Anlässlich des heutigen Beginns des Prozesses gegen 47 Demokratiebefürworter*innen in Hongkong, sagte Hana Young, die stellvertretende Regionaldirektorin für China von Amnesty International: «Dieser Gerichtsfall ist vollkommen ungerecht, und das schon seit die beispiellose Massenverfolgung der 47 Angeklagten im März 2021 begann. In diesem Prozess, der die missbräuchliche Natur des Gesetzes über die nationale Sicherheit offenbart, droht einigen der Angeklagten eine lebenslange Haftstrafe, nur weil sie sich an Vorwahlen für politische Parteien beteiligt haben.»
«Die Angeklagten sind nun gezwungen, die unmögliche Entscheidung zu treffen, sich entweder eines nicht existierenden Verbrechens schuldig zu bekennen, um eine mögliche Strafminderung zu erreichen, oder einen aussichtslosen Kampf unter dem ungerechten nationalen Sicherheitsgesetz zu führen.»
Die meisten der 47 Personen werden seit zwei Jahren ohne Gerichtsverfahren festgehalten, da die strenge Kautionsgrenze in Fällen der nationalen Sicherheit eine Kautionsverweigerung zur Folge hat. Die Anklagen gegen die 47 Personen beruhen ausschliesslich auf einer angeblichen Bedrohung der nationalen Sicherheit.
«Mit diesem Massenprozess versucht die Regierung von Hongkong, jede sinnvolle politische Beteiligung in Hongkong zu unterbinden. Aber die Tatsache, dass die Menschen heute zum Gericht gekommen sind, um trotz der Risiken gegen diese Anklagen zu protestieren, zeigt, dass die Hongkonger Behörden niemals in der Lage sein werden, abweichende Meinungen vollständig zu unterdrücken», sagte Hana Young.
«Die Menschen in Hongkong müssen ihre Meinung frei äussern dürfen, ohne dass ihnen Gefängnis droht. Friedliche politische Opposition ist kein Verbrechen. Alle noch inhaftierten Personen sollten unverzüglich freigelassen und die Anklagen gegen alle fallen gelassen werden.»
Hintergrund
In Hongkongs grösstem Strafverfahren auf der Grundlage des Gesetzes über die nationale Sicherheit, das im Juni 2020 in Kraft trat, werden die 47 Angeklagten wegen «Verschwörung zur Subversion» angeklagt.
Die Anklage bezieht sich auf ihre Organisation und Teilnahme an selbstorganisierten «Vorwahlen» für die Legislativratswahlen 2020, die letztlich von den Behörden verschoben wurden. Dies unter dem Vorwand, dass die chinesische Zentralregierung ein neues Wahlsystem einführte, das streng prüft, wer für ein Amt kandidieren darf.
Die damalige Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, bezeichnete die «Vorwahlen» als illegal und warnte, dass sie gegen das Gesetz zur nationalen Sicherheit verstossen könnten, welches nur wenige Wochen zuvor in Kraft getreten war.
Selbstorganisierte «Vorwahlen» von politischen Parteien als echte Bedrohung der Existenz, der territorialen Integrität oder der politischen Unabhängigkeit Hongkongs zu betrachten, entspricht nicht der hohen Schwelle für die Anwendung der «nationalen Sicherheit» gemäss internationalen Menschenrechtsstandards.