Ai Weiweis Assistent Wen Tao (links) war seit April 2011 verschwunden.
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«Diese Freilassungen sind ein Schritt in die richtige Richtung und grossartig für die Freigelassenen, aber es ist jetzt besonders wichtig, dass die internationale Gemeinschaft weiterhin für die vielen Menschen eintritt, die weniger bekannt sind. Denn ihre Situation ist nach wie vor Besorgnis erregend», so Catherine Baber, die stellvertretende Leiterin für die Region Asien/Pazifik bei Amnesty International.
Über 130 Aktivisten wurden inhaftiert
Neben Ai Weiwei und seinen MitarbeiterInnen und GeschäftspartnerInnnen sind seit Februar mindestens 130 AktivistInnen, RechtsanwältInnen, BloggerInnen und andere NetzaktivistInnen inhaftiert, drangsaliert oder in ihren eigenen Wohnungen eingesperrt worden. Einige gelten seitdem als «verschwunden».
Viele engagierte BürgerInnen, wie der in Guangdong ansässige Rechtsanwalt Tang Jingling, befinden sich nach wie vor Haft. Der Anwalt wird seit dem 22. Februar 2011 vermisst und soll sich wegen «Anstiftung zu subversiven Handlungen» in Gewahrsam befinden. Tang Jingling hat ArbeiterInnen vertreten, die allein deshalb inhaftiert wurden, weil sie gegen schlechte Arbeitsbedingungen und unbezahlte Arbeit protestierten. Bekannte des Juristen gehen davon aus, dass die Behörden ihn in einem Schulungszentrum der Regierung in der Stadt Panyu in Guangdong festhalten.
Für Internetvideos bestraft
Auch die Netzaktivistin Liang Haiyi befindet sich weiterhin in Gewahrsam. Nach vorliegenden Informationen wurde sie am 19. Februar 2011 in der im Norden des Landes gelegenen Stadt Harbin von der Polizei festgenommen, weil sie Videos und Informationen über die «Jasmin-Revolution» im Internet veröffentlicht hatte. Ihre Rechtsanwältin hat bestätigt, dass die Netzaktivistin unter dem Verdacht der «Subversion der Staatsmacht» inhaftiert ist.
Das derzeitige Vorgehen der Behörden gegen DissidentInnen wurde wahrscheinlich durch die Furcht der Regierung vor einer «Jasmin-Revolution», ähnlich der Bewegungen im Nahen Osten und Nordafrika, ausgelöst.
Ai Weiwei weiter unter Beobachtung
Ai Weiwei wurde am 22. Juni unter der Bedingung „qubao houshen“ aus der Haft entlassen. Dabei handelt es sich um eine Art der Freilassung gegen Kaution, bei welcher es der Person nicht gestattet ist, ihre Heimatstadt oder ihren Bezirk ohne Erlaubnis zu verlassen. In Ai Weiweis Fall ist das Peking.
Während seiner Haft wurde Ai Weiwei an einem ungenannten Ort festgehalten. Seine Frau durfte ihn nur einmal für 15 Minuten unter Aufsicht sehen. Nach seiner Entlassung wurde Ai Weiwei davor gewarnt, mit Medien oder anderen über seine Behandlung im Gefängnis zu sprechen. Er steht unter strenger polizeilicher Bewachung. Laut Medienberichten aus Hongkong hat seine Frau verlangt, dass das Gerichtsverfahren gegen seine Firma wegen Steuerhinterziehung öffentlich stattfindet und dass die konfiszierten Geschäftsverträge, Rechnungsbücher und Firmenstempel zurückgegeben werden.
Situation der Mitarbeitenden
Zhang Jingsong wurde am 23. Juni freigelassen. Wen Tao und Hu Mingfen kamen ebenfalls am späten Abend des 23. Juni bzw. am frühen Morgen des 24. Juni frei und kehrten nach Hause zurück. Seit sie Anfang April festgenommen worden waren, hatten die Familien nichts über ihren Verbleib und Rechtsstatus erfahren. Sie wurden nie angeklagt.
Der derzeitige Verbleib und Rechtsstatus von Liu Zhenggang ist nach wie vor ungeklärt. Freunde konnten weder ihn noch seine Familie kontaktieren.
Weder Haftbefehl noch Anklage
Laut der offiziellen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua wurde Ai Weiwei freigelassen, weil er „alle seine Verbrechen gestand, an einer chronischen Krankheit leidet“ und Steuern nachzahlte, die er schuldete. Ai Weiwei ist jedoch keiner international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt worden und erhielt keine rechtsgültigen Dokumente bezüglich seiner Verhaftung und Freilassung.