Das Wasser aus dem Brunnen mit der Handpumpe – oft die einzige mögliche Kühlung. © Shakil Adil
Das Wasser aus dem Brunnen mit der Handpumpe – oft die einzige mögliche Kühlung. © Shakil Adil

Pakistan Fotoessay über die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise

1. November 2021
Ein Bericht von Amnesty International über das Leben in einer der heissesten Städte der Welt zeigt die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise und deren menschenrechtliche Folgen auf.

Jacobabad ist eine Stadt mit rund 200'000 Einwohner*innen in der pakistanischen Provinz Sindh, in der die Temperaturen in den letzten vier Sommern regelmässig 50 Grad Celsius überschritten haben. Mindestens viermal seit 1987 haben die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit einen Schwellenwert erreicht, der von Expert*innen als «heisser als ein menschlicher Körper verkraften kann»1 beschrieben wird. Damit ist Jacobabad eine von nur zwei Städten weltweit, die diesen wenig beneidenswerten Status erreicht haben.

Der 47-jährige Abdul Malik arbeitet an einem Ziegelofen. © Shakil Adil

Der im Vorfeld der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow gestaltete neuer Fotoessay von Amnesty International zeigt die menschenrechtlichen Auswirkungen des Klimawandels auf die Region Sindh. Die Sammlung Unliveable for Humans (pdf) dokumentiert auf eindringliche Weise den Alltag in Jacobabad, einer der heissesten Städte der Welt. Anhand von Bildern und Erfahrungsberichten wird deutlich, wie unmittelbar sich das kollektive Versagen bei der Bewältigung der Klimakrise auf die Menschenrechte der Bewohner*innen von Jacobabad auswirkt.

«Für die Menschen in Jacobabad ist die Klimakrise keine ferne Bedrohung, sondern Alltag.»  Rimmel Mohydin, Südasien-Expertin bei Amnesty International

«Für die Menschen in Jacobabad ist die Klimakrise keine ferne Bedrohung, sondern Alltag. Das gilt auch für viele andere in der Welt, insbesondere im globalen Süden. Wir haben keine Zeit mehr für Zurückhaltung, Verzögerungstaktiken und unausgegorene Lösungen, wenn die Menschenrechte bereits so stark bedroht sind wie nie zuvor», sagte Rimmel Mohydin, Südasien-Expertin bei Amnesty International.

«Diese Bilder und Berichte sollten den Teilnehmer*innen der COP26 als abschreckende Mahnung dienen. Sie machen deutlich, dass der Reichtum der Industrieländer – der auf fossilen Brennstoffen und schädlichen Praktiken beruht – das Überleben von Millionen Menschen auf der ganzen Welt gefährdet, insbesondere in den Entwicklungsländern.»

Unerträgliche Hitze

Das Leben in Jacobabad wird von dem Versuch beherrscht, der Hitze zu entkommen. Dafür setzen die Bewohner*innen alle verfügbaren Hilfsmittel ein, angefangen von Ventilatoren, die von Eseln angetrieben werden, bis zu riesigen Eisblöcken zur Kühlung der Böden. Um sich während des Arbeitstages einen kühlen Kopf zu bewahren, stellen sich Landarbeiter häufig kurz unter Handpumpen, oder sie springen in schmutzige Abwässer, die sich auf den Feldern sammeln. Hautinfektionen sind nicht selten. Ein Bewohner von Jacobabad, Shah Bux, berichtete Amnesty International, dass «die Kinder in nassen Kleidern ins Bett gehen, um die Hitze zu bekämpfen. Nur so können sie schlafen.»

Auch nachts gibt es kaum Abkühlung. © Shakil Adil

Die Bevölkerung von Jacobabad lebt in Armut und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen, die durch die sengende Hitze noch verschlimmert werden. Zu den am stärksten gefährdeten Bewohner*innen der Stadt gehören die rund 5000 Ziegelarbeiter: unter freiem Himmel, oft ohne Schutz vor der Hitze, stellen sie an glühenden Öfen täglich etwa 1000 Ziegel her – für weniger als 5 US-Dollar pro Tag. 

«Ich kriege kaum Luft, wenn es so heiss ist, aber wenn ich mich ausruhe, werden meine Familie und ich verhungern. Wie soll ich da eine Pause machen?», sagte Gulab Birohi, ein 70-jähriger Land- und Ziegelarbeiter gegenüber Amnesty International.

Gemeindepflegerinnen auf dem Weg zu ihrer täglichen Visite. © Shakil Adil

Die Frauen in der Stadt sind der extremen Hitze besonders ausgesetzt.

Die Frauen in der Stadt sind der extremen Hitze besonders ausgesetzt, da sie nicht den gleichen Zugang zu Kühlmöglichkeiten haben wie andere. Die gesellschaftliche Konvention verbietet es ihnen, in der Öffentlichkeit ein schnelles Bad zu nehmen oder in nahe gelegene Gewässer zu springen. Sie sind oft gezwungen, in stickigen Häusern zu schlafen, da sie im Freien geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind. 

Die fortschreitende Abholzung der Wälder, Energieversorgungsschwierigkeiten sowie der mangelnde Zugang zu Wasser und angemessenen Unterkünften machen es den Menschen in Jacobabad schwer, mit den extremen Wetterbedingungen zurechtzukommen. Die meisten Schulen haben keinen Strom und sind aufgrund fehlender öffentlicher Verkehrsmittel kaum erreichbar. Viele Kinder haben ihre Ausbildung abgebrochen, da sie in der Hitze weite Strecken zu ihren Schulen laufen müssten – die wiederum nur unzureichend ausgestattet sind, um sie vor den steigenden Temperaturen schützen zu können.

«Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der Welt auf der COP26 nicht zu den mutigen und konzertierten Massnahmen verpflichten, die so dringend erforderlich sind, werden Städte wie Jacobabad weiterhin unter immer extremerer Hitze und Luftfeuchtigkeit leiden», sagte Rimmel Mohydin.

Amnesty International fordert ausserdem die pakistanischen Behörden auf, angemessene Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu ergreifen, um die Rechte der Menschen in Jacobabad vor dem Hintergrund steigender Temperaturen und immer häufigerer Tage mit unerträglicher Hitze wirksam zu schützen.

Hintergrund

Pakistan wird voraussichtlich zu den Ländern gehören, die in den kommenden Jahrzehnten am stärksten von den steigenden Temperaturen betroffen sein werden. Jüngste gemeinsame Erkenntnisse der Asiatischen Entwicklungsbank und der Weltbank unterstreichen das erhöhte Risiko extremer Klimaereignisse und der Ernährungsunsicherheit.

Ausgedörrte Felder rund um das Dorf Naua Abad. © Shakil Adil

Die pakistanische Regierung hat aktiv Massnahmen zum Umgang mit dem Klimawandel ergriffen. Dabei hat sie immer wieder auf ihre Anfälligkeit für die Klimakrise und ihre mangelnde Verantwortung dafür hingewiesen. Eine Reihe von neuen Massnahmen im Zuge des Klimawandels wurde angekündigt, aber bisher konnten die Einwohner*innen von Jacobabad nicht davon profitieren. Die geplanten Aufforstungsprogramme sind noch nicht angelaufen und es gibt noch keine erneuerbaren und verlässlichen Energiequellen. Auch Hilfs- und Informationsangebote zur Bewältigung von Hitzewellen sind nach wie vor nicht verfügbar.

1Im Mai 2020 veröffentlichte Forschungsergebnisse der Universität Loughborough ergaben, dass in Jacobabad und Ras al Khaimah in den Vereinigten Arabischen Emiraten Hitze- und Luftfeuchtigkeitsgrade erreicht wurden, bei denen der menschliche Körper sich nicht mehr durch Schwitzen abkühlen kann – Bedingungen, die innerhalb weniger Stunden tödlich sein können.