Zerstörung durch einen der armenischen Angriffe, bei denen am 17. Oktober 2020 in einem Wohnviertel von GANJA mindestens ein Zivilist getötet wurde. . © Amnesty International
Zerstörung durch einen der armenischen Angriffe, bei denen am 17. Oktober 2020 in einem Wohnviertel von GANJA mindestens ein Zivilist getötet wurde. . © Amnesty International

Armenien/Aserbaidschan Einsatz von Raketengeschossen in Wohngebieten muss eingestellt werden

21. Oktober 2020
Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan müssen den Einsatz von schweren Sprengwaffen mit grossflächiger Wirkung in dicht besiedelten Gebieten unverzüglich einstellen, forderte Amnesty International heute.

Anhand der von ihnen untersuchten Beweismittel kamen Expert*innen des Krisenreaktionsteams von Amnesty International zu dem Schluss, dass von den Konfliktparteien mit großer Wahrscheinlichkeit Raketengeschosse und ungenaue Raketenartilleriesysteme eingesetzt worden sind. Unter offensichtlicher Verletzung des humanitären Völkerrechts hat dieser Einsatz in den letzten Tagen nicht nur massive Schäden verursacht, sondern auch zu Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung geführt.

Vor allem aus der Stadt Ganja in Aserbaidschan wurden zivile Opfer und schwere Schäden an zivilen Gebäuden gemeldet. Die Stadt war in den letzten Tagen wiederholt unter armenischen Artilleriebeschuss geraten. Doch auch aus der von Armenien kontrollierten Region Berg-Karabach kommen ähnliche Meldungen.

«Die Beweise für den Einsatz von Raketengeschossen und anderen explosiven Waffen mit weitreichender Wirkung in zivilen Gebieten zeigen eine schockierende Missachtung sowohl des Lebens als auch des Kriegsrechts» Denis Krivosheev, kommissarischer Leiter des Bereichs Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International

«Die Beweise für den Einsatz von Raketengeschossen und anderen explosiven Waffen mit weitreichender Wirkung in zivilen Gebieten zeigen eine schockierende Missachtung sowohl des Lebens als auch des Kriegsrechts», sagte Denis Krivosheev, kommissarischer Leiter des Bereichs Osteuropa und Zentralasien bei Amnesty International.

«Nach wie vor werden Zivilist*innen dadurch getötet, verletzt und obdachlos. Die rücksichtslosen Angriffe zerstören Leben und legen Wohnhäuser in Schutt und Asche.»

«Foto- und Videobeweise zeigen den verheerenden Schaden, den diese Waffen anrichten können. Berichten zufolge wurden Krankenhäuser und Schulen zerstört. Auch andere elementare zivile Infrastrukturen wie Strassen und Kommunikationsnetze wurden beschädigt.»

«Wir rufen erneut alle Konfliktparteien auf, das humanitäre Völkerrecht zu respektieren und dem Schutz der Zivilbevölkerung Vorrang zu geben. Der Einsatz solcher Waffen und Waffensysteme in Wohngebieten muss sofort aufhören.»

Bereits nachdem die Mitglieder des Krisenreaktionsteams festgestellt hatten, dass Aserbaidschan mit hoher Wahrscheinlichkeit solche Waffen in der Krisenregion nutzt, warnte Amnesty International vor dem Einsatz verbotener Streubomben. Aserbaidschan beschuldigt dagegen die armenische Seite, Streumunition einzusetzen. Bisher konnte Amnesty International diese Behauptung nicht bestätigen. Die Organisation fordert sowohl Armenien als auch Aserbaidschan auf, dem Übereinkommen über Streumunition beizutreten, das den Einsatz dieser Waffen weltweit verbietet.

Hintergrund

Am 27. September 2020 brachen schwere Kämpfe zwischen Aserbaidschan und Armenien und den von Armenien unterstützten Streitkräften in der abtrünnigen aserbaidschanischen Region Berg-Karabach aus. In den letzten Wochen wurden Tausende von Zivilist*innen vertrieben, da beide Seiten Artillerie und Raketen einsetzten. Bisher sind sämtliche Vermittlungsversuche zur Beendigung der Feindseligkeiten gescheitert.