Myanmar Gefangene in Gefahr

November 2011
Bô Kyi kam 1988 ins Gefängnis, weil er Teil des Widerstands gegen die Militärjunta in Myanmar war. Seit seiner Freilassung lebt er in Thailand und engagiert sich für die 1800 politischen Gefangenen in seinem Land.

196_bo_kyi.gif Bô Kyi. © AI

AMNESTY IN ACTION: Wie schätzen Sie die Freilassung von burmesischen Gefangenen im Oktober ein?
Bô Kyi: Ich bin wütend. Wir (die Mitglieder seiner Organisation für politische Gefangene in Burma AAPPB, die Red.) wissen nicht, wer freigelassen wurde. Die Regierung macht keinen Unterschied zwischen den politischen Gefangenen und den Verbrechern. Das Problem ist, dass politische Gefangene wie Kriminelle behandelt werden und sie entsprechende Akten haben. Eine solche Akte bedeutet, dass sie keinen Pass erhalten, nicht studieren dürfen, keine Zukunft haben. Wir verlangen von der Regierung, dass sie die politischen Gefangenen als solche anerkennt.

Denken Sie, dass bald weitere Gefangene entlassen werden?
Dazu könnte der internationale Druck beitragen. Ich hoffe natürlich, dass viele freikommen. Aber ich weiss nicht, ob die Anführer der Opposition dazu zählen. U Gambira beispielsweise ist schwer krank. Ihm droht der Tod, wenn er nicht möglichst bald freikommt. Doch die Regierung hat Angst, ihn freizulassen, weil er ein lebender Beweis dafür ist, was den Gefangenen angetan wird.

Sie selber wurden gefangen gehalten und gefoltert. Wie haben Sie das überstanden?
Die Gefangenen brauchten die Unterstützung von Freunden und Familie. Aber die Freunde dürfen sie nicht besuchen, und die Familie kann nur mit einer Empfehlung zu Besuch kommen. Medizinische Versorgung gibt es praktisch nicht. Die Zellen sind gerammelt voll. Die politischen Gefangenen haben nicht die gleichen Rechte und werden, auf Anordnung der Wärter, häufig von den übrigen Gefangenen verprügelt. Manche von den politischen Gefangenen werden besser behandelt, weil sie bekannt sind. Doch ich wusste, was mich erwartet, als ich damals mit anderen Studenten demonstrierte. Wir wollten Gerechtigkeit, Demokratie, Rechte. Wir haben nicht bekommen, was wir wollten, also machen wir weiter. Willkürliche Verhaftungen, unfaire Prozesse, Folter: Das alles passiert – trotz den Reformversprechen der Regierung – nach wie vor.

Wie kommuniziert Ihre Organisation mit den Gefangenen?
Wir erhalten von Familienangehörigen Informationen und wir haben unsere Quellen in den Gefängnissen. Wir ermuntern die Menschen, mit den Medien zu sprechen.

Was erwarten Sie von der internationalen Gemeinschaft?
Kein Gefangener kommt ohne Druck frei. Aber die internationale Gemeinschaft sieht nur die Oberfläche. Vor allem die ländliche Bevölkerung hat keinerlei Schutz. Aufgrund ethnischer Konflikte sind innerhalb des Landes eine halbe Million Menschen vertrieben worden. Es gibt einen richtiggehenden Bürgerkrieg. Die Soldaten können machen, was sie wollen: Frauen vergewaltigen; Dorfbewohner verhaften, verschleppen oder foltern; Leute zur Arbeit zwingen. Es braucht eine unabhängige Untersuchung und einen Mechanismus, um die Verantwortlichen zu verurteilen.