Der Bericht «Substance abuses: The human cost of Cambodia’s anti-drug campaign» dokumentiert, wie die Behörden unter dem Vorwand des «Kriegs gegen die Drogen» vor allem gegen die armen und marginalisierten Bevölkerungsschichten vorgehen. Menschen werden willkürlich verhaftet, systematisch gefoltert und misshandelt. Wer nicht die Mittel hat, um sich freizukaufen, wird in überbelegten Gefängnissen oder Pseudo-Rehabilitationszentren festgehalten.
«Kambodschas 'Krieg gegen die Drogen' ist eine grenzenlose Katastrophe. Er beruht auf der systematischen Verletzung der Menschenrechte und hat der Korruption im Justizsystem Tür und Tor geöffnet, ohne in irgendeiner Weise die Gesundheit oder Sicherheit im Land zu verbessern», sagte Nicholas Bequelin, Direktor für die Region Asien-Pazifik bei Amnesty International.
«Krieg» nach philippinischem Vorbild
Im Januar 2017, nur wenige Wochen nach einem Staatsbesuch des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte, lancierte der Premierminister Kambodschas, Hun Sen, seine Anti-Drogen-Kampagne. Die beiden Staatsführer hatten beschlossen, in der Drogenpolitik zu kooperieren. Offiziell soll das kambodschanische Vorgehen den Konsum von Drogen und die Drogenkriminalität vermindern. Doch genau wie beim philippinischen «Krieg gegen die Drogen» treffen Menschenrechtsverletzungen im Namen der kambodschanischen Anti-Drogen-Kampagne hauptsächlich Personen aus armen und marginalisierten Bevölkerungsschichten, unabhängig davon, ob die Menschen Drogen konsumieren oder nicht.
Amnesty International sprach mit Dutzenden von Opfern der kambodschanischen Anti-Drogen-Kampagne. Sie berichteten von zwei parallelen Strafsystemen: Manche wurden nach ihrer Verhaftung ohne Anklage in Drogenentzugsanstalten festgehalten, während andere von Strafgerichten verurteilt und ins Gefängnis geschickt wurden.
Ob jemand in eine Drogenentzugsanstalt gesperrt oder strafrechtlich verfolgt wird, scheint völlig willkürlich zu sein.
Zeuginnen und Zeugen berichteten von schweren Verletzungen der Verfahrensrechte. Ob jemand nach einer Verhaftung in eine Drogenentzugsanstalt gesperrt oder strafrechtlich verfolgt wird, scheint völlig willkürlich zu sein und hängt von oftmals korrupten Polizeibeamten ab.
«Tickende Zeitbombe»
Sowohl in Gefängnissen als auch in Drogenentzugsanstalten ist die Menschenrechtslage besorgniserregend: Die Gefängnisse in Kambodscha sind drastisch überbelegt, wie Amnesty International letzten Monat mit exklusiven Videobildern belegte. Aus den Drogenentzugsanstalten berichteten Häftlinge von körperlichen Misshandlungen, sexuellen Übergriffen und ungeklärten Todesfällen.
In allen Haftanstalten besteht ein hohes Risiko grösserer Ausbrüche von Covid-19, und viele Gefangene haben Vorerkrankungen wie HIV und Tuberkulose, die sie einer erhöhten Gefahr aussetzen. Selbst ein Sprecher der Gefängnisbehörde verglich in einem Interview die Situation mit einer «tickenden Zeitbombe».
«Nicht nur in Kambodscha ist der sogenannte ‚Krieg gegen die Drogen‘ gescheitert. Die Kriminialisierung von Drogensüchtigen und die willkürlichen Verhaftungen sollten längst Geschichte sein. Es ist an der Zeit, dass Kambodscha von diesem destruktiven Repressionsansatz abrückt, der soziale Missstände weiter verstärkt, und eine neue Ära in der Drogenpolitik einläutet», sagt Nicholas Bequelin.