Die Vergewaltigung und tödliche Misshandlung einer jungen Frau in Delhi im vergangenen Dezember erschütterte die Öffentlichkeit in ganz Indien und weit darüber hinaus. Sie warf ein Schlaglicht auf eine Realität, die Millionen von Frauen in Indien betrifft, wo Gewalt an Frauen nahezu als Selbstverständlichkeit erscheint. Veraltete Gesetze und eine Kultur der Straflosigkeit für solche Gewaltdelikte tragen zu dieser unhaltbaren Situation bei.
«Wenn diese Männer jetzt an den Galgen gebracht werden, ist das höchstens ein kurzsichtiger Racheakt», kommentiert Tara Rao, Direktorin von Amnesty Indien, das Urteil. «Den Angehörigen des Opfers gebührt unsere tiefe Anteilnahme, und die Täter müssen für dieses grauenhafte Verbrechen bestraft werden. Doch die Todesstrafe kann nicht die Antwort sein.»
Amnesty International spricht sich in jedem Fall und unter allen Umständen gegen die Todesstrafe aus.
Sie ist grausam, unmenschlich und verletzt das Recht auf Leben. Die Erfahrung zeigt zudem, dass die Todesstrafe keine abschreckende Wirkung hat, wie oft behauptet wird. Noch weniger kann sie ein Mittel sein, um Gewalt an Frauen nachhaltig zu verhindern.
«Die Todesstrafe ist selbst ein Verbrechen und löst in keiner Weise das Problem», kritisiert Stella Jegher, Frauenrechtsexpertin von Amnesty Schweiz. «Indien braucht grundsätzliche Massnahmen gegen die alltägliche grassierende Gewalt an Frauen. Dazu gehört unbedingt, dass Täter zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden. Aber es braucht auch dringend Änderungen auf gesetzlicher, institutioneller und Verfahrens-Ebene, und vor allem braucht es eine konsequente Politik gegen alle Formen der Diskriminierung von Frauen.»