Folter in Sri Lanka

Juni 2013 - 26. Juni: Internationaler Tag zur Unterstützung von Folteropfern (an diesem Tag trat 1987 die Uno-Konvention gegen Folter in Kraft)
Ich bin immer wieder bewusstlos geworden - Ein Zeugnis.

Die Erinnerung an jene schrecklichen Tage holt ihn immer wieder ein. Thevan (Name von Amnesty geändert) wurde in einer Gefängniszelle in der sri-lankischen Hauptstadt Colombo gefoltert. Deshalb erzählt er uns seine Geschichte. Eine so grauenhafte Geschichte, dass er selbst manchmal kaum glauben kann, was ihm da zugestossen ist.

«Thevans Geschichte zeigt, wie schlecht das Rechtssystem in Sri Lanka funktioniert. Die Tatsache, dass er nie angeklagt worden war, dass er immer wieder gefoltert wurde und keine Ahnung hatte, ob er für ein oder zwei Tage im Gefängnis bleiben musste, für fünf Monate oder 30 Jahre, zeigt exakt, was in diesem System schief läuft».

«Mir wurden die Augen verbunden und meine Hände wurden auf dem Rücken gefesselt. Manchmal wurde mein Kopf gegen die Wand geschlagen und man trat mir in den Brustkorb. Die meiste Zeit war ich nur halb bei Bewusstsein oder bin dann wirklich ohnmächtig geworden. Wenn ich wieder zu mir kam, schlugen sie mich immer noch. Sie sagten mir, ich sei bei den Tamil Tigers gewesen und ich solle das Papier unterschreiben».

Im Herbst 2008 hat Thevan in einem Geschäft Nahe Vavuniya gearbeitet. Am 29. November fuhr er mit einem Freund mitten im Bürgerkrieg nach Colombo. Männer in einem weissen Kleintransporter nahmen die beiden gefangen, verbanden ihnen die Augen und brachten sie in ein Gefangenlager. Drei Tage lang wurden sie gefoltert, bevor sie überhaupt realisierten, dass sie auf einer Polizeistation waren.

«Tagelang wussten wir nicht, was mit uns geschah, wir wurden einfach nur geschlagen. Man hat uns keine Fragen gestellt, wir wurden nur geschlagen und gefoltert. Wir waren am gleichen Ort, wurden aber in unterschiedlichen Zellen gefangen gehalten. Manchmal hörte ich meinen Freund weinen, wenn er verprügelt wurde, er konnte mich auch hören», erzählte Thevan Amnesty International.

Das Muster von Misshandlungen

Thevans Geschichte zeigt, wie die sri-lankischen Sicherheitskräfte jeden misshandelt haben, der ihrer Meinung nach zu den Tamil Tigers (LTTE) gehört hatte, einer bewaffneten Oppositionsgruppe, die für einen unabhängigen tamilischen Staat auf Sri Lanka gekämpft hat.

26 Jahre lang dauerte der Krieg zwischen der sri-lankischen Regierung und den Tamil Tigers, der 2009 beendet wurde. Doch die während dieser Zeit gängigen Misshandlungen von politischen Gegnern finden immer noch statt.

Journalistinnen, Anwälte, Aktivisten – jeder, der es wagt, die Behörden zu kritisieren, kann aufgrund drakonischer Sicherheitsgesetze verhaftet und für Jahre inhaftiert werden, ohne jemals Kontakt zur Aussenwelt zu erhalten.

Das Anti-Terror-Gesetz, ein Übrigbleibsel von 1980, dient noch immer als das legale Instrument, um RegierungskritikerInnen mundtot zu machen. Menschen können so ohne Anklage oder Gerichtsverfahren bis zu 18 Monate in Administrativhaft genommen oder, nach einem entsprechenden Verfahren, auch auf unbestimmte Zeit eingesperrt werden. Wer erst einmal in dieser dunkeln Vorhölle verschwindet, ohne jemals einen Anwalt zu sehen, ist ein wehrloses Opfer von Folter – obwohl diese per Verfassung verboten ist.

Manchmal umgehen die Behörden alle legalen Verfahren und bedrohen oder überfallen Regimekritiker auf anonymem Weg. Alarmierend hoch ist die Zahl glaubwürdiger Berichte, wie Menschen zusammengeschnürt in weisse Lieferwagen gezerrt werden und später irgendwo an den Strassenrand gekippt werden oder ganz verschwinden.

Die meisten, die auf diese Weise verschwanden, wurden monatelang in unbekannten Lagern gefangen gehalten. Dort versuchten Sicherheitskräfte sie mit allen Mitteln dazu zu bringen, mit Ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass sie zu den Tamil Tigers gehört haben.

Thevan wurde in Gefangenschaft bis zu seiner Entlassung 2011 misshandelt. «Sie wollten mich dazu zwingen, das Papier zu unterschreiben, das sie mir unter die Nase hielten. Aber ich habe mich geweigert, daraufhin haben sie mich immer mehr geschlagen. Einmal haben sie mich so verprügelt, dass mir Blut am Kopf herunter lief und ich ein Knacken in meinem Schädel gehört habe. Die Narben sieht man noch immer».

Die Zeit im Gefängnis

Am 1. Dezember  2008 wurde Thevan, der kaum noch stehen konnte, nach mehreren Tagen Folter in ein Krankenhaus gebracht, wo Ärzte seine Verletzungen behandelten. Seine Arme und Beine waren an das Krankenbett gefesselt. «Die Fesseln wurden nur abgenommen, wenn ich auf die Toilette gehen musste. Zwei Polizisten sind dann mit mir gekommen und haben vor der offenen Tür gewartet.»

Zwei Wochen nach seiner Verhaftung wurde Thevan zur Kriminalpolizei in Colombo (Colombo Crime Division) gebracht. Vier Monate später wurde er dann in eines der Hauptgefängnise verlegt. Noch immer war er nicht wegen eines Verbrechens angeklagt worden. Er wusste weder, warum er verhaftet worden war, noch, warum er immer noch gefoltert wurde. Alle 14 Tage während seiner Zeit im Hochsicherheitsgefängnis Welikada in Colombo wurde er zusammengekettet mit 70 weiteren Gefangenen dem Richter vorgeführt.

Die Anhörung bestand aus der formalen Verlängerung der Gefängnisstrafe, die von einem Beamten abgestempelt wurde, der nicht dazu verpflichtet war, die Gefangenen zu befragen.

Im Gefängnis war es besonders schlimm für Thevan, weil die Wächter die anderen Gefangenen dazu aufgefordert haben, alle vermeintlichen Anhänger der Tamil Tigers anzugreifen. Diese Gefangenen, unter ihnen auch Thevan, wurden immer wieder gedemütigt, dazu gehörte auch, dass sie sich ausziehen und vor die anderen setzen mussten. Manche Gefangenen mussten auch andere Formen sexueller Gewalt erdulden.

«Thevans Geschichte zeigt, wie schlecht das Rechtssystem in Sri Lanka funktioniert», sagt Polly Truscott, stellvertretende Direktorin des Asien-Pazifik-Programms bei Amnesty International. «Die Tatsache, dass er nie angeklagt worden war, dass er immer wieder gefoltert wurde und keine Ahnung hatte, ob er für ein oder zwei Tage im Gefängnis bleiben musste, für fünf Monate oder 30 Jahre, zeigt exakt, was in diesem System schief läuft».

Preis der Freiheit

Während Thevan im Gefängnis sass und nicht wusste, wie ihm geschah, hatte seine Familie Geld gesammelt, um einen Anwalt zu bezahlen und Bestechungsgelder in dem komplizierten System so zu verteilen, dass sie ihn freibekamen. Sie glauben, dass letztendlich das Bestechungsgeld zu  Thevans Freilassung geführt hat.

Thevan lebt inzwischen auf dem Land und fühlt sich sicher. Er glaubt allerdings nicht daran, dass ihm je Gerechtigkeit widerfahren wird für die Misshandlungen, die er erdulden musste.

«Ich bin nur freigelassen worden, weil meine Familie bezahlte. Ich wurde festgehalten, damit man ans Geld meiner Familie kam. Es gab keine offizielle Anklage. Und es gab keinen Versuch, die Misshandlungen die ich erleiden musste zu untersuchen. Wir glauben nicht, dass uns durch dieses System je Gerechtigkeit widerfährt», sagt er.