Myanmar: Jahresbericht 2007

Überblick Amtliche Bezeichnung: Union Myanmar Staatsoberhaupt: General Than Shwe Regierungschef: General Soe Win Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft Statut des Internationalen Strafgerichtshofs: ni
Überblick

Amtliche Bezeichnung: Union Myanmar
Staatsoberhaupt: General Than Shwe
Regierungschef: General Soe Win
Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft
Statut des Internationalen Strafgerichtshofs: nicht ratifiziert
Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2006

Die Menschenrechtslage in Myanmar verschlechterte sich im Lauf des Berichtsjahrs weiter, da die Behörden ihre Massnahmen zur Unterdrückung der bewaffneten und der gewaltfreien politischen Opposition im ganzen Land verstärkten. Der UN-Sicherheitsrat setzte die Situation in Myanmar auf seine Tagesordnung. Im Zuge militärischer Operationen im Unionsstaat Kayin und im Verwaltungsbezirk Bago kam es zu systematischen Verstössen gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, die möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellten. Während die Regierung ihre Pläne zur Erarbeitung einer neuen Verfassung weiter verfolgte, wurde auf politisch engagierte Bürger massiver Druck ausgeübt, die politischen Parteien zu verlassen. Im Verlauf des Jahres wurden Hunderte Menschen in Haft genommen, die sich an friedlichen politischen Aktivitäten beteiligt oder auf andere Weise gewaltfrei ihre Rechte auf freie Meinungsäusserung und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hatten. Ende des Berichtsjahrs sassen die meisten führenden Persönlichkeiten der Opposition im Gefängnis oder in Verwaltungshaft. Im ganzen Land wurden mehr als 1185 politische Gefangene unter immer schlechter werdenden Haftbedingungen festgehalten.

Hintergrundinformationen

Der mit dem Entwurf einer neuen Verfassung beauftragte Nationalkonvent beendete im Januar seine Sitzungsperiode und trat im Oktober ohne die wichtigste Oppositionspartei, die Nationale Liga für Demokratie (National League for Democracy – NLD), wieder zusammen. Nach wie vor waren Gesetze in Kraft, die Kritik an der Verfassung unter Strafe stellten. Den Delegierten des Konvents war keine offene Diskussion erlaubt. Die Behörden erklärten, die meisten Entscheidungen über die Grundsätze der neuen Verfassung, beispielsweise über die zukünftige Rolle des Militärs und die Rechte und Pflichten der Bürger, seien bereits gefasst.

Internationale Entwicklungen

Im September setzte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Situation in Myanmar auf seine Tagesordnung. Die UN-Generalversammlung verabschiedete eine kritische Resolution zu Myanmar, während der neu geschaffene UN-Menschenrechtsrat das Mandat des Sonderberichterstatters über Myanmar verlängerte, dem der Zugang zum Land aber weiterhin verwehrt war. Im Mai und im November besuchte der UN-Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten Myanmar.

Mitglieder der Vereinigung Südostasiatischer Länder (ASEAN) äusserten sich unzufrieden über die geringen Reformfortschritte in Myanmar und erneuerten ihre Forderung, alle politischen Gefangenen freizulassen. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) bewertete das Ausmass der Zwangsarbeit im Land als «äusserst gravierend». Die Europäische Kommission startete ein neues humanitäres Hilfsprogramm für die Behandlung von HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Im östlichen Unionsstaat Kayin (Karen) und den benachbarten Bezirken nahmen die militärischen Operationen gegen die Nationale Union der Karen (Karen National Union – KNU) zu. Der bewaffnete Konflikt zwang mehr als 16000 Menschen zur Flucht. Aus den Dörfern wurde von systematischen Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte berichtet, und dies in einem solchen Ausmass, dass sie allem Anschein nach Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellten. Es kam vermehrt zur Zerstörung von Häusern und Erntevorräten, zum »Verschwindenlassen« von Menschen und zu Zwangsarbeit sowie zur Folterung und extralegalen Hinrichtung von Zivilisten aus der Minderheit der Karen. In vielen Landgemeinden herrschte Lebensmittelknappheit, weil die Behörden den Bewohnern verboten, ihr Dorf zu verlassen, um ihre Felder bestellen oder Lebensmittel einkaufen zu können. Ausserdem setzten sowohl der bewaffnete Flügel der KNU als auch die Armee (Tatmadaw) verstärkt Landminen ein. Zu den Menschenrechtsverstössen gehörten ferner kollektive Strafmassnahmen wie verlängerte Ausgangssperren und andere Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie das Niederbrennen ganzer Dörfer. Berichten zufolge wurden zudem als Strafe für den Tod von Armeeangehörigen, die Landminen zum Opfer gefallen waren, in einer Ortschaft im Norden des Kayin-Staats ein Dorfvorsteher und mehrere weitere Zivilisten getötet. In anderen Gebieten kam es zu Scharmützeln zwischen der Armee des Shan-Staats/Süd (Shan State Army-South – SSA-South) und der regulären Armee, die auch unter der Zivilbevölkerung Opfer forderten.

Zwangsarbeit

Das ganze Jahr hindurch trafen Berichte über Zwangsarbeit in den Unionsstaaten Kayin, Mon, Rakhine und Kachin und im Verwaltungsbezirk Bago ein. Immer häufiger wurden Gefangene gefoltert oder misshandelt oder zu Trägerdiensten für das Militär gezwungen. Zahlreiche solcher Träger sollen bei Fluchtversuchen getötet worden sein. Auch die Internationale Arbeitsorganisation zeigte sich besorgt über das Ausmass der Zwangsarbeit in Myanmar. Sie sah gemeinsam mit der Regierung erarbeitete Lösungsansätze in Gefahr, da die Behörden auf Beschwerden über Zwangsarbeit regelmässig damit reagierten, dass sie den Beschwerdeführern wegen »falscher« Anschuldigungen mit juristischen Konsequenzen drohten. Auf ausdrückliche Forderungen der ILO hin liessen die Behörden bis zum Ende des Jahres zwei Gefangene frei, die rechtlich gegen Zwangsarbeit vorgegangen waren. Gegen andere Personen stellten sie bereits eingeleitete Strafverfolgungsmassnahmen ein. Im Juli wurde ein Moratorium angekündigt, auf dessen Grundlage die Strafverfolgung von Personen, die sich mit rechtlichen Mitteln gegen Zwangsarbeit wehren, für sechs Monate ausgesetzt werden sollte.

Politische Haft

Unter Rückgriff auf Gesetze, die die friedliche Wahrnehmung der Menschenrechte unter Strafe stellten, fanden politische Prozesse statt, die nicht den internationalen Standards für ein faires Verfahren genügten. Es kam zu Festnahmen ohne Haftbefehl, Angeklagte erhielten keinen Rechtsbeistand oder konnten diesen nicht frei wählen und wurden über lange Zeiträume hinweg ohne Kontakt zur Aussenwelt in Gewahrsam gehalten.

Ende September wurden die ehemaligen Studentenführer und gewaltlosen politischen Gefangenen Htay Kywe, Ko Ko Gyi, Paw U Tun, Min Zeya und Pyone Cho festgenommen und im weiteren Verlauf des Jahres ohne Kontakt zur Aussenwelt in Haft gehalten. Nach Angaben der Behörden diente diese Massnahme dazu, «einen Aufstand zu verhindern».

Im April wurde der 77-jährige U Aung Thein, Mitglied des Zentralkomitees der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), zusammen mit drei anderen Oppositionellen verhaftet, im Juli wurden alle vier zu jeweils 20 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. U Aung Thein soll »gestanden« haben, Besitzer eines Satellitentelefons gewesen zu sein, das zum Kontakt mit emigrierten NLD-Führern benutzt worden war.

Im Oktober wurde Berichten zufolge das NLD-Mitglied Win Ko aus dem Verwaltungsbezirk Bago zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er Unterschriften für die Freilassung inhaftierter Politiker gesammelt hatte. Die Anklage lautete auf Verkauf von Losen einer illegalen Lotterie.

Die Emigranten Chit Thein Tun und Maung Maung Oo wurden von Angehörigen einer unbekannten bewaffneten Gruppe gewaltsam aus Indien zurück nach Myanmar gebracht, den dortigen Behörden übergeben und während der Haft ohne Kontakt zur Aussenwelt gefoltert. Die beiden Männer, denen man einen Bombenanschlag an der Grenze zu Indien zur Last legte, wurden in einem Geheimprozess zum Tode verurteilt.

Gegen die hochrangigen NLD-Mitglieder und gewaltlosen politischen Gefangenen Daw Aung San Suu Kyi, U Tin Oo, Daw May Win Myint und Dr. Than Nyein, die ohne Anklage oder Gerichtsverfahren ihrer Freiheit beraubt worden waren, wurde die Haft noch einmal um die Höchstdauer von einem Jahr verlängert. Daw May Win Myint und Dr. Than Nyein, die bereits seit Oktober 1997 im Gefängnis einsassen, kamen auch nach Ablauf ihrer siebenjährigen Freiheitsstrafe nicht frei. Daw Aung San Suu Kyi wurde zunehmend isoliert, ihr Arzt durfte sie nur in unregelmässigen Abständen besuchen.

Freilassungen

Eine Reihe von politischen Gefangenen kam im Lauf des Jahres 2006 frei.

Zwei Menschenrechtsverteidiger, der Anwalt U Aye Myint und Frau Su Su Nwe, die im Oktober 2005 wegen ihres Widerstands gegen Zwangsarbeit und Landenteignungen durch örtliche Behörden zu Freiheitsstrafen von sieben Jahren beziehungsweise 18 Monaten verurteilt worden waren, kamen im Juni beziehungsweise im Juli 2006 frei.

Der Hausarrest des über 80-jährigen Schriftstellers U Shwe Ohn, eines wichtigen politischen Vertreters der Minderheit der Shan, wurde nach Ablauf seiner Haftstrafe im Februar aufgehoben.

Im September und Oktober kamen mindestens zwei KNU-Mitglieder frei, die seit Anfang der 1980er Jahre in Haft sassen und gesundheitlich sehr angegriffen waren.

Haftbedingungen

Die erbärmlichen Haftbedingungen in den Gefängnissen des Landes verschlechterten sich im Berichtszeitraum weiter. Die Gefängnisverwaltungen erhielten im Lauf des Jahres weniger Geld für die Verpflegung der Häftlinge, und die Menge der Lebensmittel, die Angehörige ins Gefängnis mitbringen dürfen, wurde von den Behörden weiter reduziert. Berichtet wurde ferner von unzureichender ärztlicher Versorgung in den Hafteinrichtungen. Gefangenenbesuche von Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) wurden im Januar ausgesetzt, nachdem es das IKRK abgelehnt hatte, solche Besuche nur noch in Begleitung von Mitarbeitern regierungsnaher Organisationen durchzuführen. Unter anderem wegen der schlechten Haftbedingungen gab der Gesundheitszustand vieler gewaltloser politischer Gefangener Anlass zu Besorgnis. Dies galt auch für den Arzt und gewählten NLD-Abgeordneten Dr. Than Nyein, der an einer Lebererkrankung und anderen Beschwerden litt.

Folterungen und Misshandlungen

Im Berichtsjahr war immer wieder von Folterungen und anderen Misshandlungen bei Verhören und während der Untersuchungshaft die Rede. Auch in den Strafgefängnissen soll es 2006 zunehmend zu Folterungen gekommen sein. In den Fällen, in denen sich Angehörige für die Opfer einsetzten, reagierten die Behörden unnachgiebig und mit Schikanen und setzten die Angehörigen unter Druck, ihre Beschwerde zurückzunehmen.

Im März wurde in Yangon der ehemalige politische Gefangene Ko Thet Naing Oo von Polizeibeamten und Feuerwehrleuten derart brutal mit Schlägen misshandelt, dass er noch am selben Tag starb.

Folterungen und Misshandlungen

Im Berichtsjahr war immer wieder von Folterungen und anderen Misshandlungen bei Verhören und während der Untersuchungshaft die Rede. Auch in den Strafgefängnissen soll es 2006 zunehmend zu Folterungen gekommen sein. In den Fällen, in denen sich Angehörige für die Opfer einsetzten, reagierten die Behörden unnachgiebig und mit Schikanen und setzten die Angehörigen unter Druck, ihre Beschwerde zurückzunehmen.

Im März wurde in Yangon der ehemalige politische Gefangene Ko Thet Naing Oo von Polizeibeamten und Feuerwehrleuten derart brutal mit Schlägen misshandelt, dass er noch am selben Tag starb.

Todesfälle in Haft

Mindestens sechs politische Gefangene kamen in der Haft zu Tode. Der Grund dürften Folterungen, ungenügende Ernährung und mangelhafte ärztliche Versorgung gewesen sein. Viele Häftlinge sassen weit entfernt von ihrer Familie ein und erhielten deshalb nicht in ausreichendem Mass Lebensmittel und Medikamente.

Im Oktober starb in der Vollzugsanstalt von Mandalay der 35-jährige Studentenführer und gewaltlose politische Gefangene Thet Win Aung, der bei seiner Verhaftung im Jahr 1998 gefoltert worden war und eine Haftstrafe von 59 Jahren erhalten hatte. Er musste wiederholt längere Zeit in Einzelhaft verbringen, hatte sich im Gefängnis zahlreiche Krankheiten wie zum Beispiel Malaria zugezogen und litt an psychischen Störungen.

Recht auf freie Meinungsäusserung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Auch im Berichtsjahr setzte die Regierung Gesetze, die das Recht auf freie Meinungsäusserung und auf friedliche Versammlung und Vereinigung einschränkten, rigoros durch. Der Zugang zum Internet unterlag gleichfalls Beschränkungen. Die Regierung sperrte viele Websites und immer wieder auch kostenlose E-Mail-Dienste.

Von April an kam es zu Drohungen und Schikanen gegen Mitglieder und Anhänger der NLD und der Liga der Shan-Nationalitäten für Demokratie (Shan Nationalities League for Democracy). Versammlungen wurden aufgelöst, in der staatlich gelenkten Presse erschienen regelmässig Drohungen und Verleumdungen gegen die NLD. Man warf ihr vor, sie schüre Unruhe im Land. Ende 2006 berichtete die Staatspresse, Hunderte NLD-Mitglieder seien von ihren Ämtern zurückgetreten und aus der Partei ausgeschieden.

Berichte von Amnesty International

Myanmar: Human rights violations continue in the name of national security (ai-Index: ASA 16/002/2006)
Myanmar: The UN Security Council must act (ai-Index: ASA 16/007/2006)
Myanmar: Ko Thet Win Aung, prisoner of conscience, dies in prison (ai-Index: ASA 16/015/2006)

Online auf www.amnesty.org