Die hygienischen Zustände in Nordkoreas Krankenhäusern sind katastrophal, wie der Amnesty-Bericht The Crumbling state of health care in North Korea (pdf, 690 KB) zeigt. Nach Angaben von Augenzeugen werden Nadeln vor dem Gebrauch nicht desinfiziert und die Bettwäsche nicht regelmässig gewaschen. Immer wieder brechen Epidemien aus, Tuberkulose und andere Infektionskrankheiten sind an der Tagesordnung.
Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation gibt kein Staat auf der Welt weniger Geld für Gesundheit aus als Nordkorea, nämlich unter einem US-Dollar pro Person im Jahr. Obwohl die Behandlung in nordkoreanischen Krankenhäusern offiziell kostenlos ist, verlangten viele Ärzte und Ärztinnen eine Gegenleistung. Flüchtlinge haben gegenüber Amnesty International berichtet, dass sie mit Zigaretten, Alkohol oder Geld für eine Behandlung bezahlen mussten.
Selbstdiagnosen mit fatalen Folgen
Der Amnesty-Bericht zeigt, dass viele NordkoreanerInnen auf die Beratung durch Ärzte verzichten und direkt auf den ausgeprägten Schwarzmarkt zurückgreifen, um sich mit Medikamenten zu versorgen. Selbstdiagnosen und die eigenmächtige Einnahme von mangelhaften Medikamenten haben nicht selten fatale Folgen. Erst kürzlich haben nordkoreanische Behörden ein stark süchtig machendes Schmerzmittel verboten, das viele NordkoreanerInnen regelmässig als «Allheilmittel» einnahmen.
Tuberkulose ist eine der häufigsten Krankheiten in Nordkorea ist. Für die Behandlung gibt es im Land keine Antibiotika, die bei den arzneimittelresistenten Fällen anschlagen. Generell sind ab Juli 2010 die Vorräte an Antibiotika im Land aufgebraucht, sofern das Ausland nicht für Nachschub sorgt.
Hunger verschlimmert die Lage
Verschärft wird das Problem durch die mangelhafte Ernährung eines grossen Teils der Bevölkerung: Nahezu 9 Millionen Menschen, mehr als ein Drittel der Bevölkerung, leiden unter extremer Nahrungsmittelknappheit. Die Währungsreform vom 30. November 2009 löste eine Inflation aus und führte damit erneut zu einer verschärften Lebensmittelknappheit. Die Regierung verschlimmerte die Lage zusätzlich durch das Verbot, mit ausländischer Währung zu zahlen, durch die Schliessung von Nahrungsmittelmärken sowie einem Ernteverbot für Kleinbauern.
«Nach internationalem Recht ist Nordkorea verpflichtet, das Recht der Bevölkerung auf eine Gesundheitsversorgung bestmöglich zu gewährleisten», sagte Catherine Baber, stellvertretende Leiterin von Amnesty Internationals Asien-Pazifik Abteilung. «Das bedeutet, dass ein Mindestmass an den entsprechenden gesundheitsrelevanten Faktoren wie Nahrung, Unterkunft, Zugang zu sauberem Trinkwasser und adäquater Abwasserentsorgung, sichere Arbeitsbedingungen und eine gesunde Umgebung gewährleistet werden müssen. Dieser Verpflichtung kommt Nordkorea nicht nach», sagte Baber.
Geberländer müssen reagieren
Nordkorea braucht unbedingt weitere internationale Unterstützung, um die Infrastruktur im Gesundheitswesen verbessern zu können. Amnesty International fordert die Geberländer auf, die humanitäre Hilfe im Rahmen der Vereinten Nationen fortzusetzen und auszuweiten. Dabei muss die Not der Menschen in Nordkorea und nicht die politische Interessenlage ausschlaggebend sein.
Gleichzeitig muss die nordkoreanische Regierung ihren Verpflichtungen nachkommen und internationale Unterstützung anfordern, falls sie nicht in der Lage ist, die Situation selbst in den Griff zu bekommen.
Amnesty International konnte nicht in Nordkorea recherchieren. Der Bericht stützt sich auf die Aussagen von rund 40 nordkoreanischen Flüchtlingen.