Polizisten bringen einen Aktivisten zum Verstummen. Baku, 12. März 2011. © AI
Polizisten bringen einen Aktivisten zum Verstummen. Baku, 12. März 2011. © AI

Aserbaidschan Keine Meinungsfreiheit im Land des Eurovision Song Contest

Wer in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku auf der Strasse laut «Freiheit» ruft, riskiert eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Tagen. Wenige Monate vor dem Eurovision Song Contest 2012 richtet sich die zunehmende Repression auch gegen die freie Meinungsäusserung im Internet. Ein neuer Bericht von Amnesty International zeigt auf, wie die Regierung mit gezielten Schikanen und willkürlichen Verhaftungen verhindern will, dass Facebook und Twitter für die Organisation von Protesten und die Verbreitung von regierungskritischen Informationen eingesetzt werden.

In dem am 16. November 2011 veröffentlichten Bericht dokumentiert Amnesty International die systematische Verfolgung von Internet-AktivistInnen, Oppositionellen und Medienschaffenden in Aserbaidschan. «Das Gastland des Eurovision Song Contest im Mai 2012 versucht, jede kritische Stimme zum Schweigen zu bringen», erklärte Daniel Graf, Mediensprecher von Amnesty International. «20 Jahre Unabhängigkeit und wirtschaftlicher Wohlstand haben nicht dazu geführt, dass die Regierung der Bevölkerung die grundlegenden Rechte und Freiheiten gewährt. Es darf nicht sein, dass Aserbaidschan den KünstlerInnen und Besuchern des Eurovision Song Contests Meinungsfreiheit zusichert, aber die eigene Bevölkerung weiter unterdrückt.»

Ins Fadenkreuz der staatlichen Schikanen geraten zunehmend junge Internet-AktivistInnen. Die Behörden unternehmen alles, um sie in Verruf zu bringen. Wiederholt berichtete das staatliche Fernsehen über «geistesgestörte» Facebook-NutzerInnen.

Wer im Internet offen seine Meinung äussert, dem drohen zudem willkürlichen Verhaftungen und hohe Gefängnisstrafen. Dies zeigt der Fall von Jabbar Savalan. Im Februar 2011 wurde der Geschichtsstudent verhaftet, nachdem er auf Facebook regierungskritische Medienartikel verbreitet und zu Protestaktionen aufgerufen hatte. In Polizeigewahrsam wurde Jabbar Savalan geschlagen und gezwungen, ein falsches Geständnis zu unterschreiben. Ein Gericht verurteilte ihn wegen angeblichem Marihuana-Besitz zu einer Haftstrafe von zwei Jahren. Amnesty International geht davon aus, dass diese Anschuldigungen konstruiert sind.

Die verschärfte Unterdrückung zeigt sich ebenso auf der Strasse. Wer laut «Freiheit» ruft, riskiert eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Tagen. Ruft man nicht alleine, sondern in einer Gruppe, drohen bis zu drei Jahre hinter Gittern wegen Landfriedensbruch.

Trotzdem versammelten sich im März und April dieses Jahres hunderte Menschen in der Hauptstadt Baku. Inspiriert von den Protesten im Nahen Osten und Nordafrika, forderten sie demokratische Reformen und ein Ende der Korruption. Die Regierung ging mit äusserster Härte gegen die Demonstrierenden vor. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen und zu Haftstrafen verurteilt. Amnesty International betrachtet 17 Personen als Gewissengefangene und verlangt ihre sofortige Freilassung.

In ihrem 44-seitigen Bericht kritisiert Amnesty International auch, dass die Europäische Union und andere internationale Partner Aserbaidschans bisher über die Menschenrechtsverletzungen in dem Land hinweggesehen haben. «Die internationale Staatengemeinschaft muss endlich ihre Passivität aufgeben und ein Ende der Unterdrückung friedlicher Proteste fordern», erklärt Daniel Graf.

Medienmitteilung veröffentlicht: 16. November 2011
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