohua und seine Ehefrau Xing Wenxiang, Seelsorger aus der Stadt Jinghua in der Provinz Zhejiang, wurden am 26. Februar zu 14 bzw. zwölf Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie Geld ihrer Gemeinde veruntreut und durch «eine Menschenansammlung die öffentliche Ordnung gestört» haben sollen. Bao Guohua hatte sich gegen die Entfernung von Kreuzen von Kirchengebäuden gewehrt.
AnhängerInnen von Falun Gong wurden weiterhin verfolgt, willkürlich inhaftiert, in unfairen Prozessen vor Gericht gestellt, gefoltert und anderweitig misshandelt. Die Falun-Gong-Anhängerin Chen Huixia kam im Juni 2016 in Gewahrsam und wurde nach Angabe ihrer Tochter wegen ihres Glaubens anschliessend gefoltert.
Todesstrafe
Laut einem im September 2016 von der Regierung veröffentlichten Weissbuch wird die Todesstrafe in China streng kontrolliert und «behutsam angewandt, damit sichergestellt ist, dass sie nur gegen eine sehr kleine Zahl von Personen, die ausserordentlich schwerwiegende Straftaten begangen haben» eingesetzt wird. Statistiken in Zusammenhang mit der Todesstrafe galten nach wie vor als Staatsgeheimnisse, so dass es unmöglich ist, die Zahl der gefällten und vollstreckten Todesurteile zu ermitteln.
Das Oberste Volksgericht hob im Dezember 2016 den Schuldspruch gegen Nie Shubin auf, der wegen Mordes und Vergewaltigung zum Tode verurteilt und 1995 hingerichtet worden war. Das Gericht ordnete eine Neuverhandlung an und schloss sich dem Urteil des Gerichts einer niedrigeren Instanz an, wonach es keine eindeutigen Beweise für die Schuld von Nie Shubin gab.
Zur Todesstrafe in China: Der Amnesty-Todesstrafe-Report 2016
Autonome Region Tibet und tibetische Siedlungsgebiete
Angehörige der ethnischen Gruppe der TibeterInbnen wurden weiterhin diskriminiert und in ihren Rechten auf Religions- und Glaubensfreiheit, freie Meinungsäusserung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung eingeschränkt. Nach Medienberichten vom August 2016 wurde Lobsang Drakpa, ein tibetischer Mönch, den die Polizei 2015 festgenommen hatte, als er alleine eine Protestkundgebung abhielt (eine in den von Tibetern bewohnten Gebieten immer häufiger zu beobachtende Form des Protests), in einem Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu drei Jahren Haft verurteilt.
Im Laufe des Jahres 2016 zündeten sich in den von Tibetern bewohnten Gebieten mindestens drei Menschen aus Protest gegen repressive Massnahmen der Behörden selbst an. Die Zahl der bekannt gewordenen Selbstverbrennungen seit Februar 2009 erhöhte sich damit auf 146.
Gegen einen unter dem Namen Druklo bekannten tibetischen Blogger wurde im Februar 2016 eine dreijährige Freiheitsstrafe wegen «Anstiftung zum Separatismus» verhängt. Die Verurteilung erfolgte, weil er sich im Internet zu Religionsfreiheit, dem Dalai Lama und anderen tibetischen Themen geäussert hatte und er im Besitz des verbotenen Buchs «Himmelsbestattung» war.
Tashi Wangchuk wurde im Januar 2016 inhaftiert und wegen «Anstiftung zum Separatismus» angeklagt, weil er sich für Unterricht in tibetischer Sprache eingesetzt und der New York Times ein Interview gegeben hatte. Ende 2016 befand er sich immer noch in Haft.
Wohnrechte – Zwangsräumungen
Im Juli 2016 begannen die staatlichen Stellen mit dem Abriss eines grossen Teils von Larung Gar, das Angaben zufolge das weltweit grösste Institut des tibetischen Buddhismus ist und sich in dem Landkreis Seda (Serta) der Tibetischen Autonomen Präfektur Ganzi (Kardze) in der Provinz Sichuan befindet. Örtliche chinesische Behörden verfügten, dass Larung Gar um mehr als die Hälfte der BewohnerInnen auf 5000 Personen reduziert werden müsse, damit Massnahmen der «Korrektur und Richtigstellung» durchgeführt werden könnten. Tausende von Mönchen, Nonnen und Laien waren von rechtswidrigen Zwangsräumungen bedroht.
Uigurische autonome Region Xinjiang
Zhang Chunxian, der Parteisekretär der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang (Sinkiang), erklärte im März 2016, es seien Fortschritte bei der Aufrechterhaltung der sozialen Stabilität in der Region erzielt worden und die Fälle von «gewaltsamem Terrorismus» hätten abgenommen. Nichtsdestotrotz kündigte die Regierung an, ihre Haltung des «harten Durchgreifens» gegenüber dem «gewaltsamen Terrorismus» unbegrenzt fortzusetzen.
Die staatlichen Stellen nahmen weiterhin SchriftstellerInnen der uigurischen ethnischen Gruppe und Herausgeber uigurischsprachiger Webseiten fest. Der Menschenrechtsverteidiger Zhang Haitao, der der ethnischen Gruppe der Han angehört, wurde wegen «Anstiftung zu Subversion» und «Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen an das Ausland» zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Ansicht seiner Anwälte war das hohe Strafmass zum Teil auf seine Kommentare zu ethnischen Fragen zurückzuführen.
Die Regierung verstiess weiterhin gegen das Recht auf Religionsfreiheit und ging unvermindert hart gegen alle nichtgenehmigten religiösen Zusammenkünfte vor. Abudulrekep Tumniyaz, der stellvertretende Direktor der Islamischen Vereinigung von Xinjiang, wies im März 2016 darauf hin, dass alle im Untergrund betriebenen Gebetsorte in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang geschlossen worden seien.
Im Oktober 2016 berichteten die Medien, in mehreren Orten der Region Xinjiang sei angekündigt worden, dass alle BewohnerInnen ihre Pässe bei der Polizei abgeben müssten.
Sämtliche BewohnerInnen der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang müssten künftig biometrische Daten wie DNS-Proben und Körperscanner-Aufnahmen vorlegen, um die Erlaubnis für eine Auslandsreise zu erhalten. Diese Massnahme erfolgte vor dem Hintergrund des härteren Vorgehens der Sicherheitskräfte und der Verschärfung der Reisebestimmungen, die sich gegen ethnische Minderheiten in der Uigurischen Autonomen Region Xinjiang richteten.
Kulturelle Rechte
Die Provinzregierung verkündete im August 2016 den gross angelegten Plan, 1900 uigurische LehrerInnen an Schulen in ganz China zu entsenden, wo sie uigurische InternatsschülerInnen in mehrheitlich von Han-Chinesen bewohnten Gebieten betreuen sollen. Bis zum Jahr 2020 soll die Zahl der entsandten LehrerInnen auf 7200 erhöht werden. Die Massnahme dient nach offizieller Darstellung dazu, «Terrorismus, gewaltsamem Extremismus und Separatismus entgegenzuwirken und die Solidarität zwischen den Volksgruppen zu fördern». Uigurische Vereinigungen im Ausland kritisierten den Plan dagegen als Vorhaben, mit dem die kulturelle Identität der UigurInnen verwässert werden solle.
Sonderverwaltungsregion Hongkong
Fünf Buchhändler, die Ende 2015 in Thailand, Festlandchina bzw. Hongkong «verschwunden» waren, tauchten im Januar und Februar in Festlandchina im Fernsehen wieder auf. Gui Minhai, Lui Por, Cheung Chi-ping, Lee Po und Lam Wing-kee waren für Mighty Current Media tätig, einen Verlag aus Hongkong, der für seine Bücher über führende chinesische Politiker und politische Skandale bekannt ist. Lam Wing-kee kehrte im Juni 2016 nach Hongkong zurück und erklärte in einer Pressekonferenz, er sei willkürlich festgenommen, in der Haft misshandelt und zu einem «Geständnis» gezwungen worden.
Die drei Studenten Joshua Wong, Alex Chow und Nathan Law mussten sich wegen ihrer Beteiligung an Ereignissen vor dem Hauptgebäude der Regierung von Hongkong vom September 2014 verantworten, die der Auslöser der prodemokratischen «Regenschirmbewegung» waren. Im Juli 2016 befand man Joshua Wong und Alex Chow der «Teilnahme an einer rechtswidrigen Versammlung» für schuldig und Nathan Law der «Anstiftung anderer zur Teilnahme an einer rechtswidrigen Versammlung», beides in Hongkongs Verordnung für öffentliche Ordnung vage formulierte «Verstösse». Beide Seiten legten Rechtsmittel ein; das Berufungsverfahren war Ende 2016 noch nicht abgeschlossen.
Im November 2016 veröffentlichte der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses eine Auslegung von Artikel 104 des Hongkonger Grundgesetzes (Hong Kong Basic Law) in Bezug auf die Eidesleistung zweier Abgeordneter der Unabhängigkeitsbewegung. Dies geschah, bevor das Obere Gericht von Hongkong (Hong Kong High Court) Zeit hatte, über ein paralleles Verfahren zu urteilen, das von der Regierung von Hongkong angestrengt wurde, um die beiden Abgeordneten auszuschliessen.