Werden mit dem nationalen Sicherheitsgesetz künftig auch solche Kritikformen als staatsgefährdend verfolgt werden? © Kenneth Ip / shutterstock.com
Werden mit dem nationalen Sicherheitsgesetz künftig auch solche Kritikformen als staatsgefährdend verfolgt werden? © Kenneth Ip / shutterstock.com

Hongkong / China Gesetz zur Nationalen Sicherheit muss zurückgezogen werden

17. Juni 2020
Das von China vorgeschlagene Gesetz zur nationalen Sicherheit in Hongkong ist ein schwerer Angriff auf die Menschenrechte und muss zurückgezogen werden, so die Erklärung einer Gruppe von 86 zivilgesellschaftlichen Organisationen, unter ihnen Amnesty International.

Der Gesetzentwurf wird voraussichtlich bei der Sitzung des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses (NPCSC) diskutiert werden, die am 18. Juni beginnt. Der Gesetzentwurf könnte noch diesen Monat in Kraft treten und sogleich dafür eingesetzt werden, die Freiheiten in Hongkong einzuschränken.

Jegliche Kritik könnte verfolgt werden

Die 86 zivilgesellschaftlichen Organisationen, unter ihnen Amnesty International, schreiben in ihrem Brief an den NPCSC im Vorfeld des entscheidenden Treffens in Peking: «Auch wenn China bislang nur wenige Einzelheiten des Gesetzes zur nationalen Sicherheit in Hongkong bekanntgegeben hat, so weist doch bislang alles darauf hin, dass es die Grundrechte und Grundfreiheiten der Menschen in Hongkong bedrohen wird.»

«Es kriminalisiert ein breites Spektrum an vage umrissenen 'Vergehen', zu denen jede Art von Kritik an der Regierung zählen kann und das gegen Personen eingesetzt werden könnte, die friedlich ihre Menschenrechte ausüben und verteidigen.»

Die Entscheidung, ein Gesetz zur nationalen Sicherheit zu verabschieden, wurde bei der letzten Sitzung des Volkskongresses Ende Mai verabschiedet. Darin wird vorgeschlagen, Handlungen wie «Separatismus, Subversion, Terrorismus» und Aktivitäten «der Einmischung aus dem Ausland und aus Übersee in die Angelegenheiten Hongkongs» unter Strafe zu stellen.

Sofort gültig– vielleicht sogar rückwirkend

Es wird erwartet, dass das Gesetz in einer Sondersitzung des NPCSC Ende Juni diskutiert und dann gleich in Kraft treten wird. So sagte Hongkongs Sicherheitsminister John Lee Ka-chiu, das Gesetz werde schon «am ersten Tag» seiner Gültigkeit von der Polizei durchgesetzt werden. Gleichzeitig sagte das NPCSC-Mitglied Elsie Leung, sie könne «nicht ausschliessen», dass das Gesetz auch rückwirkend angewendet würde.

«China muss die Pläne aufgeben, ein nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong einzuführen. Keine Regierung sollte die nationale Sicherheit als Rechtfertigung von Massnahmen nutzen, die repressive Praktiken gegen die eigene Bevölkerung vorsehen», heisst es in dem Schreiben der Organisationen.

Mit Hilfe des Gesetzes könne die chinesische Führung Institutionen ins Leben rufen, die «die nationale Sicherheit in Hongkong in der notwendigen Weise schützen». Dies könnte die Einrichtung von Institutionen wie dem Ministerium für Staatssicherheit und die Direktion für Nationale Sicherheit des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit bedeuten – die seit langem für ihre schweren Menschenrechtsverletzungen in China bekannt ist, darunter die willkürliche Inhaftierung und Folter von AktivistInnen und Mitgliedern von Nichtregierungsorganisation.

«Diesen Institutionen zu gestatten, in Hongkong zu operieren oder ähnliche Institutionen in Hongkong einzusetzen, ist eine unmittelbare Bedrohung, nicht nur für MenschenrechtsverteidigerInnen, unabhängige Medien und DissidentInnen, sondern im Grunde genommen für alle Menschen in der Stadt», wird in dem Brief ergänzt.

Sondergericht für Hongkong?

Die Hongkonger Justizministerin Teresa Cheng sagte, dass ein eigenes «Sondergericht» eingerichtet werden könnte, um Fälle nationaler Sicherheit zu verhandeln und damit «die Justiz zu unterstützen, in noch unbekannten Gewässern zu navigieren». 

«Der Vorschlag, ein ‚Sondergericht‘ für nationale Sicherheit einzurichten ist sehr besorgniserregend und deutet darauf hin, dass Verdächtige im Hongkonger Justizsystem nicht dieselben Rechte auf ein faires Gerichtsverfahren erhalten würden wie andere Menschen», schreiben dazu die AutorInnen des Briefes.

Spielraum für Missbrach

Der Gesetzentwurf wird in Hongkong durch Verkündung eingeführt und umschifft damit den Legislativrat (Parlament) und jede sinnvolle Konsultation.

«Die Entscheidung des Nationalen Volkskongresses, das Gesetz über die nationale Sicherheit direkt in den Anhang III des Grundgesetzes einzubinden, wirft ernste Bedenken über den Schutz der Menschenrechte auf», steht weiter in dem Brief. «Ohne die Forderung mit internationalen Menschenrechtsnormen in Einklang sein zu müssen, lassen die vagen Formulierungen im Gesetzentwurf Spielraum für Missbrauch durch die Behörden, um damit eine grosse Bandbreite an Rechten und Freiheiten zu unterbinden.»