Kritik unerwünscht: Weiterhin bleiben viele Menschenrechtsaktivisten und Regierungskritikerinnen in Aserbaidschan in Haft. © Amnesty International
Kritik unerwünscht: Weiterhin bleiben viele Menschenrechtsaktivisten und Regierungskritikerinnen in Aserbaidschan in Haft. © Amnesty International

Aserbaidschan 10 Gewissensgefangene freigelassen

17. März 2016
Es ist ein Hoffnungsschimmer für die bedrängte Zivilgesellschaft: Am 17.3. hat Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev einen Erlass unterschrieben, der die Freilassung von 148 Gefangenen, darunter 10 Gewissensgefangenen, anordnet.

Diese Amnestie kam nur einen Tag nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Haft des Menschenrechtsverteidigers Rasul Jafarov als Verletzung internationalen Rechts verurteilt hatte. Rasul Jafarov ist der Präsident der NGO-Vereinigung für Menschenrechte und eine prominente Person in der aserbaidschanischen Zivilgesellschaft. Er hatte weltweit auf Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat aufmerksam gemacht, als er die «Sing for Rights»-Kampagne anlässlich des Eurovision Song Contests in der Hauptstadt Baku lancierte. Im April 2015 wurde er wegen einer Reihe von politisch motivierten Anklagen zu sechseinhalb Jahren verurteilt, darunter wegen Steuerhinterziehung, illegalen Geschäftsaktivitäten und Veruntreuung.

In den vergangenen Jahren hatte Amnesty die zunehmenden Restriktionen gegen politische Aktivisten und Aktivistnnen und die Zivilgesellschaft dokumentiert. Regierungskritiker wurden bedroht, eingeschüchtert, willkürlich verhaftet und in vielen Fällen zu langen Haftstrafen verurteilt.

Nur zur Hälfte eine gute Nachricht

«Die Freilassung von zehn Gewissensgefangenen ist immer eine gute Nachricht», sagt Denis Krivosheev, Direktor für Europa und Zentralasien bei Amnesty International, «bei aller Freude darf man aber nicht vergessen, dass weitere acht Gewissensgefangene hinter Gitter bleiben. Die aserbaidschanische Führung sollte nicht zu früh gelobt werden; erst müssen alle ungerechtfertigt Inhaftierten freigelassen werden und der Druck auf die Zivilgesellschaft muss endlich aufhören.»

Zu den am 17. März 2016 Freigelassenen gehören Rashadat Akundov, Rashad Hasanov, Omar Mammadov und Mammad Azizov – alles Mitglieder der demokratiefreundlichen Jungendbewegung NIDA; ausserdem die Menschenrechtsaktivisten Rasul Jafarov, Hilal Mammadov und Anar Mammadli; die Oppositionellen Yadigar Sadigov, Siraj Karimov und Tofig Yagublu; auch der Menschenrechtsverteidiger Taleh Khasmmadov und der Journalist Rauf Mirgadirov, die beide aufgrund politisch begründeter Anklagen im Gefängnis sassen, wurden freigelassen.

«Typische» Vergehen von Oppositionellen

In Haft bleibt die Journalistin Khadija Ismayilova, deren schockierende Behandlung durch die Behörden Amnesty im Report «Guilty of Defending Rights» dokumentiert hatte. Ismaiyilova erhielt Preise für ihren investigativen Journalismus, mit dem sie Korruption und Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan aufdeckte. Auch sie wurde diverser, für Regierungskritikerinnen und –-kritiker offenbar «typischer», Vergehen angeklagt, wie Veruntreuung, illegale Geschäfte und Steuerhinterziehung.

Der renommierte Menschenrechtsanwalt Intigam Aliyev bleibt ebenfalls im Gefängnis; sein Gesundheitszustand soll sich rapid verschlechtert haben, weil er keine entsprechende medizinische Versorgung erhalte. Ebenfalls nicht freigelassen wurde der Oppositionelle Ilgar Mammadov, obwohl der europäische Gerichtshof geurteilt hatte, dass Mammadov nur wegen seiner Regierungskritik hinter Gittern sei. Der europäische Ministerrat hatte sich mehrmals für seine Freilassung eingesetzt. Zu den in Haft verbleibenden gehören auch die Blogger Rashad Ramanazov und Elvin Karamov, der Aktivist Faraj Karimov, und die NIDA-Mitglieder Abdul Abilov sowie Ilkin Rustamzadeh.

«Viele der weiterhin Gefangenen wurden aus denselben Anklagegründen verurteilt wie die jetzt Freigelassenen. Das zeigt, wie willkürlich das Justizsystem in Aserbaidschan funktioniert», sagt Denis Krivosheev. «Die aserbaidschanischen Behörden müssen nun endlich und bedingungslos alle Gewissensgefangenen freilassen und Schritte einleiten, damit die Menschenrechte in diesem Land eingehalten werden.»