Nicholas Bequelin, Regionaldirektor für Asien und Pazifik bei Amnesty International, kommentiert die Ereignisse wie folgt: «Die Verhaftung von Jimmy Lai wegen angeblicher 'Kollaboration mit ausländischen Mächten' ist eine beunruhigende Demonstration dafür, wie die Behörden Hongkongs beabsichtigen, das neue nationale Sicherheitsgesetz dafür zu nutzen, die Pressefreiheit zu bedrohen.»
«Es scheint, dass Jimmy Lai und Apple Daily aufgrund der Kritik der Zeitung an der chinesischen und der Hongkonger Regierung ins Visier genommen wurden. Ein Medienunternehmen, einen Verleger oder Journalistinnen und Journalisten allein deshalb zu bestrafen, weil sie die Regierung oder deren Politik kritisieren, ist eine Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäusserung, die niemals gerechtfertigt werden kann.»
«Der Vorwurf der Behörden, Jimmy Lai und andere seien Teil einer 'ausländischen Verschwörung' macht deutlich, wie die zu weit gefasste und vage Bestimmung des nationalen Sicherheitsgesetzes zur Verfolgung von Personen mit abweichenden politischen Ansichten genutzt werden kann.»
«Die Behörden müssen alle strafrechtlichen Anklagen im Zusammenhang mit dem nationalen Sicherheitsgesetz gegen Personen, die mit Apple Daily in Verbindung stehen, fallen lassen und die Schikanierung und Einschüchterung von Journalistinnen und Journalisten in Hongkong unverzüglich einstellen.»
Hintergrund
Jimmy Lai, Eigentümer der pro-demokratischen Zeitung Apple Daily, wurde am Montagmorgen wegen «Verschwörung mit einem fremden Land oder ausländischen Elementen» nach dem am 30. Juni in Hongkong in Kraft getretenen nationalen Sicherheitsgesetz verhaftet. Zu den weiteren Festgenommenen gehören vier Mitarbeitende der Zeitung und die beiden Söhne von Lai.
Die Hongkonger Polizei teilte mit, dass gegen die sieben nach Artikel 29 des Nationalen Sicherheitsgesetzes von Hongkong ermittelt werde, im Zusammenhang mit einer Verschwörung zu Betrug und anderen Straftaten, für die ihnen bis zu lebenslanger Haft drohe. Die Polizei warnte davor, dass weitere Verhaftungen vorgenommen werden könnten.
Die Polizei führte eine umfangreiche Razzia beim Medienunternehmen Apple Daily durch. Erstmals griffen die Behörden für eine solche Durchsuchung auf das nationale Sicherheitsgesetz zurück. Zudem durchsuchten die Sicherheitskräfte ein Restaurant, das dem Sohn von Jimmy Lai gehört.
Die Zentralregierung und die Regierung Hongkongs beschuldigen seit langem Einzelpersonen und zivilgesellschaftliche Organisationen, bei ihren Aktivitäten, wie der Organisation und Teilnahme an friedlichen Protesten, der Entgegennahme von Spenden und der Kritik an der Regierung, von «ausländischen Kräften» gelenkt zu werden.
Mit dem nationalen Sicherheitgesetz ist jede und jeder, der sich an diesen Aktivitäten beteiligt, potentiell dem Risiko ausgesetzt, wegen «Kollaboration mit ausländischen Kräften» und weiteren neuen «Verbrechen» angeklagt zu werden.
Ebenfalls am Montag berichteten Medien, dass die Immigrationsbehörden Hongkongs eine neue Einheit für nationale Sicherheit eingerichtet haben, die sich mit «sensiblen Visumanträgen», z.B. von ausländischen Medien und taiwanesischen Organisationen, befassen soll. Der Club der AuslandskorrespondentInnen in Hongkong sagte letzte Woche, dass ausländische Journalistinnen und Journalisten Verzögerungen bei der Beantragung ihrer Visa erfahren hätten.