Das myanmarische Militär verlegt in und im Umfeld von Dörfern im Bundesstaat Kayah (ehemals Karenni) massenhaft Landminen. Amnesty International bezeichnet dies als Kriegsverbrechen. Zu diesem Schluss kommt die Menschenrechtsorganisation nach Recherchen vor Ort in den konfliktgeschüttelten Gegenden des Bundesstaates.
Die eingesetzten Antipersonenminen sind per se wahllos und ihr Einsatz ist international verboten. Die vom myanmarischen Militär verlegten Minen haben bereits zu Verletzungen und Todesopfern unter der Zivilbevölkerung geführt und werden langfristige Folgen nach sich ziehen – indem sie zum Beispiel die Fähigkeit von vertriebenen Personen, nach Hause zurückzukehren und ihre Flächen zu bewirtschaften, erheblich beeinträchtigen.
«Der Einsatz von Landminen durch das myanmarische Militär ist entsetzlich und grausam. In den meisten Teilen der Welt sind diese unterschiedslos wirkenden Waffen verboten, doch in Myanmar hat das Militär sie auf Privatgrundstücken – beispielsweise in Höfen und Treppenhäusern – und sogar vor einer Kirche verlegt», sagt Matt Wells, Crisis Response Deputy Director bei Amnesty International. Er fordert: «Die Welt muss dringend auf die Gräueltaten reagieren, die das Militär in ganz Myanmar gegen Zivilpersonen begeht. Weltweit müssen Länder die Waffenlieferungen nach Myanmar einstellen und alle Bemühungen unterstützen, die für Kriegsverbrechen Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.»
Von 25. Juni bis 8. Juli sprachen Amnesty-Vertreter*innen im Bundesstaat Kayah mit 43 Personen aus den Townships Demoso, Hpruso und Loikaw. Diese Gegenden stehen im Zentrum von Auseinandersetzungen zwischen der Armee und bewaffneten ethnischen Gruppen, seit im Mai 2021 im Zuge des Militärputsches wieder Konflikte im Bundesstaat Kayah ausbrachen.
Amnesty International sprach zudem mit überlebenden Minenopfern und anderen Zeug*innen sowie mit Gesundheitspersonal, das Verletzungen durch Landminen behandelte, und mit Personen, die Landminen in Dörfern aufgespürt und entschärft hatten. Vertreter*innen der Menschenrechtsorganisation besuchten ausserdem mehrere Dörfer, die kürzlich von Minen befreit worden waren.
Das myanmarische Militär verlegt mehre Arten von Landminen aus Eigenherstellung. Eine Mine vom Typ M-14 führt in der Regel dazu, dass der Fuss eines Betroffenen am Knöchel abgesprengt wird. Der noch gefährlichere Typ MM-2 führt häufig zur Abtrennung des Beins unterhalb des Knies sowie zu Verletzungen an anderen Körperteilen, und zieht das Risiko von Todesfällen aufgrund von Blutverlust nach sich.
Antipersonenminen wie M-14 und MM-2 fügen schwere Verletzungen zu und ihr Einsatz ist sowohl gemäss dem humanitären Völkergewohnheitsrecht als auch dem von 164 Ländern unterzeichneten Landminenvertrag von 1997 verboten, den Myanmar allerdings nicht unterzeichnet hat. Laut Landmine Monitor ist das myanmarische Militär die einzige staatliche Armee, die 2020/21 Antipersonenminen eingesetzt hat.
Die Menschenrechtsorganisation Karenni Human Rights Group hat dokumentiert, dass im Bundesstaat Kayah seit Juni 2021 mindestens 20 Zivilpersonen durch Landminen schwer verletzt oder getötet wurden. Aktivist*innen, Mitarbeiter*innen örtlicher Hilfsorganisationen und Personen, die ohne offizielle Ausbildung Dörfer von Minen befreien, gaben an, dass Militärangehörige in den vergangenen Monaten dort vermehrt Landminen verlegt haben, insbesondere in Gegenden, aus denen sie sich dann zurückzogen.
Eine Kirche im Fadenkreuz
Am 27. Juni 2022 statteten Vertreter*innen von Amnesty International der Kirche St. Matthew’s in der Ortschaft Daw Ngay Khu im Township Hpruso einen Besuch ab. Mitte Juni, als in der Gegend Kämpfe herrschten, verlegte das Militär mindestens acht Landminen auf dem Grundstück der Kirche.
Amnesty International fotografierte einige Bereiche, die von Minen befreit worden waren, darunter auch der Weg zum Haupteingang und die Rückseite der Kirche. Diejenigen, die beim Entminen des Kirchengrundstücks geholfen haben, sind der Ansicht, dass sich dort noch mehr bisher unentdeckte Minen befinden.
Am Nachmittag des 15. Juni steckten Armeeangehörige zudem die Kirche und das nebenan gelegene Haus des Priesters in Brand. Als Vertreter*innen von Amnesty International den Ort zwölf Tage später besuchten, schwelte das im Haus des Priesters gelagerte Getreide immer noch.
Amnesty International liegen glaubwürdige Berichte darüber vor, dass das myanmarische Militär in den vergangenen Monaten in mindestens 20 Dörfern der Townships Hpruso, Demoso und Loikaw Landminen verlegt hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach gibt es in den Bundesstaaten Kayah und Shan noch viele weitere verminte Ortschaften.
Amnesty International fordert, dass die militärische Führung Myanmars den Einsatz von Landminen unverzüglich einstellt und sich der Mehrheit der Welt anschliesst, die den Vertrag über das Verbot von Landminen unterstützt, der Bestimmungen zur Minenräumung und zur Unterstützung der Opfer enthält.