Kim Jong-un und sein Vater Kim Jong-il applaudieren einer Militärparade. Pjöngjang, Oktober 2010. © AP
Kim Jong-un und sein Vater Kim Jong-il applaudieren einer Militärparade. Pjöngjang, Oktober 2010. © AP

Nach dem Tod von Kim Jong-il Machtwechsel in Nordkorea: Eine Chance für die Menschenrechte?

19. Dezember 2011
Nach dem Tod von Kim Jong-il und der anstehenden Machtübernahme durch seinen Sohn Kim Jong-un stellt sich die Frage, ob die neue Führung die katastrophale Menschenrechtsbilanz des Landes verbessern wird. Kim Jong-il hinterlässt, wie sein Vater vor ihm, Millionen NordkoreanerInnen in tiefer Armut, ohne Zugang zu ausreichender Nahrung und medizinischer Versorgung. Hunderttausende Gefangene sind in menschenunwürdigen Arbeitslagern inhaftiert. Die neue Regierung muss mit dieser menschenverachtenden Politik der Vergangenheit brechen.

Berichte aus der jüngeren Vergangenheit legen jedoch nahe, dass sich die Regierung in Vorbereitung auf den sich andeutenden Machtwechsel möglicherweise Hunderten von Staatsangestellten entledigte, die als potentielle Gefahr für Kim Jong-un als Nachfolger seines Vaters angesehen wurden. Sie sollen hingerichtet oder in Hafteinrichtungen für politische Gefangene gebracht worden sein. Insgesamt deuten die Berichte aus dem letzten Jahr darauf hin, dass Kim Jong-un und seine Unterstützer seine  Macht durch zunehmende Repression sichern wollen.

Diese Strategie wurde bereits in den Monaten nach Kim Jong-ils Machtübernahme nach dem Tod seines Vaters Kim Il-sung 1994 angewendet. Auch damals wurden Tausende politische GegnerInnen und ihre Familien in Gefangenenlager gebracht und teilweise hingerichtet, öffentlich oder geheim, ohne oder nach äusserst unfairen Gerichtsverfahren.

Auch Familien von Oppositionellen eingesperrt

Amnesty International hat Nordkoreas katastrophale Menschenrechtsbilanz über Jahre hinweg dokumentiert. Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind so gut wie nicht vorhanden. Hunderttausende mutmassliche Oppositionelle und Dissidenten sind in Arbeitslagern wie der berüchtigten Yodok-Anlage interniert, in denen auch Familienmitglieder der Beschuldigten bis zur dritten Generation eingesperrt werden. Die Häftlinge müssen dort bis zu zwölf Stunden am Tag hart arbeiten.

Seit Mitte der achtziger Jahre sind fast eine Million Menschen in Folge akuter Lebensmittelknappheit gestorben. Auch heute leidet mehr als ein Drittel der Bevölkerung unter der Nahrungsmittelknappheit, insbesondere Kinder und Ältere. Dies ist vor allem auf die verfehlte oder sogar kontraproduktive Politik unter der Führung von Kim Il-sung und Kim Jong-il zurückzuführen. Amnesty International ruft die nordkoreanische Regierung und die internationalen Geberländer erneut auf sicherzustellen, dass Nahrungsmittel an die bedürftigsten Menschen in Nordkorea verteilt werden.

Operationen ohne Narkose

Nordkoreas Gesundheitssystem befindet sich in einem kritischen Stadium des Verfalls. Amnesty International liegen Berichte vor, denen zufolge in Krankenhäusern unsterilisierte Nadeln benutzt und grosse Operationen ohne Narkose durchgeführt werden.

Diese Informationen widersprechen der offiziellen Darstellung, der zufolge sich Nordkorea zu einer «starken und wohlhabenden» Nation entwickelt. Dies kann nur erreicht werden, indem die neue Regierung die Menschenrechte respektiert und die Unterdrückung beendet, die die Ära Kim Jong-ils prägte.

Forderungen

Die nordkoreanischen Behörden und der neue Machthaber müssen die Menschenrechtslage umgehend verbessern:

  • Alle gewaltlosen politischen Gefangenen und ihre Familienangehörigen, die in Hafteinrichtungen für politische Gefangene inhaftiert sind, müssen sofort und bedingungslos freigelassen werden. Alle anderen Insassen sollten entweder freigelassen oder einer international anerkannten Straftat angeklagt werden. In diesem Fall müssen sie ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht erhalten.
  • Zwangsarbeit, Folter und andere Misshandlungen müssen sofort beendet werden.
  • Internationale humanitäre Organisationen wie das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationalen müssen sofortigen und uneingeschränkten Zugang zum Land erhalten, damit die Nahrungslieferungen die bedürftigsten Menschen erreichen.
  • Die gravierenden Mängel im Gesundheitssystem müssen behoben werden. Dafür muss internationale humanitäre Unterstützung angenommen und vollständig mit internationalen Organisationen kooperiert werden.
  • Öffentliche und geheime Hinrichtungen müssen sofort beendet werden.
  • Mutmassliche Entführungen und Verschwindenlassen müssen umfassend und unabhängig untersucht werden.
  • Die in der Verfassung und internationalen Menschenrechtsabkommen garantierten Rechte auf Meinungs- und Religionsfreiheit müssen ausgeübt werden können.
  • Die Empfehlungen internationaler Menschenrechtsexperten und der regelmässigen universellen Überprüfung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen müssen sofort umgesetzt werden.
  • Unabhängigen Beobachtern und Beobachterinnen muss der Zugang zum Land gewährt werden, darunter den Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen für die Rechte auf Nahrung, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und insbesondere dem Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage in der Demokratischen Volksrepublik Korea.